Nein zum Gesetz des Dschungels

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Embryonenschutz und Pius XII. als Themen auf dem „Meeting“ in Rimini – 600000 Besucher Von Marie Czernin / DIE TAGESPOST


Rimini (DT)
Mit einem kategorischen Nein hat der italienische Gesundheitsminister Girolamo Sirchia am Mittwoch die Verwendung von Embryonen für Forschungszwecke abgelehnt. In einer überfüllten Halle des Messegeländes in Rimini, wo alljährlich eine Woche lang das sogenannte „Meeting für die Freundschaft unter den Völkern“ stattfindet, gab der italienische Gesundheitsminister einen neuen Ton an, ein Zeichen dafür, dass in Italien seit dem Regierungswechsel ein anderer Wind bläst. Denn im vergangenen Jahr hatte der damalige Gesundheitsminister Umberto Veronesi ebenfalls auf dem „Meeting“ in Rimini noch einen Gebrauch von Embryonen für Forschungszwecket mit dem Argument befürworte, es sei besser, eingefrorene Embryonen zu nützen als sie wegzuwerfen. Das „Meeting für die Freundschaft unter den Völkern“ ist ein Sommerfestival mit politischen, kulturellen und naturwissenschaftlichen Vorträgen, Ausstellungen, Konzerten und Theater, das von der katholischen Bewegung „Comunione e Liberazione“ organisiert wird.

Während Veronesis Vorschlag im letzten Jahr keinen Anklang fand und mit einem lauten Protestpfeifen abgelehnt wurde, so war in diesem Jahr die Begeisterung unter den Anwesenden umso größer, die dem Geundheitsminister mit großem Beifall unterstützten: „Wenn man die Verwendung der Embryonen als schwache und schutzlose Subjekte für die Forschung akzeptieren würde, so wäre der Schritt zur Eliminie-rung von Sterbenskranken nicht mehr weit, was ein Mord ist, auch wenn der Patient selbst danach verlangt. Und danach würde man auch auf die alten Menschen übergehen“, sagte Sirchia und fügte noch hinzu: „Man hat mich als einen Integralisten beschuldigt, aber das ist nicht wahr. Jedoch, wenn wir eine zivilisierte Zukunft für unsere Gesellschaft haben wollen, dann ist ein kategorisches Nein legitim. Denn wenn wir jemanden zum Vorteil eines anderen opfern, dann werden wir das Gesetz des Dschungels befolgen“. Außerdem habe man inzwischen auf wissenschaftlicher Ebene beweisen können, dass man „das, was man mit Embryonalzellen machen kann auch mit erwachsenen Zellen aus dem Blut der Plazenta machen kann.“ Die Forschung sei von einem moralischen Urteil nicht zu trennen: „Andernfalls wäre das Risiko jenes, dass man alles nach dem Prinzip des Wohlergehens, dem Vorrang des Stärkeren gegenüber dem Schwächeren zu rechtfertigen beginnt.“

Auch Roberto Formigoni, Präsident der Region Lombardei und einer der Hauptverantwortlichen des Meetings, stimmte dem Gesundheitsminister zu und erklärte, dass der, „der die Euthanasie mit dem Schutz der Menschenwürde rechtfertigt, eine Mystifizierung“ betreibe, denn heute gebe es keinen Schmerz, der nicht mit der Hilfe von Medikamenten ausgehalten werden könne. Außerdem gebe es keine Person, die den Tod aus Würde verlangte, dies geschehe vielmehr aus Verzweiflung. Einen monatlichen Scheck von einer Million Lire – etwa tausend Mark – will Rocco Buttiglione, Minister für europäische Angelegenheiten in der italienischen Regierung, schwangeren Frauen ein Jahr lang ausstellen, damit sie sich nicht aus finanziellen Gründen zur Abtreibung gezwungen fühlen. Buttiglione erklärte während eines Podiumsgesprächs mit dem Präsidenten der „Bewegung für das Leben“, Carlo Casini, dass er den „Kampf für das Leben“ fortsetzen und sich für die „Freiheit der Frau“ einsetzen werde. Gerade der Titel, den die Veranstalter für das einwöchige „Meeting“ gewählt haben – „Das ganze Leben sehnt sich nach Ewigkeit“ –, zeige die Notwendigkeit auf, sich an den Wurzeln der europäischen Kultur zu orientieren, die auf einem christlichen Fundament basierten. „Heute fehlt der Mut, sich vom Leben den Sinn des Lebens sagen zu lassen. ,Habt keine Angst‘, hat Papst Johannes Paul II. am Anfang seines Pontifikats gesagt. Auch die Frage der Abtreibung ist an diese Mutlosigkeit gebunden.“

Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts, Antonio Baldassarre, der ebenfalls an dem Podiumsgespräch teilnahm, erinnerte daran, dass nicht in allen Ländern der Beginn des Lebens mit der Befruchtung gesetzlich festgelegt sei. Daher sei es notwendig, ein internationales, multilaterales Abkommen mit den Staaten auszuhandeln, damit die wirtschaftlichen Druckmittel der multinationalen Firmen überwunden werden können. Eine „große kulturelle Debatte“, in der der Westen seine Identität wählen müsse, stehe bevor: Der Westen müsse entscheiden, ob er es vorziehe, der wissenschaftlichen Forschung keine Grenzen zu setzen und somit dem Tod entgegenzugehen, oder ob er die eigene Kul-tur, die auf dem Christentum und dem Respekt vor der menschlichen Person gründe, wieder instand setzen wolle.

Den Organisatoren des Festivals geht es seit Entstehung des „Meetings“ vor 22 Jahren darum, einen Beitrag für eine Kultur des Lebens zu leisten. Das Charisma der Bewegung Comunione e Liberazione ist es Sauerteig zu sein inmitten eines politischen und kulturellen Umfeldes und an die christlichen Ideale zu erinnern. Mit seinen etwa sechshunderttausend Besuchern in der Woche ist das „Meeting“ in Rimini das meist frequentierte Festival dieser Art in der Welt. Giulio Andreotti, der auch zum „Meeting“ kam, erinnerte sich „an den schwärzesten Tag meines Lebens, jener als ich das Abtreibungsgesetz unterzeichnet habe.“ Der Senator auf Lebenszeit erklärte jedoch, dass dies in den Tagen geschah, als Aldo Moro ermordet wurde und als es eine „so kämpferische Abtreibungs-Koalition gab, die die Debatte auch nicht einen Tag unterbrechen wollte. In jener wegen des Terrorismus so unsicheren Situation wäre es unverantwortlich gewesen, die Regierung dadurch in Krise zu bringen“, beteuerte Andreotti.

Andreotti nahm an der Buchpräsentation einer neuen Biografie über Papst Pius XII. (Andrea Tornielli, Il Papa degli Ebrei, Verlag Piemme 2001) teil, zu der auch David Dalin, ein Rabbiner aus New York, extra nach Rimini angereist war. Die verbreitete Feindseligkeit gegenüber Pius XII., dem einige vorwerfen, er habe den Nationalsozialismus und den Holocaust nicht öffentlich verurteilt, habe letztlich seinen Ursprung in der strengen Haltung Pius' XII. gegenüber des Kommunismus, hob Andreotti hervor. Der Senator erinnerte daran, dass viele dem Pacelli-Papst Unrecht tun und ihn angreifen, da er Hitler nicht öffentlich exkommuniziert habe. „Aber das hätte die ganze Situation nur noch verschlimmert“, meinte Andreotti. Auch Rabbi David Dalin stimmte Andreotti darin zu, dass eine öffentliche Verurteilung des Nationalsozialismus und Hitlers den Juden nicht geholfen hätte, sondern dadurch nur noch mehr Juden und Christen verfolgt worden wären. Die Kritiker von Pius XII. würden die Brutalität des Naziregimes total unterschätzen, die keine Drohungen des Vatikans ernstnahmen und jedes Mal noch schlimme Maßnahmen ergriffen, wenn ein Kirchenvertreter sie öffentlich angriff.

Dalin bestand auch darauf, dass man Pius XII. nicht den „Papst des Schweigens“ nennen dürfe, da er oft genug das Wort gegen das Naziregime ergriffen habe. Auch seien durch ihn allein etwa achtzig Prozent der vierzigtausend italienischen Juden gerettet worden. Auch zeige die Konversion des Oberrabbiners von Rom, Israel Zolli, der sich auf den Namen Eugenio (den Vornamen des Papstes) taufen ließ, wie sehr das jüdische Volk diesen Papst verehrt habe. „Kein Papst hat so viel Lob von Seiten der Juden empfangen wie Pius XII.“, sagte der Rabbiner. Daher könne man Pius XII. auch nicht den „Papst Hitlers“ nennen, wie es sich der englische Journalist John Cornwell in seinem tendenziösen Buch „Hitlers Pope“ angemaßt habe. Ganz im Gegenteil: „Pius XII. war zusammen mit Oskar Schindler ein wahrer Freund der Juden. Er war ein wahrhaft ,Gerechter‘. Diese Anerkennung steht einem der größten Freunde des jüdischen Volkes mit Recht zu“, so der Rabbiner aus New York.


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