29. Mai 2015 in Kommentar
Anmerkungen eines katholischen Ehemannes zu aktuellen Fragen im Blick auf die bevorstehende Bischofssynode zum Thema Familie. Von Martin Lohmann
Bonn (kath.net) Die Frage des Pilatus schwebt auch über den aktuellen Diskussionen in der Kirche, wenn es etwa um das Ehesakrament geht. Und am Ende wird man sich entscheiden müssen: Entweder für Christus oder gegen die wirkliche Barmherzigkeit.
Es geht, und damit will ich beginnen, letztlich um grundsätzliche Fragen: Was ist ein Sakrament? Und was ist eigentlich letztlich Liturgie? Etwas Heiliges? Etwas Göttliches? Etwas Menschliches? Etwas von Menschenhand Gemachtes? Und was hat Liturgie mit Sakramenten zu tun? Gibt es gar so etwas wie die Liturgie der Sakramente?
Wer so fragt, rührt an einen wunden Punkt im derzeitigen kirchlichen (Selbst)Verständnis. Nicht nur, aber vor allem im Blick auf die Synode zu Familie und Ehe mischen sich offizielle kirchliche Lehre und Lebensbrucherfahrungen mit Hoffnungen, die zum Teil von wirklich oder vermeintlich verständnisvollen und irritierenden Aussagen kirchlicher Würdenträger gespeist werden. Was ist katholisch? Was ist wahr? Was entspricht Christus? Müssen dieser und Seine Lehre endlich angepasst werden an die konkreten Erfahrungen jener, die in ihrem Leben das Scheitern erlebt haben und die daraus folgende Unvereinbarkeit mit dem Sakrament der Einheit und der Bruchlosigkeit schmerzhaft ertragen?
Wir müssen einen gigantischen Verlust an Glaubenswissen feststellen, und zwar innerhalb unserer Kirche. Ist die Rettung eigentlich schon immer für alle da? Irgendwie klingt in manchen Predigten der rheinische Schlager durch, egal wie man lebt: Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind, weil wir so brav sind.
Es ist kaum von der Hand zu weisen, dass zum Beispiel der weitgehende Verlust des Wissens um die Kostbarkeit und für Seele und Herz erfahrbaren Schönheit des Sakramentes der Beichte auch darauf zurückzuführen ist, wie sehr dieses himmlische Zeichen der Versöhnung jahrzehntelang vernachlässigt und allerlei Missverständnissen überlassen wurde. Unglückliche Beichtseelsorge, gepaart mit gelegentlich zelebrierter Geistesenge und Skrupulantentum sowie Angstmacherei, aber vor allem auch zugelassene Zerrbilder und die faktische Abschaffung von Sünden und Schuldbewusstsein und der damit wachsenden fehlenden Sensibilität für Erlösung haben den Kern des Sakramentes verdunkelt und seine Strahlkraft beschädigt. Nicht ganz zufällig hat der Heilige Johannes Paul II. bei einem seiner ersten Deutschlandbesuche die Bischöfe daran erinnert, dass die Glaubensstärke hierzulande ohne eine Wiederentdeckung und damit Wiederbelebung der heiligen Beichte nicht gelingen könne. Diese Aufforderung hat an Aktualität nichts verloren. Denn ohne diese Christushilfe, das eigene Gewissen zu formen und in diesem aufmerksamer zu werden für das Geschenk der Erlösung, die sich in der Berufung zur Heiligkeit jeden in seiner Gebrochenheit geborgenen Menschen offenbart, wird die missionarische Dynamik im Lande des großen Bonifatius ausbleiben müssen.
Beim Ehesakrament scheint sich dies derzeit besonders deutlich zu zeigen, wie sehr falsche Rücksichtnahmen und das Ausbleiben einer ebenso einfühlsamen wie mutigen Verkündigung eher der Vernebelung denn einer gebotenen Erhellung dienen. Auch hier sind pastorale Großlücken zu mentalen Wüsten geworden, in denen Sandstürme zu großer Orientierungslosigkeit beitragen. Damit ist noch nichts über die Verantwortung Betroffener ausgesagt, zumal häufig schlichtweg das Wissen vorenthalten wurde, um zu erahnen, worauf man sich mit freiem Willen und bei klarem Verstand eingelassen hat, als man vor Gottes Angesicht Ja sagte bis dass der Tod allein scheide. Ehevorbereitung fristet bis heute ein Schattendasein und findet eher nicht statt. Kein Wunder, dass man nach ersten Phasen der Verliebtheit im Alltag gar nicht weiß, auf was man sich da mit dem von der Kirche beglaubigten Versprechen, das sich nicht selten als schuldlose weil ahnungslose Versprecher entlarven, eingelassen hat. Es ist zu vermuten, dass die Zahl der aus Unwissenheit ungültig geschlossenen Ehen wesentlich höher ist als die der gescheiterten, wobei beides zusammenfallen kann.
