Ostern ist unser größtes, unser dringlichstes Glaubens-Fest

5. April 2015 in Spirituelles


Wir leben in einem amputierten Christentum. Die Botschaft von der Auferstehung Jesu und sein Geschenk ewigen Lebens an uns ist für fast drei Viertel der getauften Deutschen unwichtig geworden. Osternachtspredigt von Paul Josef Kardinal Cordes


Vatikan (kath.net) Die Katastrophe ging tagelang durch alle Nachrichten: Das Flugzeug der Germanwings von Barcelona nach Düsseldorf zerschellte in den französischen Alpen. 150 Menschen kamen zu Tode. Der Schmerz von Angehörigen war unbeschreiblich. Zahllose Menschen nahmen in bewegender Weise Anteil. Manche Sprecher im Fernsehen - ob aus der Politik, ob Mitglieder der Fluglinie oder aus dem Bekanntenkreis der Verunglückten - konnten die Tränen kaum zurückhalten. Es wäre in der Tat herzlos, angesichts einer solchen Tragödie nicht mitzuleiden.

Freilich war es auch auffällig, dass im großen Dunkel der Tragödie keinerlei Glaubenslicht erkennbar wurde. In all den Beileidsbezeugungen, in den vielen Kommentaren, in den Talk-Shows, in den Befragungen der Seelsorger - gab es keine Erwähnung Jesu, seines Evangeliums oder des Lebens nach dem Tode. Und das mitten im sogenannten christlichen Europa. Auch wenn ein Verweis auf Gottes Botschaft den Schmerz gewiss nicht hätte beheben können – er hätte ihn für einige gelindert; sein Wort hätte ein wenig Hoffnung und Trost geben können. Stattdessen hätte man aus all den bekümmerten Worten den Schluss ziehen müssen: „Mit dem Tode ist alles aus." Wie muss aber eine solche Bilanz einen Glaubenden verstören!

Wir feiern in dieser Nacht Christi Auferstehung. Sie behauptet das kontradiktorische Gegenteil. Sie ist das Ereignis, das den irdischen Schicksalsschlägen und der seelischen Verzweiflung alles lähmende Grauen nimmt. Jesu göttliches Leben hat den Sieg davon getragen. Sünde und Tod sind definitiv überwunden Wir hören nicht auf zu singen. Kaum einen herrlicheren Gesang hat die Liturgie der Kirche hervorgebracht als das „Exultet“, es preist diese Nacht aller Nächte.

Unser Jubel gilt dem auferstandenen Herrn. Er hat seinen Worten und Taten, seinem Leben und seinem Tod das Siegel der Zuverlässigkeit eingeprägt. Wir verherrlichen ihn, weil er sich als mächtiger erwiesen hat. Wir feiern ihn, weil er lebt; weil er heute lebt. Der Apostel Paulus wurde zum großen Herold dieser Wahrheit, Der Auferstandene war ihm auf dem Weg nach Damaskus erschienen. Jesu Leben hatte ihn ergriffen.

Und Paulus tat etwas Überraschendes: Er nannte Christus den Ersten der Auferstandenen; er verkündigte ihn als denjenigen, der unser aller Auferstehung anführt (l Kor 15, 20). An die Getauften in Rom schrieb er: „Wenn wir nämlich (durch unsere Taufe) mit ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein“ (Rom 6,5). Demnach vergegenwärtigen wir uns heute nicht nur ein Geschehen, das vor 2000 Jahren passierte. Wir gedenken nicht nur eines vergangenen Vorfalls – wie man sich an die Entdeckung Amerikas oder an den Fall der Berliner Mauer erinnert. Wir feiern, was uns selbst betrifft. Weil Christi Triumph uns alle meint. Und weil sein neues und ewiges Lehen uns alle einschließt. Wir Getauften sind Jesu Sieg unlöslich verbunden. Die Wahrheit seiner Auferstehung meint jeden von uns; sie meint mich und dich.

Seit wir dies Sakrament empfingen, tragen wir in uns Christi Leben. Wir sind wirklich unsterblich. Das war die revolutionäre Überzeugung, die den Glaubenden der jungen Kirche niemand rauben konnte. Dieses Bewusstsein machte sie unverwundbar. Wir wissen das aus vielen Geschichten von ihren Hinrichtungen, die keine phantasievollen Legenden sind, sondern historische Aufzeichnungen von großer Authentizität. Bischof Ignatius etwa wurde zu Beginn des 2. Jahrhunderts als Gefangener nach Rom verschleppt, um dort den wilden Tieren vorgeworfen zu werden. Er schreibt von Smyrna aus einen Brief an die dortige Gemeinde, doch bloß nichts zu unternehmen, damit ihm der Tod erspart bliebe. Wörtlich heißt es: „Niemals wieder werde ich eine solche Gelegenheit haben, zu Gott zu gelangen...Es ist schön, unterzugehen, von der Welt fort, hin zu Gott, um in ihm aufzuerstehen." – Und nicht nur in alten Zeiten lebten solche Zeugen. Wir wissen Ähnliches etwa aus dem Bericht über den Tod des polnischen Märtyrers Maximilian Kolbe. Er trat im Konzentrationslager Auschwitz freiwillig an die Stelle einer zum Tod verurteilten Geisel. Im Juli 1941 begleitete dieser Priester die zehn Mithäftlinge in die Zelle, in der sie verhungern sollten. Pater Maximilian erreichte es, dass aus dem Bunker bald lautes Gebet und religiöse Gesänge zu hören waren. Es ist unglaublich, manche von ihnen gingen singend in den Tod; ihr Glaube an das ewige Leben gab ihnen die Kraft.

