Vatikan besorgt um Massnahmen gegen Aussöhnungsbemühen im Libanon

in Weltkirche


Der Papst zeigte sich erneut als Anwalt der Christen im Libanon. Von Johannes Schidelko, Rom / Kipa


Rom (Kipa) Wieder einmal hat der Vatikan das Interesseder Öffentlichkeit auf den aus den Schlagzeilen verschwundenLibanon gerichtet - und die Wirkung blieb nicht aus. In einemüberraschenden Appell hatte Papst Johannes Paul II.vergangenen Sonntag seine Sorge um eine Verhaftungswelleunter Christen im Libanon bekundet und davor gewarnt, Wertewie Demokratie und nationale Souveränität politischenAugenblicksinteressen zu opfern.

Der maronitische Patriarch Nasrallah Sfeir schloss sich in Beirutdem Appell an, spitzte ihn nochmals zu. Und noch vor einemvereinbarten Treffen mit Präsident Emile Lahoud wurden 78 der 250zwischen dem 6. Und 8. August verhafteten Christen freigelassen -freilich gegen je 2.000 Dollar Kaution. Fast alle anderen waren bereitsin den Tagen zuvor mangels Beweisen freigekommen oder aber zu 5bis 45 Tagen Gefängnis verurteilt worden.

Im Vatikan räumt man einen Zusammenhang mit dem Appell derPapstes ein. Seit vielen Jahren steht der Libanon ganz oben auf derpolitischen Themenliste des Heiligen Stuhls. Die Entwicklung imeinzigen Nahost-Staat mit einer grösseren christlichenBevölkerungsgruppe wird auch nach dem Ende des blutigenBürgerkriegs 1975-91 genau beobachtet. Seine Vision: Der Libanonmuss ein souveräner Staat sein und bleiben, in dem die Volks- undReligionsgruppen - Christen und Muslime - als gleichberechtigtePartner und nach demokratischen Normen friedlich und konstruktivzusammenleben und -arbeiten. Dem diente auch eine grosseBischofssynode in Rom Ende 1995 und eine spektakuläre Papstreisezwei Jahre später zu den Trümmern und Neubauten von Beirut.

Die jüngsten Vorgänge im Libanon haben den Vatikan und seineDiplomaten sichtlich irritiert. Über 250 Jugendliche, meist Christenund meist Anhänger des im Exil lebenden früheren Christen-GeneralsMichel Aoun, waren in den ersten Augusttagen wegen Protestengegen die syrische Militärpräsenz im Libanon verhaftet worden. Dieantisyrische Opposition wird vor allem von Christen des Landesgetragen. Auch deren geistliches Oberhaupt Patriarch Sfeir hatte sichin letzter Zeit immer deutlicher auch öffentlich gegen diese Präsenzgewandt. So deutlich, dass er vergangenen Mai demonstrativ aufeine Reise nach Damaskus zum Papstbesuch verzichtete.p>Erst vor zwei Wochen hatte Sfeir, der in seiner Heimatzunehmend politisches Gewicht gewonnen hat, das Schouf-Gebirgebesucht, aus dem die Christen im letzten Krieg vertrieben wordenwaren. Er war dort mit Drusen-Chef Walid Dschumblattzusammengetroffen, mit dem ihn inzwischen die Ablehnung dersyrischen Präsenz im Libanon verbindet.

In diesen Aktionen Sfeirs sehen libanesische Christenführer aucheinen Hintergrund der Verhaftungswelle. Dahinter stünden "innereund äussere politische Interessen", die die "Früchte der Pastoralreisevon Patriarch Kardinal Sfeir vor zwei Wochen zerstören wollen", samtder Aussöhnung zwischen Drusen und Christen, kommentierteBischof Bechara Rai von Byblos gegenüber Radio Vatikan. "Denndiese Versöhnung war ein erster Schritt, der den ganzen Libanonumfassen und einbinden" sollte.

Es gebe aber Leute, denen diese Versöhnung und dieser Dialogunter Libanesen und diese Entspannung auf libanesischemTerritorium nicht passte, gab Rai zu bedenken. Im übrigen sei dieVerhaftungswelle als Reaktion auf die Sfeir-Reise gegen dieVerfassung und die Gesetze des Staates gewesen. Man wisse nicht,wer dahinter stehe oder sie in Auftrag gegeben habe. (AuchRegierungsmitglieder hatten gegen die Verhaftungen protestiert.)"Schuld" der Jugendlichen sei gewesen, dass sie Freiheit,Souveränität und Unabhängigkeit des Libanon forderten. RaisErgebnis: "Wir stehen vor einer echten Verfolgung gegenüber denChristen!". Und offenbar aus diesem Grund wollte der Papst erneutdas Interesse der Öffentlichkeit auf den Libanon richten.


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