1. Dezember 2014 in Chronik
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich (CDU) hat das terrorgebeutelte Land Nigeria besucht und berichtet von seinen Eindrücken.
Berlin (kath.net/idea) Das bevölkerungsreichste Land Afrikas wird von schweren Unruhen heimgesucht. Besonders erschütterte die Nachricht von der Entführung von über 270 christlichen Schulmädchen. Sie befinden sich seit April in der Gewalt der islamischen Terrororganisation Boko Haram. Sie hat angekündigt, die Mädchen als Sklavinnen an Muslime zu verkaufen. Der Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich (CDU, Chemnitz) hat nun Nigeria besucht. In idea berichtet er von seinen Eindrücken.
Samstag, 18. Oktober
Na, das fängt ja gut an. Unser Flug von Berlin wird wegen Nebel abgesagt. Ein Zeichen? Immerhin gab es erhebliche Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. Nein, die Christen in Nigeria brauchen dringend Unterstützung. Ich fliege also. Umweg über Frankfurt am Main und Kairo.
Sonntag, 19. Oktober
Landung in der Hauptstadt Abuja. Briefing durch Herrn Brinksmeier von der Deutschen Botschaft zur Sicherheitslage und Planung der Reise. Die Sicherheit gewährleistet ein Team der Nationalen Sicherheit. 8 Soldaten werden mich begleiten. Die Angst vor Entführungen ist allgegenwärtig. Abendessen mit einer Mitarbeiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung: Sie sieht das Hauptproblem des Landes in massiver Korruption. Die Situation ist im Norden und im Süden grundlegend unterschiedlich: Den Norden terrorisiert Boko Haram, im Süden sind Gewalt und Entführungen für Lösegeld alltäglich, dazwischen führt der Stamm der Fulani seine Raubzüge. Die Konflikte seien im Kern nicht religiös. Die Religion werde nur für die Machtkämpfe instrumentalisiert.
Montag, 20. Oktober
Treffen mit Ayo Oritsejafor, dem Präsidenten der Pfingstkirchen von Nigeria. Er geht davon aus, dass Muslime letztlich doch ab einer gewissen Population ganz klar auf Macht aus sind, nennt einige Beispiele aus den Regionen Nigerias. Er wehrt sich scharf gegen den Gedanken, dass Armut die Ursache für Extremismus ist. Er vermisst die Einheit der Christen, die Solidarität zwischen den Kirchen und über die Länder hinweg.
Wie man gegen Terror kämpft
Im Anschluss führe ich mehrere Gespräche mit Botschaftsvertretern. Ihre Einschätzung: Der Terrorismus aus extremistisch muslimischem Hintergrund in Nigeria ist eine große Herausforderung. Schon ob man einen terroristischen Akt verurteilt oder nicht, kann einen zum Feind machen. Der Lösungsansatz: die religiösen Leiter des Landes bei den Problemen einbinden, Zeit miteinander verbringen, verstehen lernen. Ich lerne das christliche Programm Heilende Erinnerungen kennen. Sein Ziel ist es, Hass abzubauen und Versöhnung zu erreichen.
Dienstag, 21. Oktober
Der Besuch beim Distriktleiter (His Highness) einer Region im Nordosten geht unter die Haut: Sein Anwesen wurde im November 2012 zerstört. Sein Distrikt wurde an dem Tag von 400 Mann überfallen. Sie zerstörten 400 Häuser, brachten Menschen und Tiere um, vernichteten die Ernte. Alle Opfer sind ausschließlich Christen.
Wir besuchen Kirchengebäude, die verlassen oder zerstört wurden. Ein vollständig ausgelöschtes Dorf liegt an der Hauptstraße. Auch das Theologische Seminar in Obi, an dem Pastoren ausgebildet worden waren, liegt brach. 200 Schüler mussten mit ihren Familien fliehen. Etwa 50 Menschen leben auf dem Campus, können sich kaum ernähren. Denn Angehörige des Stammes der Fulani haben die Ernte geklaut, verkauft oder das Saatgut an ihr Vieh verfüttert. Der Tag war geprägt von vielen Begegnungen allesamt Leidensgeschichten.
