4. Dezember 2014 in Kommentar
Wenn die Schweizer Bischöfe vom Ad Limina Besuch zurück sind, habe sie es in der Hand dafür zu sorgen, dass sich ihre Bistümer nicht im Unterholz der helvetischen Partikularismen verfahren. Gastkommentar von Generalvikar Martin Grichting
Chur (kath.net) In diesen Tagen absolvieren die Schweizer Bischöfe in Rom den Ad Limina Besuch. Der Begriff leitet sich von der visitatio ad limina apostolorum her, dem Besuch bei den Türschwellen der Apostelkirchen St. Peter und St. Paul. Gemeint ist damit die Verpflichtung der Bischöfe, alle fünf Jahre nach Rom zu wallfahren sowie dem Papst Rechenschaft abzulegen über den Zustand ihrer Bistümer.
Der Ad Limina Besuch hat somit zweifellos rituellen Charakter. Aber er bringt auch eine fundamentale Wahrheit des katholischen Glaubens zum Ausdruck und verleiht ihr Nachdruck.
Das II. Vatikanische Konzil hat diesen Grundsatz so formuliert: Die katholische Kirche besteht nicht nur aus den Teilkirchen (Bistümer), sondern auch in den Teilkirchen (Lumen Gentium 23). Die Gesamtkirche besteht also nicht nur aus ihren Einzelteilen, so wie ein Mosaik aus vielen Steinchen besteht. Denn solche Einzelteilchen haben ja verschiedene Farben und können aus unterschiedlichen Materialien bestehen. Eine so geartete Form der Einheit wäre ungenügend.
Deshalb sagt das Konzil, die Gesamtkirche bestehe auch in jeder Teilkirche.
Jedes Bistum muss also − bei aller legitimen Vielfalt − auch das Wesentliche der Gesamtkirche widerspiegeln, in Glaube, Pastoral und sakramental begründeter Leitungsstruktur.
Um diese vertiefte Form von Einheit zu gewährleisten, fahren die Bischöfe zum Papst. Dieser fungiert nämlich nicht einfach im Sinne des Mosaiks als der Vereinspräsident der Bistümer. Sondern der Papst ist das immerwährende Fundament der Einheit der Kirche, auch in inhaltlicher Hinsicht.
Und er muss deshalb dafür sorgen, dass jede Teilkirche als solche katholisch bleibt. Denn die Gesamtkirche ist an keine besondere Form menschlicher Kultur und an kein besonderes politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System gebunden, wie das II. Vatikanum in Gaudium et Spes (42) betont hat.
Teilkirchen haben jedoch, wie man nicht nur in der Schweiz sieht, stets die Tendenz, sich in eine bestimmte Kultur hinein zu verlieren. Darum müssen ihre Wege immer wieder nach Rom führen.
Zielsicher hat Papst Franziskus deshalb am vergangenen Montag in seiner Ansprache an die Schweizer Bischöfe Korrekturen angemahnt betreffend zweier Themen, bei denen den Schweizer Bistümern die Helvetisierung droht.
Einmal geht es um die Ökumene. Zwar werden die Konfessionen in unserer Gesellschaft als zivilreligiöse Moralinspender und sozial nützliche NGOs gern gesehen. Der theologische Gehalt ihrer Lehren gilt jedoch weiten Teilen der Gesellschaft und auch allzu vielen in den Konfessionen als gleich gültig und damit letztlich auch als gleichgültig.
Hierzu hat der Papst betont, man müsse den Katholiken erlauben, ihren Glauben frei von Verwechslung zu leben, ohne die Unterschiede auf Kosten der Wahrheit wegzuretouschieren. Und er hat es abgelehnt, unter dem Vorwand des Entgegenkommens den Glauben betreffend die Eucharistie zu verwedeln.
Zweitens pocht Franziskus auf die Umsetzung des Vademecum. Dessen Grundaussage ist es, dass die staatskirchenrechtlichen Körperschaften auxiliaren Charakter haben, also von der Kirche und ihrer Leitung abhängen müssen. Weil die Körperschaften dies ablehnen, fordert Franziskus mit einer Spitze gegen die landeskirchlichen Zahlmeister, die Kirche müsse es vermeiden, von Einrichtungen abhängig zu sein, die ihr durch wirtschaftliche Mittel einen Lebensstil auferlegten, der wenig mit Christus, der arm geworden sei, zu tun habe.
Die Diskrepanz zwischen der zu grossen strukturellen und finanziellen Karosserie der Kirche in der Schweiz einerseits und dem Motor des gelebten Glaubens andererseits wird auch nach dem jüngsten römischen Service weiter bestehen. Papst Franziskus hat jedoch immerhin das GPS der Schweizer Teilkirchen wieder richtig kalibriert.
Wenn die Schweizer Bischöfe vom Ad Limina Besuch zurück sind, haben sie es deshalb in der Hand dafür zu sorgen, dass sich ihre Bistümer nicht im Unterholz der helvetischen Partikularismen verfahren.
Martin Grichting ist Generalvikar des Bistums Chur.
Grafik (c) kath.net/Petra Lorleberg
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