Benedikt XVI. hat in seinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Sacramentum caritatis vom 22. Februar 2007 im Blick auf die wiederverheiraten Geschiedenen ein dornenreiches und kompliziertes pastorales Problem ausgemacht. Aber er kann nicht anders, als die auf die Heilige Schrift (vgl. Mk 10,2-12) gegründete Praxis der Kirche, zivil wiederverheiratete Geschiedene nicht zu den Sakramenten zuzulassen, in Erinnerung zu rufen. Doch er verlangt auch von den Seelsorgern für die Betroffenen eine spezielle Aufmerksamkeit. Bemerkenswert ist aber in diesem Zusammenhang ein Hinwies seines Nachfolgers als oberster Glaubenshüter, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, der feststellt: Die heutige Mentalität steht dem christlichen Eheverständnis, etwa bezüglich der Unauflöslichkeit der Ehe oder der Offenheit für Kinder, weithin entgegen. Weil viele Christen davon beeinflusst werden, sind in unseren Tagen Ehen wahrscheinlich häufiger ungültig als früher, weil es am Ehewillen im Sinn der katholischen Ehelehre mangelt und die Sozialisation im gelebten Raum des Glaubens zu gering ist. Darum ist eine Überprüfung der Gültigkeit der Ehe wichtig und kann zu einer Lösung von Problemen führen. Und mit Bezug auf das Schreiben von Papst Benedikt sagt Müller sehr deutlich: Wo eine Ehenichtigkeit nicht festgestellt werden kann, setzen die Lossprechung und der Kommunionempfang gemäß der bewährten kirchlichen Praxis ein Zusammenleben ,als Freunde, wie Bruder und Schwester voraus. Segnungen von irregulären Verbindungen sind ,in jedem Fall zu vermeiden..., damit unter den Gläubigen keine Verwirrungen in Bezug auf den Wert der Ehe aufkommen. Die Segnung (benedictio: Gutheißung von Gott her) einer Beziehung, die dem Willen Gottes entgegensteht, ist ein Widerspruch in sich.
Die Versäumnisse seitens vieler Seelsorger im Vermitteln der Lehre sind wohl auch eine Folge eines Paradigmenwechsels, der wiederum das Versäumnis beflügelt zu haben scheint. Dabei ist das Lehramt seit Jahrhunderten eindeutig. Und es hat die absolute Unauflöslichkeit der sakra-mental geschlossenen Ehe sogar zu hohen Preisen verteidigt, wie uns der Abfall der Church of England lehrt. Das Konzil von Trient verweist in Sachen Unauflöslichkeit auf das Evangelium (vgl. DH 1807), das Zweite Vatikanum ebenfalls, und findet in Gaudium et Spes (Nr. 48) unmissverständliche Worte. Und der heilige Johannes Paul II. tat Selbiges in seinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981).
Kardinal Müller fasst das so zusammen:
1. Die Seelsorger sind aus Liebe zur Wahrheit verpflichtet, die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden. Man darf nicht alles und alle gleich bewerten.
2. Die Seelsorger und die Gemeinden sind gehalten, den betroffenen Gläubigen in fürsorgender Liebe beizustehen. (...)
3. Die Zulassung zur Eucharistie kann ihnen allerdings nicht gewährt werden. Dafür wird ein doppelter Grund genannt:
a) ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht;
b) ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung. Eine Versöhnung im Bußsakrament, die den Weg zum Eucharistieempfang öffnet, kann es nur geben bei Reue über das Geschehene und Bereitschaft zu einem Leben, das nicht mehr im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe steht. Das heißt konkret: Wenn die neue Verbindung aus ernsthaften Gründen, etwa wegen der Erziehung der Kinder, nicht gelöst werden kann, müssen sich die beiden Partner verpflichten, völlig enthaltsam zu leben.
