12. Dezember 2014 in Österreich
Bioethikkommissions-Mitglied Merckens erneuert zentrale Kritikpunkte zu geplanter Freigabe von PID und Eizellspende - Viele Aspekte im Gesetzesentwurf "schlichtweg nicht genügend beachtet"
Salzburg (kath.net/KAP) Österreichs Parlamentarier dürfen das geplante neue Fortpflanzungsmedizingesetz nicht einfach "durchwinken", sondern sollen Position beziehen und die Novelle korrigieren. Das fordert die Juristin und kirchliche Bioethik-Expertin Stephanie Merckens. In einem Gastkommentar für die "Salzburger Nachrichten" erneuerte sie am Mittwoch zentrale Kritikpunkte etwa zur geplanten Freigabe von Präimplantationsdiagnostik (PID) und Eizellspende. Nach dem Beschluss des Gesetzesentwurfs durch den Ministerrat am Mittwoch sieht Merckens - sie ist auch Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt - jetzt die Nationalratsabgeordneten in der Pflicht: "Es liegt nun an unseren Volksvertretern: Verantwortungsvolle, erfolgreiche parlamentarische Politik winkt nicht durch, sie bezieht Position und korrigiert."
Der "im Eilverfahren vorgelegte" Entwurf enthalte viele "Tücken", so Merckens. Wesentliche Aspekte wie das Kindeswohl, die Vermeidung übrigbleibender Embryonen, aber auch massive Interessenskonflikte etwa bei der Aufklärung oder dem PID-Ausschuss würden durch den Entwurf "schlichtweg nicht genügend beachtet". Der vorgeschlagene Gesetzestext verabschiede sich von wesentlichen Grundsätzen des bisherigen Fortpflanzungsrechts und "wirft mehr Fragen auf als er beantwortet", kritisierte die Expertin. Und auch der von vielen Gesetzesbefürworter als Argument vorgebrachte rechtliche Handlungsbedarf bis zum Jahresende 2014 bestehe nur "in sehr geringem Maß", erinnerte Merckens: "Das viel zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs verlangt keine allgemeine Öffnung der IVF (In-Vitro-Fertilisation) für lesbische Paare, sondern nur eine Korrektur der Beschränkung der Fremdsamenspende in vivo."
Jede Schwangerschaft birgt Risiken
Im Detail erneuerte Merckens die Kritikpunkte zu Eizellspende und PID. Bei letzterer etwa sei "die intendierte Beschränkung auf halben Weg stecken geblieben". In den Fokus nahm die Expertin dazu vor allem die Probleme rund um die laut Regierungsvorlage vorgesehene beschränkte Freigabe der PID bei "unerklärter Unfruchtbarkeit".
Die Ursachen für "unerklärte Unfruchtbarkeit" seien vielschichtig und können jedes Mal andere sein; anders als bei PID wegen einer möglichen Übertragung einer schweren Erbkrankheit durch die Eltern, wüssten Mediziner bei der Indikation "unerklärter Unfruchtbarkeit" also auch nicht, wonach sie im Rahmen der PID genau suchen müssen. Merckens: "Daher werden auch möglichst viele Eizellen befruchtet und umfassend angeschaut, um den fittesten Embryo unter ihnen auszuwählen. Die übrigen verkümmern." PID wegen "unerklärter Unfruchtbarkeit" lasse sich daher nicht beschränken "und fördert immer mehr Information zu Tage, als man erlaubter Weise wissen darf", kritisierte die Juristin, die für ihre Ablehnung der PID auch noch zwei weitere Argumente anführte: So sei wissenschaftlich nicht belegt, dass diese Methode tatsächlich erfolgreich zu mehr Schwangerschaften führt. Außerdem bevorzuge sie ungerechtfertigter Weise die künstliche Befruchtung, weil jede Schwangerschaft - egal ob künstlich, unterstützt oder natürlich empfangen - das Risiko einer unerklärten Fehlgeburt oder eines Kindes mit neu entstandenem genetischen Defekt berge, so Merckens: "Es wird daher nicht lange dauern, bis man rechtlich die IVF für alle Frauen einfordern wird, um ihnen die PID zur 'Überprüfung der Herbeiführung einer Schwangerschaft' zu ermöglichen. Wenn man also schon nicht wie ich bereit ist, die PID dem Grunde nach abzulehnen, weil sie nie zu Therapie der Krankheit, sondern immer nur zur Selektion des Kranken führt, dann muss man sich doch Gedanken machen, wie weit man sie zulässt und eine Zulassung bei unerklärter Unfruchtbarkeit ablehnen."
Eizellspende aus Gesetz nehmen
Zur geplanten Ermöglichung von Eizellspenden empfahl Merckens "dringend", die Eizellspende "aus dem Entwurf zu nehmen und einer tiefergreifenden Auseinandersetzung zuzuführen". Es bestehe hier auch rechtlich "überhaupt kein Grund zur Eile". Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe das Verbot der Eizellspende gerade bestätigt und aufgetragen, sich laufend mit den Bedenken und Entwicklungen in diesem Bereich auseinanderzusetzen, erklärte die Bioethik-Expertin: "Gerade diese Auseinandersetzung hat aber nicht stattgefunden, könnte aber beweisen, dass die Bedenken aus 1999 weiter aktuell, ja sogar bestätigt sind."
Ein "höchst kurzsichtiges Verständnis von Antidiskriminierung" sieht Merckens zudem hinter der Forderung nach Einführung der Eizellspende wegen einer Gleichbehandlung zur Samenspende. Die Eizellspende sei mit wesentlich höheren gesundheitlichen, psychosozialen und Missbrauchs-Risiken für alle Beteiligten verbunden, erinnerte die Expertin. Eine Ungleichbehandlung zur Samenspende sei daher "nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten".
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