Mittwoch, 22. Oktober
Treffen mit der Gemeinschaft der Kirchen in Nigeria (TECAN). Sie vertreten 13 Millionen Christen, Pastoren und Leiter aus den 13 Denominationen der nord-westlichen Provinzen. Sie beklagen, dass nur noch wenige westliche Kirchenvertreter oder Medien nach Nigeria kommen. Dadurch sei das Ausmaß der Zerstörungen kaum bekannt. Mich bewegt die Bitte der Christen: Betet (auch) für die Anhänger der Terrororganisation Boko Haram.
Kirchenvertreter berichten:
Peter A.: In Nasarawa sind es die Anhänger des Stammes der Fulani, die viele vertreiben. Sie töten, verbrennen, zerstören. Christen initiieren Projekte für Frieden: Diskussionen, Begegnungen. Mohammad B.: In seiner Region werden nur sie die Christen bedroht. Als Kirchen müssen sie sich für alles rechtfertigen. Sie sind immer die Buhmänner. Nach einem Motorradklau im Dorf wurden Christen verdächtigt. Daraufhin zogen mehrere Hundert Männer durchs Dorf, brandschatzten, zerstörten und töteten Christen. Die Kirchen rufen zu Frieden auf. Bisher sind keine Gewalttaten von Christen bekannt. Wir selber werden und können sie nicht angreifen und töten.
Hunderte verstecken sich in Höhlen
Azuana C. berichtet: In Dörfern seiner Region sind bis zu 97% der Kirchengebäude attackiert und viele davon zerstört worden. Das Ziel des Islam sei, die Kirche zu zerstören. Die Medien veröffentlichten viele Propagandaberichte, um die islamische Gewalt zu rechtfertigen. Die Bewegung Boko Haram beruft sich auch auf den Koran. Inzwischen gibt es viele Flüchtlinge, die sich verstecken, weil sie den Sicherheitsbehörden nicht vertrauen. Hunderte leben in Höhlen in den Bergen.
Der Präsident eines Kirchenverbandes fasst die Lehren der Boko Haram so zusammen: 1. Die westliche Bildung insbesondere von Mädchen soll abgeschafft werden. 2. Der Weg Mohammeds soll mit Gewalt umgesetzt werden.
Die Generalsekretärin der Gemeinschaft der Kirchen in Nigeria berichtet von einem vor kurzem abgeschlachteten Prediger, von Kindern und Frauen, die entführt wurden, von verbrannten Kirchen, Schulen und Krankenhäusern. Es werde dringend Hilfe benötigt. Ein Jugendleiter meint: Christlicher Religionsunterricht ist verboten, christliche Kinder werden gezwungen, am muslimischen Unterricht teilzunehmen.
Mir werden lange Listen mit Daten zu den Fällen von Zerstörungen, Entführungen und Tötungen übergeben. In den meisten Fällen mit Namen und Wohnort und sogar Geburtsdatum. Die Begegnung mit den Pastoren aus Chibok Pastor Mohammed und Pastor Abu Bakar geben mir ein Beispiel für Versöhnung: Ihre Kirche konnte mit Spenden von westlichen Christen (die Organisation Jugend mit einer Mission) wieder aufgebaut werden. Viele islamische Handwerker bekamen Aufträge. Der örtliche Imam verurteilte, was Boko Haram getan hatte, und bat den Pastor, in der Moschee zu den Gläubigen zu sprechen.
Donnerstag, 23. Oktober
Besuch der ökumenisch genutzten Kathedrale. Beeindruckend: Das Gotteshaus mit 6.000 Plätzen wird von 5 verschiedenen Konfessionen genutzt, darunter Katholiken und Pfingstlern. Fahrt zur Abuja National Moschee. Gespräch mit dem geistlichen Oberhaupt der Region und Imam der Moschee, dem Generalsekretär der Moschee, Alh. Ibrahim A. Jega, dem Mitglied der Muslime in der Interfaith-Kommission, und zwei weiteren Verantwortlichen.
Ich bin erschüttert und ermutigt
Sonnabend, 25. Oktober
Es geht zurück nach Deutschland. Mein Herz ist übervoll. Ich bin erschüttert und zugleich ermutigt von den Begegnungen. Immer wieder höre ich, wie sehr es die Menschen ermutigt hat, dass sich ein christlicher Politiker aus Deutschland auf den Weg zu ihnen gemacht hat. Was nehme ich mit? Mein Versprechen, für die Menschen Christen und Muslime in Nigeria zu beten und den Christen im Westen von der Not ihrer Geschwister zu erzählen.
Foto Frank Heinrich: © Deutscher Bundestag
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