4. Den Geistlichen wird aus innersakramenten-theologischen und nicht aus legalistischen Zwang ausdrücklich verboten, für Geschiedene, die zivil wieder heiraten, irgendwelche liturgische Handlungen vorzunehmen, solange eben die erste sakramental gültige Ehe noch besteht.
Worum es geht, das machte auch Raymond Leo Kardinal Burke im Nachgang zur Bischofssynode zu Ehe und Familie auf der 17. Kölner Liturgischen Tagung im März 2015 deutlich und lieferte zugleich ein Anforderungsprofil für den kommenden Teil dieser Synode im Herbst 2015. Er stellt mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, die auch die Kirche selbst ergriffen haben, mit Betroffenheit fest: Man ist im Begriff, den Sinn der Natur des Menschen selbst zu verlieren, der sich in ganz grundlegender Weise in der Berufung zur Ehe und der Bildung der Familie auf der Grundlage des gegenseitigen und feierlichen Eheversprechens zwischen einem Mann und einer Frau zeigt, sowie ihrer vollkommenen Liebe, vollkommen in der Treue und vollkommen in ihrer Verbindlichkeit bis zum Tod. Es sei gefährlich, die bisherige Praxis der Kirche ändern zu wollen, sagt Burke im Blick auf die entsprechenden Ambitionen des deutschen Kardinals Kasper, weil die Kirche keine Befugnis habe, die Lehre selbst zu ändern, die ihr vom Herrn in aller Eindeutigkeit seiner Kirche anvertraut wurde. Einem grundlegenden Gesetz der Logik könne nun mal eine Sache nicht gleichzeitig sein und nicht sein. Mit anderen Worten: Entweder sind die Personen, die in einer irregulären Beziehung leben, an eine andere Person durch die Ehe gebunden, und deshalb leben sie nach den Worten des Herrn im Ehebruch, oder sie sind nicht mehr gebunden und dann wäre die Ehe nicht unauflöslich.
Also doch kein Platz für Revolutionen? Burke ist da eindeutig: Auf keinen Fall, jedenfalls nicht ohne gleichzeitige schwerste Schäden für den Organismus. Und er verweist auf das zerstörerische Gift der Diktatur des Relativismus, vor der Benedikt XVI. bereits als Kardinal warnte. Noch in seiner Weihnachtsansprache 2010 hatte der damalige Pontifex festgestellt, dass dieser Relativismus auch in das theologische Denken eingezogen sei und vor allem in die Lehre verschiedener Moraltheologen eingedrungen ist. Man sehe, so Burke ergänzend, die gleiche Erscheinung im Versuch, die heilige Liturgie auf eine rein menschliche Ebene herabzusetzen, anstatt in ihr die Aktivität des glorreichen Christus hier auf Erden zu erkennen und anzuerkennen.
Das Bleiben in der Wahrheit Christi und die Feier der Liturgie hängen eng zusammen. Liturgie, so könnte man sagen, hat in der richtigen Feier wahrheitserkennenden und wahrheitsvermittelnden Charakter. Sakramente sagen nichts weniger als aus als etwas über Christus selbst. Man könnte auch sagen: In der Liturgie der Sakramente spricht der Gottessohn selbst. Deshalb ist ihre Feier auch nicht der Beliebigkeit überlassen oder rein menschliches Werk.
Bleiben der Kirche in der Wahrheit Christi? Genau das gewährleisten ist die Aufgabe des apostolischen Amtes, wie es Johannes Paul II. 1980 in seiner nachsynodalen Schreiben Familiaris consortio betonte: Die Hirten müssen deshalb den Glaubenssinn in allen Gläubigen fördern, die Echtheit seiner Ausdrucksformen verbindlich abwägen und beurteilen und die Gläubigen zu einer immer reiferen Unterscheidung im Licht des Evangeliums erziehen. Das bedeute dann wohl konkret für die Kirche, immer wieder an die Grenzen der aktuellen Kultur zu gehen, immer jedoch muss die Kirche sich ihrer Identität sicher sein, so Kardinal Burke. Die Kirche müsse das größte Mitgefühl zeigen, das aber notwendig den Respekt vor der Wahrheit der kulturellen Situation, die häufig durch Konfusion und den Irrtum über die grundlegendste Wahrheit über das menschliche Leben und seinen Ursprung in der Familie gekennzeichnet ist, einschließt. Die Kirche muss die Tatsachen bei ihrem eigenen Namen nennen, um nicht selbst zur Konfusion und zum Irrtum beizutragen, sondern vielmehr zu Ordnung und Klarheit. Wer bei alldem versäume, die Wahrheit Christi klar zu lehren, begehe letztlich eine schwere Vernachlässigung der Nächstenliebe.