Der Apostel Paulus beschwört mit großer Hartnäckigkeit und mächtigen Worten die Gemeinde von Korinth, an die Auferstehung zu glauben. Wer diese Botschaft aus seinem Christsein streiche, verdiene höchsten noch unser Mitleid. Wörtlich: „Wenn wir unsere Hoffnung nur in dieser Welt auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher als alle anderen Menschen" (l Kor 15,19). Heute hätte der Völkerapostel wahrlich Grund, alle Schlagzeilen der Zeitungen zu nutzen und sich aller Mikrophone zu bedienen, um diesen Satz hinauszuschreien. Denn nicht nur die öffentliche Meinung leugnet in den Beleidbekundungen zur Flugzeugkatastrophe die Wahrheit von unserer Auferstehung. Auch in der Kirche ist sie auf eine traurige Fußnote geschrumpft. Gewiss, wir feiern Ostern. Wir bekennen im Glaubensbekenntnis Christi Auferstehung am dritten Tag und auch unseren Glauben an unsre eigene Auferstehung. Aber kirchliche Verkündigung und diözesane Pastoral sind viel zu sehr mit dem Diesseits beschäftigt, als dass sie sich auf solche lebensferne Spekulationen einlassen könnten. Haben wir nicht genug damit, auf die Herausforderungen durch die Gesellschaft gewinnende Antworten zu suchen, damit wir beliebt bleiben oder wenigstens werden? Auferstehung und ewiges Leben - das reizt höchstens zu Lachen und Spott.

Die Bertelsmann-Stiftung hat in der empirischen Wissenschaft einen guten Namen. Sie veröffentlichte 2008 eine „Religionsmonitor“, d. h. Ergebnisse von Umfragen in Europäischen Ländern zu Themen des Glaubens. Neben vielen anderen interessanten Daten findet sich im Monitor auch die uns heute hier besonders beschäftigende Frage. Dort lautet sie: „Hat Leben nur einen Sinn, weil es nach dem Tod noch etwas gibt?“ In Deutschland geben von den befragten Katholiken lediglich 31 Prozent, von den Protestanten lediglich 16 Prozent ihre volle Zustimmung. Mit anderen Worten: Nicht einmal ein Viertel der getauften Deutschen setzt auf ein Leben nach dem Tode. Der Medien-Eindruck, der nach dem Flugzeug-Absturz in den französischen Alpen vermittelt wurde, kann demnach nicht überraschen.

Schlimmer: Wir leben in einem amputierten Christentum. Die Botschaft von der Auferstehung Jesu und sein Geschenk ewigen Lebens an uns ist für fast drei Viertel der getauften Deutschen unwichtig geworden. Dann aber ist Ostern nicht nur unser größtes, es ist vor allem unser dringlichstes Glaubens-Fest. Feiernd wollen wir danken, dass wir es begehen dürfen. Feiernd wollen wir bitten, dass der Auferstandene unser Inneres mit unerschütterlicher Sicherheit an das Geschenk unseres ewigen Lebens erfülle.

Ich mochte zum Schluss ein kleines Lied anfügen. Ich habe es vor Jahren kennen gelernt, als die Franzosen die religiösen Chansons erfanden. Pere Duval und Pere Cocagnac waren bald sehr populär. Einer von ihnen trug die Geschichte eines jungen Burschen vor, der mit 17 Jahren bei einem Unfall uns Leben kam. Seine Stimme war traurig. Um alles Daseinsglück sei der junge Mann betrogen worden. Der Sänger zählte auf, was ihm entgangen war: „Der Reichtum des Lebens, meine lieben Leute, wurde ihm vorenthalten, der Reichtum der Liebe und der Freude - II n'a pas eu, bonnes gents...“ Dann kam jedoch die überraschende Wendung, die nur der Glaubende versteht. Wohl sei er all dieser Freude verlustig gegangen. „Aber ich weiߓ, schloss der Sänger, „er wird all das haben - Je sais bien, il l'ora“ im ewigen Leben.

Das ist der Trost, den uns Christi Auferstehung schenkt - wahrlich ein Grund zum Jubeln.

kath.net dankt S.E. Kardinal Cordes für die freundliche Erlaubnis, diese Predigt zu veröffentlichen. Die Predigt wurde in der Osternacht bei den Zisterzienserinnen des Herz-Jesu-Klosters Düsseldorf gehalten.

kath.net-Lesetipp:
Drei Päpste. Mein Leben
Von Paul J. Cordes
Hardcover
336 Seiten; 210 mm x 134 mm
2014 Herder, Freiburg
ISBN 978-3-451-33519-8
Preis 20.60 EUR

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Paul Josef Kardinal Cordes - Vortrag: Priesterliches Profil im 21. Jahrhundert


Foto Kardinal Cordes (c) Erzbistum Paderborn


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