'Einmal von Kirche zu Konzertsaal ohne Rückbillet, bitte!'

3. Februar 2015 in Kommentar


Der Weg einer Kirche zum multifunktionalen Konzertsaal ist im MaiHof bereits weitgehend abgeschlossen. Ist das die Nische, in der das Christentum in Zukunft überleben kann? kath.net-Kommentar zur Renovation von St. Josef/Luzern. Von Petra Lorleberg


Luzern (kath.net/pl) Eines muss man der Pfarrei St. Josef/MaiHof in Luzern zugutehalten: Sie stellte sich einem echten Problem und suchte kreativ nach Lösungen. Ernsthaft: Was tun mit einem zu groß und zu teuer gewordenen Kirchenraum angesichts der stark schwindenden Zahl von Messbesuchern und Pfarreimitgliedern? Was tun, wenn man einen liebgewordenen Kirchenraum nicht einfach verkaufen will? Doch ist der fortschrittliche Weg, den diese Pfarrei des Bistums Basel gewählt hat, es wert, dass ihn auch andere Pfarreien gehen?

Die denkmalgeschützte Kirche St. Josef (eingeweiht 1941) zeigte auch bereits vor der Renovation eine ungewöhnlich spartanische Architektur. Zur jetzigen Nutzbarkeit des renovierten Kirchenraumes erklärt die Pfarrei auf ihrer Homepage: „Der Kirchensaal ist neben den kirchlichen Feiern für eine vielfältige Nutzung vorgesehen: Als multifunktionaler Konferenzraum mit frei gestaltbarer Bestuhlung, als Konzertsaal für maximal 400 Personen, für Bankette mit maximal 250 Personen, für Kongresse und Seminare mit bis zu 300 Personen, als Ausstellungsraum für Kunstschaffende oder für Proben Ihres Vereins.“ Möchten Sie buchen?

Die Kirche wurde mitsamt der Gemeinderäume der 2.700 Gemeindemitglieder zum Quartierzentrum „Der MaiHof“ umgebaut. Der SRF lobt den Kirchensaal, möglich seien im „multifunktionalen“ Kirchenraum zukünftig „zum Beispiel Konzerte, Lesungen, Podien oder Bankette“. Messfeiern werden vom SRF nicht eigens erwähnt. Es sei kein Zufall, zitiert der SRF den Kirchenrat Herbert Mäder, „dass ausgerechnet die Pfarrei im MaiHofquartier diese einzigartige Öffnung ihrer Kirche möglich gemacht habe. Gelte diese Pfarrei doch als besonders liberal und fortschrittlich.“

Als Festzelebrant bei der Einweihungsfeier Mitte Januar 2014 fungierte der Leiter des Pastoralraums Luzern, P. Hansruedi Kleiber SJ, vorgesehen war auch eine „Altarsegnung“. Einen Bischof brauchte man dazu offenbar nicht mehr, auch ist keine Rede mehr von Reliquien. Der transportable Altar kann für größere Veranstaltungen aus der Kirche geräumt werden. Inwieweit der Kirchenraum noch als klassisch geweihter Raum verstanden wird, muss dahingestellt bleiben.

Eine Auswahl dessen, was man in der Kirche St. Josef nicht mehr findet:

- Sonntagsmessen wurden durch „verschiedene Formen der Feiern“ abgelöst. „Ein Zwischenhalt, ein Gottesdienst für Kinder und Erwachsene oder eine Liturgie mit Predigt zieht unterschiedliche Menschen an“, erläutert die Pfarrei auf ihrer Homepage. Eine Eucharistiefeier ist keineswegs mehr die Regel. Immerhin wird noch erwähnt, dass einige Pfarreiangehörige zu verstehen geben, dass sie die regelmäßigen Sonntagsgottesdienste in gewohnter Art vermissen.

- Werktagsmessen scheinen überhaupt kein Thema mehr zu sein.

- Beichte: Ob die Beichtstühle, die man nach der Renovation nicht mehr im Kirchenschiff sieht, einen adäquaten Ersatz durch ein Beichtzimmer erhalten haben, ist unklar. Fest steht aber, dass die Pfarrei keine im Internet auffindbaren Beichtzeiten anbietet.