Burke warnt vor der Gefahr eines schädlichen Sentimentalismus, der die objektive Situation des Gegenübers nicht zu sehen in der Lage sei und das Zusammentreffen mit Christus von Seiten der Person im Zustand der Sünde blockiere: Der Sentimentalismus sieht die Wahrheit Christi wie etwas die Person Verletzendes an und vermeidet deshalb, diese Wahrheit auszudrücken, die aber der einzige Ausweg der Person zur gegebenen Zeit aus der Sünde ist. Zugleich respektiert der Sentimentalismus nicht die Auswirkung des irregulären Zustandes auf die Beziehung mit anderen Personen, Verwandten, oder Freunden. Wenn wir uns nur auf die schmerzhafte Situation des Individuums konzentrieren, können wir die vollständige Wirklichkeit nicht erblicken und tragen so nicht nur gegenüber dem Individuum zur Ungerechtigkeit bei, sondern auch gegenüber all denjenigen, zu denen es in Beziehung steht.
Die Synode zu Familien- und Ehefragen sei ebenso an das Wort Christi gebunden wie der Papst selbst: Die Fülle der Gewalt des Römischen Pontifex dient der Wahrheit des Glaubens und der Disziplin. Der Heilige Vater übt daher seine Vollmacht in völligem Gehorsam Christus gegenüber aus und kann deshalb nicht Vorkehrungen gegen die Wahrheit Christi treffen, indem er sich auf eine absolute Vollmacht und damit auf eine willkürliche beruft. Und daher habe auch eine Synode keine andere Wahl, als alle Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Kirche gegenüber der Wahrheit von Ehe und Familie noch treuer sein kann.
Es geht also letztlich darum, die besondere Aufmerksamkeit auf die Heiligkeit der Ehe richten, auf die Treue, die Unauflöslichkeit, sowie auf die Fruchtbarkeit der Einheit der Eheleute zu lenken: Das christliche Familienleben ist mit Notwendigkeit unter den Bedingungen der heutigen Kultur ein Zeichen des Widerspruchs. Die Synode muss daher die Gelegenheit für die gesamte Kirche sein, Inspiration und Kraft an die katholischen Paare zu geben, für ihr Zeugnis von der Wahrheit Christi, dessen unsere Kultur so dringend bedarf. Die Synode muss eine echte Hilfe für die christlichen Familien sein, um, nach einer antiken Definition, Hauskirche zu sein, der erste Ort, an dem der katholische Glaube gelehrt, gefeiert und gelebt wird. Diejenigen Gläubigen, welche in einer schwierigen Ehe leben, müssen sich gewiss der besonderen Aufmerksamkeit der Kirche erfreuen dürfen, die ihnen nach dem Beispiel des Herrn die Wahrheit Christi verkündet und ihnen die Gnade Christi vermittelt, treu und großzügig ihre Berufung zur Ehe bis zum Ende zu leben.
Wer über die Sakramente und ihre Gültigkeit spricht, spricht auch und vor allem über Jesus Christus. Und unausweichlich leuchtet immer wieder die Frage auf: Was ist Wahrheit? Oder anders: WER ist Wahrheit? Der Jesuit Paul Mankowski, zusammen mit den Kardinälen Brandmüller, Burke, Caffarra und Müller einer der Autoren des wegweisenden Buches In der Wahrheit Christi bleiben, macht darauf aufmerksam, dass es eine falsche oder doch schwerwiegend partielle Sichtweise wäre, Jesus als einen Disputanten zu verstehen, der nur die rigoristische Seite in einer juristisch-moralischen Kontroverse verfocht und der höchstens auf störrische Eiferer eine Anziehungskraft ausübte. Denn er versprach auch neue und überreiche Gnaden und göttliche Hilfe, so dass es keine wie auch immer fragile Person für unmöglich halten sollte, Gottes Willen zu erfüllen.
