5. Mai 2015 in Deutschland
Zweite Ehe führt nur noch in Ausnahmefällen zur Kündigung. Bischofskonferenz beschließt eine Reform des Arbeitsrechts. Von Christoph Arens (KNA)
Bonn (kath.net/KNA) Ein Muslim als Chefarzt an einer katholischen Klinik? Eine nach Scheidung wiederverheiratete Kindergartenleiterin oder Pflegekräfte, die keiner Religionsgemeinschaft angehören? Immer häufiger stehen die Kirchen, die als größter Arbeitgeber nach dem Staat deutschlandweit über 1,2 Millionen Menschen beschäftigen, vor solchen Fragen.
Am Dienstag haben die katholischen Bischöfe eine Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts vorgelegt. Reformen gibt es insbesondere im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Angestellten, die in eingetragenen Lebenspartnerschaften leben. Außerdem sollen die Gewerkschaften - als Reaktion auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2012 - mehr Mitsprache bei der Aushandlung der Arbeitsbedingungen erhalten.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der die zuständige Arbeitsgruppe der Bischöfe leitete, hofft, dass jeder Bischof die neue Grundordnung in seinem Bistum umsetzt. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken appellierte an die 27 Oberhirten, ein einheitliches kirchliches Arbeitsrecht in Deutschland zu erhalten. Sicher ist das nicht. Denn vergangene Woche hatten nur «mehr als zwei Drittel» der Diözesanbischöfe für die Reform gestimmt. Sollte der ein oder andere Bischof die neue Grundordnung nicht in Kraft setzen, gilt in seinem Bistum die alte Rechtslage.
Es sei nicht nur darum gegangen, das kirchliche Arbeitsrecht an neue Entwicklungen der Rechtsprechung anzupassen, sagte Woelki der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Auch die kirchliche Praxis habe sich verändert: Loyalitätsverstöße seien bei weitem nicht mehr mit der gleichen Strenge wie früher geahndet worden.
Dennoch haben die Bischöfe sich schwer getan mit der Reform. Entscheidungen wurden mehrfach verschoben. Zugleich wurde in Politik, Medien und katholischen Laiengremien der Ruf nach einem großzügigeren Umgang mit Menschen, die von der kirchlichen Morallehre abweichen, immer lauter. Woelki betont denn auch, dass es keinesfalls darum gehe, die Unauflöslichkeit der Ehe in Zweifel zu ziehen. «Es geht darum, die arbeitsrechtlichen Folgen einer Wiederverheiratung oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auf die wirklich schwerwiegenden Fälle zu beschränken», beschreibt der Kardinal das Ziel. Einen Kündigungsautomatismus gebe es nicht mehr. Loyalitätsverstöße würden jetzt individuell bewertet.
Weiterhin gelten allerdings strengere Anforderungen für pastoral-katechetische und bischöflich besonders beauftragte Mitarbeiter. Bei ihnen werden eine zweite zivile Eheschließung oder das Eingehen einer homosexuellen Lebenspartnerschaft als schwerer Loyalitätsverstoß gewertet - der arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zur Kündigung nach sich ziehen kann. Bei den sonstigen Mitarbeitern wird dies nur in Ausnahmefällen geahndet.
Mit Blick auf den bundesweit heftig diskutierten Fall einer Kindergartenleiterin im rheinischen Königswinter, die von der Kirchengemeinde wegen einer zweiten Eheschließung entlassen worden war, sagte Woelki: «Zu welcher Gruppe die Leiterinnen von Kindertagesstätten gehören, wird davon abhängen, ob sie eine besondere bischöfliche Beauftragung erhalten oder nicht. Die Entscheidung hierüber trifft der jeweilige Ortsbischof.»
Öffnungen gibt es auch mit Blick auf die Beteiligung der Gewerkschaften, die bei der Gestaltung der kirchlichen Arbeitsbedingungen mit am Tisch sitzen wollen. In Zukunft sollen sie - je nach gewerkschaftlichem Organisationsgrad der kirchlichen Angestellten - in den arbeitsrechtlichen Kommissionen von Kirche und Caritas repräsentiert sein. Zugleich heißt es aber in der neuen Grundordnung, dass «kirchliche Dienstgeber keine Tarifverträge mit Gewerkschaften abschließen. Streik und Aussperrung scheiden ebenfalls aus.»
Den Gewerkschaften wird das nicht reichen: Am Montagabend hatte verdi-Chef Frank Bsirske deutlich gemacht, dass ein Verzicht auf das Streikrecht für ihn nicht in Frage kommt. «Der Dritte Weg ist für uns keine akzeptable Alternative», sagte er. Dafür will verdi vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, notfalls auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
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