- Auch eucharistische Anbetung wird offenbar im MaiHof nicht mehr gepflegt.

- Die Kirchenbänke wurden aus der Kirche entfernt. Die neue „mobile“ Bestuhlung bietet prinzipiell keine Kniemöglichkeiten mehr an.

Nach dieser Liste ist man um manche Selbstverständlichkeiten froh: Immerhin ist der Tabernakel im Kirchenraum verblieben, seinen Platz im Seitenschiff kann man sogar noch als ausreichend prominent beschreiben. Auch das markante Kreuz im Altarbereich durfte bleiben, ebenso die Marienfigur und der Kreuzweg in den Seitenschiffen. Möglicherweise sind dies auch Zugeständnisse an den Denkmalschutz.

Das Leben der MaiHof-Pfarrei wird in der Selbstbeschreibung folgendermaßen charakterisiert: „Das Pfarreileben zeigt sich insbesondere auch in den Begegnungen: In den Jassrunden [Anm.: Kartenspiel], im gemeinsamen Gesang, beim Mittagstisch und überall, wo Menschen sich bei uns treffen, weht der MaiHof-Geist auf seine Art. Viele Menschen knüpfen sich über ihre Aktivitäten hier im MaiHof ein Netz. Das ist ein bedeutender Teil des Christseins.“

Die Pfarrei stellt gemäß Selbstbeschreibung alle Räume – auch den Kirchenraum – grundsätzlich „allen Personen, Gruppen und Institutionen zur Verfügung, die eine offene, tolerante und menschenrechtskonforme Grundhaltung vertreten“, zur Verfügung.

Spürt man in der St. Josefspfarrei nach der Renovation möglicherweise auch Wehmut? Vielleicht. Jedenfalls bewarb Pfarreileiter Franz Zemp im Pfarreiblatt den Verkauf der Kirchenbänke mit poetischen Worten: „Die Geheimnisse, die in den vielen Jahren in ihr Holz gesickert sind, sollen an einem anderen Ort weiterleben und zum Innehalten einladen… Ihr Leben sind die Menschen, die auf ihnen gebetet, gelitten, gehofft oder sich gelangweilt haben.“ Überhaupt haftet ausgerechnet diesen Kirchenbänken die Rolle des Indikators für den Kirchenraum an. Zemp äußerte gegenüber dem SRF: „Viele Leute waren zu Beginn skeptisch, weil für sie Kirchenbänke zu einer Kirche gehören.“ Zugegeben: Man möchte diesen Gemeindemitgliedern nicht widersprechen.

Ein wichtiger und immer wieder betonter Aspekt des Kirchsaals ist seine gute Akustik. Dieser Hinweis legt ungewollt den Finger auf eine Wunde moderner Spiritualität: Transzendenz haucht viele Menschen inzwischen meist nur noch in der Musik an. Musik ist die einzige religiöse Sprache, die in unserer Kultur noch von einem größeren Personenkreis wenigstens ansatzweise verstanden wird.

Der Weg eines Kirchenraumes zum multifunktionalen Konzertsaal ist im MaiHof bereits weitgehend abgeschlossen. Ist das wirklich die Nische, in der das Christentum in Zukunft überleben kann? Haben wir Christen eine verheißungsvolle Zukunft als Konzert- und Bankettveranstalter?

Ja, man ist wirklich fortschrittlich im MaiHof in Luzern, man schreitet kräftig fort. Man sollte dabei sorgfältig prüfen, ob das, von dem man wegschreitet, heutzutage wirklich überflüssig ist.

Stellen wir also nochmals die Ausgangsfrage: Ist der Weg, den diese Pfarrei gewählt hat, es wert, dass ihn auch andere Pfarreien gehen? Für die Antwort kommt es nicht zuletzt darauf an, was man unter „Christsein“ versteht. Wer mit einem entkernten Kirchengebäude zufrieden ist, wird ein analog entkerntes Christsein vielleicht ebenfalls als erstrebenswert einschätzen. Es empfiehlt sich dabei, vielleicht nicht allzuviel von Gott zu reden...

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