Es versteht sich von selbst, dass dies alles die Verkündigung nicht leichter macht, zumal die Ehe, erst recht die sakramental geschlossen Ehe seit Jahrzehnten vielfachen Angriffen ausgesetzt ist und ihres einzigartigen Charakters durch Sprachmanipulationen und gezieltem Unverständnis sowie einer niedrigschwelligen Instrumentalisierung des ihr eigentlich vorbehaltenen Sexuallebens weitgehend entwürdigt oder entehrt wurde. Oder, um Kardinal Burke zu zitieren: Es wurde viel getan, um die erhabene Schönheit des Ehestandes, wie Gott ihn vom Anfang der Schöpfung an gewollt hat, zu verdunkeln und zu beflecken. Die Kultur sei inzwischen weiter in ihrer Beleidigung Gottes und seines Gesetzes vorangeschritten, indem behauptet wird, dass der Name der Ehe auch Beziehungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts zugestanden werden müsse. Und selbst in der Kirche gebe es jene, welche die Wahrheit von der Unauflöslichkeit der Ehe unter dem Titel der Barmherzigkeit verdunkeln, die die Verletzung der ehelichen Einheit als pastorales Verstehen ausgeben, und die unter dem Namen der Toleranz in vorderster Front stumm bleiben, wenn die Ehe in ihrem Wesen angegriffen wird, als eine Einheit zwischen Mann und Frau.
Zeugnis von der Wahrheit und der damit verbundenen Schönheit geben, trotz aller Verwirrung und aller Widerstände, der Liturgie der Sakramente gerecht werden und durch die vermittelte Klarheit göttlicher Kindschaft jenen beistehen, die durch Lebensbrüche und Sünde der pastoralen Klugheit und unverfälschter Barmherzigkeit bedürfen und Hilfe benötigen das erfordert Mut und ein einladendes, verständnisvolles und dennoch im Kern unverbeultes Bleiben in der Wahrheit Christi. Es geht nicht nur bei der Ehe, dort aber besonders eindringlich um die Heiligkeit des Sakramentsinhalts, der, wenn man das Wort Jesu und seine Menschenhand anvertraute göttliche Lehre ernst nimmt, Christ selbst ist. So gesehen ist es weder klug noch echt katholisch, was in einem Beitrag über die wichtige Tagung auf der Internetplattform der Deutschen Bischofskonferenz zu lesen war: Doch auch er (gemeint ist Kardinal Burke) weiß, dass am Ende der zu erwartenden harten Auseinandersetzungen keineswegs die reine, unverfälschte Lehre stehen muss. Viele Zeichen stehen auf Veränderung.
Und was ist nun wirklich Barmherzigkeit? Dieses sogenannte Argument wird ja immer wieder an dieser Stelle genannt, und es schimmert ja auch bei dem soeben angeführten Zitat durch. Und zwar so, als seien diejenigen, die sich an der Lehre und der durch Christus selbst gegebenen und anvertrauten Wahrheit orientieren, letztlich hart und unbarmherzig, während diejenigen, die die Wirklichkeit vieler gescheiterter Ehen zum Maßstab machen wollen, als die eigentlich Barmherzigen wahrgenommen werden und werden sollen.
Mit einem Gemeindereferenten hatte ich diesbezüglich jetzt in diesen Tagen eine entsprechende Auseinandersetzung. Sie mag symptomatisch sein für viele andere. Der Referent im Auftrag der Kirche sprach in seinem Vorwort zu schriftlichen Pfarrnachrichten gar von den Hardlinern und den Progressiven, benutzte also Kampfbegriffe aus dem politischen Sprachgebrauch. Ich hatte ihm die Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin in Erinnerung gerufen, zumal er den wichtigen Aufruf des Herrn gehe hin und sündige fortan nicht mehr vergessen hatte wie das derzeit so oft geschieht. Ich meinte zu ihm:
Es wäre fatal, den abschließenden Aufruf des Herrn, der einem wichtigen Gebot gleichkommt, zu verschweigen oder gar zu vergessen, wenn nämlich Christus die gegenüber der Ehebrecherin gezeigte Barmherzigkeit ausdrücklich mit Gehe hin und sündige nicht mehr verbindet. Das ist übrigens jene notwendige Verbindung, also dieses Gebot und dieser Vorsatz, nicht mehr zu sündigen, die für jede heilige Beichte gilt. Und erst recht eigentlich auch für das Sakrament der Sakramente, das ALLERheiligste, wo es in besonderer Weise um nichts Geringeres geht als um die leibhaftige Begegnung mit dem eucharistischen Herrn. Dieses Sakrament ist deshalb so besonders kostbar und verdient höchste Ehrfurcht, weil es das Dichteste ist, was wir auf Erden erleben können! Das Heiligste. Das Höchste. Das Kostbarste. Und dieses Sakrament kann und darf niemals Mittel zum Zweck werden, ist also auch kein Mittel auf dem Weg zu einer Einheit, sondern Ausdruck der gelebten Einheit mit keinem Geringeren als dem Gottessohn selbst, also Gott selbst. Und der hat sich geoffenbart mit seiner Gerechtigkeit und seiner Barmherzigkeit in Jesus Christus, der wiederum uns die (volle) Begegnung mit der Ehebrecherin schenkt(e).
