'Sie kamen herbeigeeilt, um dem Verwundeten die Euthanasie zu spenden'

18. April 2015 in Buchtipp


Leseprobe 2 aus dem Buch „Der Herr der Welt“ von Robert Hugh Benson


Illertissen (kath.net/Media Maria) Die von Robert Hugh Benson (1871-1914) vorausgesehene Entwicklung der Technik und die politischen und antireligiösen Zukunftsbilder waren beim Erscheinen des Buches eine Sensation. Seine Visionen zeigen jedoch erstaunliche Wiedererkennungsmerkmale in Anbetracht der Schreckensregime des Nationalsozialismus und des Kommunismus.

Benson beschreibt den "Herrn der Welt" als Antichrist, der in einem als freiheitlich propagierten System über alle Länder der Erde herrscht. Julian Felsenburg, dieser neue Weltherrscher, schreckt im Kampf gegen die Kirche auch nicht vor der Vernichtung Roms, des Papstes und der letzten Christen zurück.

Nur zwei Kardinäle entkommen diesem gnadenlosen Bombardement Roms. Sie wählen im Verborgenen einen neuen Papst und berufen ein Konzil ein. Durch einen Verrat wird auch dieser letzte Aufenthalt des neuen Papstes bekannt. Felsenburgh holt zum letzten Vernichtungsschlag aus. Während der Papst und seine Getreuen sich dem letzten Kampf stellen, verfinstert sich die Sonne und Gott greift ein.

Auch Mabel war ein wenig nachdenklich, wie sie so mit ihrer Zeitung auf den Knien im Zug nach Brighton saß. Die Nachrichten aus dem Osten hatten sie doch mehr erschüttert, als sie es ihrem Mann zeigen wollte. Und doch schien ihr eine Invasion unvorstellbar. Das Leben hier im Westen war so vernünftig und friedlich; endlich hatte die Menschheit einen festen Boden unter den Füßen, und es schien unglaublich, dass sie wieder in den alten Morast zurückgedrängt werden sollte. Obwohl dies dem Gesetz der Evolution zu widersprechen schien, konnte sie sich nicht verheimlichen, dass die Natur auch von Katastrophen Gebrauch macht ...

Äußerlich war sie ganz ruhig, als sie auf die wenigen, unzusammenhängenden Nachrichten herabblickte, dann las sie den Leitartikel, der sich ebenfalls mit der beunruhigenden Weltsituation befasste. Nebenan diskutierten ein paar Menschen über dasselbe Thema. Der eine von ihnen erzählte, mit welcher Hast die Regierung den Rüstungsbetrieb ankurbelte, während ihn die anderen mit Fragen bestürmten. Wenig tröstliche Aussichten! Die Züge boten wenig Komfort, selbst die Fenster hatte man weggelassen, da die hohe Geschwindigkeit für die Augen unerträglich war. Mabel starrte auf die weiße Stuckdecke, die Wandgemälde und die tiefen Sessel. Ihr Blick fiel auf eine Mutter mit ihrem Kind, die ihr schräg gegenüber saßen. Dann wurde das leise Geräusch etwas lauter, einen Augenblick später öffneten sich die automatischen Türen, und Mabel trat hinaus auf den Bahnsteig von Brighton.

Als sie die Treppe zum Bahnhofsplatz hinabging, bemerkte sie einen Priester vor sich. Er schien ein sehr rüstiger, stämmiger alter Mann zu sein, denn trotz seines weißen Haares war sein Gang federnd und elastisch. Am Fuß der Treppe angekommen, machte der Priester eine halbe Wendung. Zu ihrer großen Überraschung sah Mabel ein junges, fein geschnittenes Gesicht mit dichten schwarzen Augenbrauen und hellen grauen Augen. Sie ging an ihm vorbei und schlug die Richtung zum Haus ihrer Tante ein.

Dann geschah etwas Unerwartetes. Zuerst hörte man ein lautes Hupen in der Luft, dann wurde der Platz von einem riesigen Schatten verdunkelt. Schließlich hörte man einen Laut, der dem Stöhnen eines Riesen ähneln mochte. Und während sie noch überrascht den Schritt verhielt, schlug ein riesiger Gegenstand mit einem Geräusch wie von zehntausend zerplatzten Kesseln auf das Gummipflaster vor ihr auf, aus dessen Innerem Menschenschreie drangen.

Mabel wusste kaum, wie ihr geschah. Einen Augenblick später fand sie sich, von hinten vorwärts gestoßen, vor dem zerschmetterten Körper eines Menschen, der zu ihren Füßen stöhnte und jammerte. Obwohl sie kaum verstehen konnte, was er sagte, glaubte sie, deutlich die Namen Jesus und Maria vernommen zu haben; plötzlich zischte ihr jemand ins Ohr: „Lassen Sie mich durch, ich bin Priester!“

Noch einen Augenblick stand sie still, betäubt von der Wucht des Ereignisses. Dann beobachtete sie, beinahe verständnislos, wie sich der junge grauhaarige Priester auf die Knie niederließ, seinen Mantel öffnete und ein Kruzifix hervorholte. Sie sah, wie er sich niederbeugte, mit der Hand ein kurzes Zeichen machte, und dann hörte sie ihn in einer ihr unverständlichen Sprache etwas murmeln. Da war er schon wieder auf den Beinen und sie sah, wie er, das Kruzifix vor sich haltend, sich seinen Weg über das blutüberströmte Pflaster bahnte. Dabei sah er sich um, als ob er auf ein Zeichen wartete. Aus dem großen Krankenhaus zu ihrer Rechten sah sie nun Männer herausströmen, in der Hand trugen sie Apparate, die altmodischen Kameras glichen. Natürlich wusste sie, wer diese Leute waren, und ihr Herz schlug erleichtert. Sie kamen herbeigeeilt, um dem Verwundeten die Euthanasie zu spenden. Dann fühlte sie sich selbst bei der Schulter ergriffen und zurückgezogen, und einen Augenblick später stand sie in der ersten Linie hinter einem Kordon von Polizei und Zivilisten, die den Schauplatz des Geschehens abriegelten.

Oliver wurde von einem panischen Schrecken befallen, als seine Mutter etwa eine halbe Stunde später das Zimmer betrat, mit der Nachricht, dass eines der Flugschiffe der Regierung auf den Bahnhofsplatz in Brighton herabgestürzt sei, gerade nachdem der Zug um vierzehn Uhr dreißig dort eingetroffen war. Er wusste genau, was das bedeutete, denn vor zehn Jahren hatte er selbst einen solchen Unfall miterlebt, gerade nachdem Privatleuten der Besitz von Flugschiffen verboten worden war. Das bedeutete, dass alle Lebewesen im Schiff tot waren und wahrscheinlich noch eine Menge anderer auf dem Platz, auf den es gestürzt war. Was nun? Die Nachricht war ganz eindeutig; Mabel musste sich gerade in diesem Augenblick auf dem Platz befunden haben.

kath.net-Buchtipp:
Der Herr der Welt
Von Robert Hugh Benson
Hardcover, 368 Seiten
2015 Media Maria
ISBN 978-3-9816344-9-5
Preis 19.50 EUR

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