Wenn dem aber so ist, dann verlangt - jenseits aller Theo-Logik - schon allein die Logik des Denkens, dass dieses Sakrament eigentlich nur im Zustand der Gnade, also der Sündenfreiheit empfangen werden kann. Für wiederverheiratet Geschiedene bedeutet die Barmherzigkeit Christi also dann, dass sie fortan nicht mehr sündigen. Das aber würde in der Logik der Wahrheit des Sakramentes der vor Gottes Angesicht geschlossenen unauflöslichen Ehe heißen, dass ein in eine aus kirchlicher Sicht sündhafte Zweitehe eingegangene Verbindung rückgängig gemacht oder in den vollen Ruhemodus gebracht werden müsste. Und hier genau liegt ja das Problem: Wie soll ein in einem Dauersündezustand Lebender dem der Barmherzigkeit engstens verbundenen Gebot des Nicht-mehr-sündigens denn nachkommen, ohne den Sündenzustand zu beenden? Deshalb sind allgemeine Forderungen und Regelungen jenseits der jeweiligen pastoralen Klugheit ja schon immer so problematisch. Es geht also um echte, kostbare und keineswegs billige Barmherzigkeit. Und in diesem Sinne heißt es ja auch: Misericordiam volo.
Er antwortete mir tatsächlich wie folgt:
Ich habe über Ihren Kommentar zur Ehebrecherin nachgedacht. Was wäre passiert, wenn Jesus ihr zum zweiten Mal begegnet wäre und sie wieder Ehebruch begangen hätte. Hätte er sie dann zur Steinigung freigegeben? - Das ist keine polemische Frage. Und anschließend berichtete er mir von einem jener Fälle, wo ein unter der Scheidung der Eltern leidendes Kind sich zunächst sehr verschloss um anschließend, nachdem die Mutter einen neuen Mann und Vater gefunden hatte, wieder richtig aufzublühen. Darauf gehe ich jetzt nicht ein, zumal es etwas Zeit bräuchte, das Verhältnis von Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit näher zu beleuchten. Denn die Barmherzigkeit benötigt, um wahrhaftig sein zu können, als Basis die Gerechtigkeit. Und diese ist, wie wir wissen, wahrlich mehr als nur ein Gefühl.
Aber ich will Ihnen sagen, was ich diesem Gemeindereferenten auf die keineswegs polemische Frage antwortete:
Die Frage, die Sie am Anfang stellen, meinen Sie sicher nicht ernst, können Sie kaum ernst meinen. Deshalb nehme ich mal zu Ihren Gunsten an, dass Sie sehr wohl polemisch gemeint ist. Oder aber: Sie wollen oder können meine Zeilen nicht verstehen. Und: Würden Sie das ernsthaft fragen, hätten Sie als Gemeindereferent weder den Gottessohn, dessen Barmherzigkeit noch die Lehre und Praxis der Kirche, in deren Auftrag Sie arbeiten, verstanden. Denn ist geradezu absurd und auch beleidigend zu fragen, ob der Herr dann die Ehebrecherin zur Steinigung freigegeben hätte. Er ging wohl bei der uns überlieferten Begegnung davon aus, dass sie sehr wohl in der Lage sei, künftig nicht mehr zu sündigen. Denn ein Zyniker war der Herr meines Wissens nicht. Und ganz ehrlich: Wir sollten uns an das halten, was uns überliefert ist. Ihre Phantasie in Ehren: Aber sie ist an dieser Stelle genauso gewichtig wie die Frage, ob Petrus ein weißes oder graues Gewand anhatte. Auch das ist uns nicht überliefert.
Gestatten Sie mir noch einmal, Kardinal Müller zu zitieren, der ebenfalls neulich darauf hinwies, dass man die Gerechtigkeit und die Sakramentalität nicht gegen Barmherzigkeit ausspielen könne und dürfe. Denn die ganze sakramentale Ordnung ist ein Werk göttlicher Barmherzigkeit und kann nicht mit Berufung auf dieselbe aufgehoben werden. Durch eine sachlich falsche Berufung auf die Barmherzigkeit bestehe zudem die Gefahr einer Banalisierung des Gottesbildes, wonach Gott nichts anderes vermag, als zu verzeihen. Müller: Zum Geheimnis Gottes gehören neben der Barmherzigkeit auch seine Heiligkeit und Gerechtigkeit. Wenn man diese Eigenschaften Gottes unterschlägt und die Sünde nicht ernst nimmt, kann man den Menschen letztlich auch nicht seine Barmherzigkeit vermitteln. Jesus begegnete der Ehebrecherin mit großem Erbarmen, sagte ihr aber auch: Geh und sündige von jetzt an nicht mehr (Joh 8,11). Die Barmherzigkeit Gottes sei keine Dispens von den Geboten Gottes und den Weisungen der Kirche: Sie verleiht vielmehr die Kraft der Gnade zu ihrer Erfüllung, zum Wiederaufstehen nach dem Fall und zu einem Leben in Vollkommenheit nach dem Bild des himmlischen Vaters. (Alle Zitate Kardinal Müller: Quelle)
Fazit: Wer die reine Lehre nicht mehr zu suchen bereit ist und ihren Reichtum nicht mehr sehen möchte, hat sich möglicherweise bereits der abweichenden Realität des Relativismus willenlos ergeben oder ist nicht mehr wirklich von der Sehnsucht durchdrungen, in der Wahrheit Christi zu bleiben. Was ist Wahrheit? Sollte die Wahrheit eine Prägekraft auf die Wirklichkeit haben? Oder sollte die Wirklichkeit wir sprechen wohl gemerkt eigentlich nur über einen Teil der Wirklichkeit! die Wahrheit überwölben? Dann aber käme diese Überzeugung dem kapitulierenden Bekenntnis gleich: Es gibt keine Wahrheit. Das aber ist das Gegenteil der Lehre Christi, die alle Menschen für wahrheits- und umkehrfähig hält - und für erlösungswürdig. Barmherzigkeit kann nur dort beginnen und greifen, wo auch ehrlich die Wahrheit gesagt und verkündet wird. Und immer gilt: Wer es fasse kann, der fasse es! (Mt 19,12). Es ist schon erstaunlich und sicher kein Ausrutscher des Herrn, dass er, als die Pharisäer ihn trickreich auf die Barmherzigkeit Mose und dessen Erlaubnis der Ausstellung eines Scheidebriefes ansprechen, ganz weit ausholt und den Bogen zur Schöpfungsordnung, zum Ursprung schlägt: Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an eine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen (Mt 19,3ff).
Damit das hier noch einmal deutlich wird: Über Scheidungen, die auch ich aus nächster Nähe kenne, ebenso wie den damit verbundenen Schmerz sowie die Folgen, kann und will ich nicht urteilen. Aber ich will schon anmerken, dass das Scheitern vieler Ehen ebenso wenig eine Rechtfertigung zur Abschaffung der Ehen ist wie das Scheitern eheloser Lebensformen um des Himmelreiches willen zur Abschaffung des Zölibats. Beide Formen der Konsequenz im Leben können eigentlich nur mit Blick auf Christus verstanden und gelebt werden. Treue und Freiheit, nach der sich nach wie vor übrigens auch junge Menschen sehnen, bleiben aktuell und eine Herausforderung, die nur mit dem Mut zur Übernahme und Annahme der Verantwortung gelingen kann. In diesem Sinne hat wohl Thomas von Aquin Recht, dass die Ehe etwas Natürliches sei und es eine natürliche Hinneigung des Menschen zur Ehe gebe, ihre Verwirklichung aber nur in menschlicher Freiheit geschehen könne.
Und wenn über Ehe- und Familienpastoral nachgedacht wird, dann sollten wir auch ehrlich erkennen, dass dies alles etwas mit dem Glauben an Gott zu tun hat. Und deshalb erlaube ich mir auch noch einmal einen Hinweis auf die Verbindung von Ehe und Ehelosigkeit. Beide sind Grundformen des Zeugnisses für die Liebe Gottes. Beide sind notwendige Zeichen für eine Welt, die sich mehr und mehr dem Irrglauben ergibt, ohne den Himmel auskommen zu können. Eine Welt, die dich buchstäblich durch ständiges Selbstumkreisen den Blick nach oben verstellt und meint, das Paradies auf Erden schaffen zu müssen. Eine Welt auch, die sich einredet, man könne ein Leben ohne Opfer leben. Opfer und Leid haben aber rein profan, rein materialistisch und funktionalistisch gesehen so gut wie keinen Sinn. Und so entstehen, weil das Menschenbild mehr sein muss als Materialismus und Funktionalismus, Frustrationen.
Vielleicht liegt darin auch ein Grund dafür, dass so viele Ehen überfrachtet werden und schließlich unter dem selbstgemachten Druck zerbersten. Wer Gott nicht mehr kennt oder kennen will, sucht halt das Absolute im Partner. Kein Gott, kein Himmel, natürlich auch keine Hölle, keine über den Tellerrand hinausweisende Hoffnung, kein ewiges Leben dann wenigstens DU. Dieses Du, auf das man sich konzentriert, muss dann alles leisten und jede Sehnsucht erfüllen und zwar sofort. Ohne die göttliche Dimension, ohne die göttliche Perspektive bleibt eben alles zweidimensional.
Hinzu kommt, dass wir Ehe und Sexualität wegen eines von jedem Zusammenhang abgebrochenen Sexus der leeren Lust voneinander getrennt haben. Ehe lässt sich von Sexualität trennen und diese noch einmal von Elternschaft, die Elternschaft lässt sich durch Scheidung multiplizieren und das Ganze durch das Zusammen- und Getrenntleben dividieren und mit mehreren Wohnmöglichkeiten und der immer vorhandenen Revidierbarkeit potenzieren. Am Ende aber steht nicht das Glück, keine Erfüllung, kein Leben in Fülle sondern die Leere. Umso wichtiger wird eine klare Ehepastoral, die bei der Ehevorbereitung beginnen muss.
Es geht also um eine Entscheidung: Entweder für die Kirche des Pilatus und damit ein Offen-lassen der Frage Was ist Wahrheit?, oder aber für die Kirche Jesu Christi und Christus selbst. Denn Wahrheit und Freiheit haben einen Namen: Jesus Christus.
Gestatten Sie mir abschließend, obwohl ich das bereits die ganze Zeit implizit getan habe, explizit meine Erwartungen an die Synode und damit an unsere Hirten zu formulieren, und zwar als jemand, der mitten im Leben und mitten in der Wirklichkeit als Familienmensch, als Ehemann und als Vater davon überzeugt ist und dafür lebt, dass eine auf Treue und Vertrauen vor Gottes Angesicht geschlossene und gebaute Ehe möglich ist und als Lebensmodell geradezu beworben werden kann und sollte. Ich wünsche mir und erwarte, dass die Hirten endlich den Mut aufbringen, uns und unsere Kinder zu stärken und zu befähigen, die Berufung zur Heiligkeit in der Ehe mit Treue und Realismus sowie Leidensfähigkeit und Opferbereitschaft, ja auch mit Verzicht, der letztlich unglaublich reich machen kann zu wagen. Und weil wir heute Pfingsten feiern, will ich ein bekanntes Gebet, einen Anruf ein wenig abwandeln:
Komm, Heiliger Geist, entzünde das Feuer deiner Liebe, und du wirst das Angesicht der Kirche Jesu Christi erneuern und damit das Angesicht der Erde.
Diese (!) Revolution, diese Reform brauchen wir dringend!
Und dafür sollten wir den Himmel bestürmen.
Mit unseren Gebeten.
Ohne Unterlass.
Gemeinsam. Und jeder für sich.
Immer wieder.
Und unsere Heiligen wie Johannes XXIII. und vor allem Johannes Paul II., aber auch Thomas Morus, die Gottesmutter und andere, sollten wir einsetzen und ihnen viele Aufträge geben im Blick auf diese so wichtige Synode mit ihrer so großen Chance.
Komm, Heiliger Geist, erleuchte die Teilnehmer der Synode,
entzünde in ihnen das Feuer deiner Wahrheit und des Mutes.
Martin Lohmann ist Theologe, Historiker und katholischer Publizist. Der Journalist arbeitet unter anderem als Moderator, Redner und Berater. Er ist ausgewiesener Kirchen- und Papstexperte und ehrenamtlich engagiert als Vorsitzender des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL) und Sprecher der Christlichen Aktion.
EWTN Reporter - Martin Lohmann auf dem Marsch für das Leben
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