5. Juni 2015 in Deutschland
Debatte in Schleswig-Holstein um Gottesformel in der Verfassung. Von Esther Geißlinger (KNA)
Kiel (kath.net/KNA) «In Verantwortung vor Gott» - im schleswig-holsteinischen Landtag fand sich im vergangenen Herbst keine Mehrheit, um diese Formel in die Landesverfassung aufzunehmen. Demnächst werden sich die 69 Abgeordneten des Kieler Parlaments erneut mit der Frage befassen müssen: Die Initiative «Für Gott in Schleswig-Holstein» sammelt dafür Unterschriften und ist ihrem Ziel nach kurzer Zeit bereits nahe gekommen. 20.000 Unterschriften braucht es, damit sich das Parlament erneut mit dem Thema befasst. Rund 19.500 Menschen haben bereits unterzeichnet.
Außerdem wird weiter debattiert. Jetzt hatte das «Forum Kirche und Gesellschaft», eine Gruppe der Propsteigemeinde St. Nikolaus in Kiel, den Völkerrechtler Matthias Hartwig zu Gast. Der Jurist am Heidelberger Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht vertrat die These, dass Gott nicht nur in der Verfassung genannt werden dürfe, sondern höhere Werte ohnehin dort enthalten seien.
Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit: Diese Begriffe aus dem Kanon der Grundrechte lägen außerhalb des Zugriffs eines Parlaments, und sie hätten «inzwischen eine Rolle eingenommen, wie sie früher religiöse Bekenntnisse hatten, sie sind unantastbar», so Hartwig in seinem Referat.
Diese Rolle sei unter anderem durch die Erfahrungen am Ende der Weimarer Republik entstanden, als sich das Parlament selbst auflöste - das Ende der Demokratie durch ein formal demokratisches Verfahren. Die junge Bundesrepublik gab sich daher eine Verfassung, in der die Verantwortung vor Gott genannt ist. Auch Landesverfassungen stünde das gut an, um dem Menschen seine Grenzen zu zeigen: «Wir brauchen Gott, um Allmachtsfantasien zu unterbinden.»
Wichtig sei dabei, dass es nicht um einen «inhaltlich gefüllten» Gottesbegriff gehe, der christlich, jüdisch oder islamisch sei: «Das verträgt sich nicht mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit», so Hartwig. Nicht alle der Gäste teilten seine Meinung: «Auch wer nicht an einen Gott glaubt, kennt Werte - und in einigen Bereichen sind die Werte der Aufklärung weiter als die der Kirche, etwa bei der Gleichstellung von Mann und Frau», sagte ein Zuhörer.
Ein anderer wiederum nannte es einen «faulen Formelkompromiss», unter dem Begriff «Gott» alle Religionen fassen zu wollen: «Wenn es um Werte geht, müssen wir irgendwann schon sagen, welchen Gott wir meinen.» Eine Zuhörerin spitzte zu: «Wenn Gott nur eine Chiffre für Werte ist, wozu müssen wir ihn dann nennen?» Hartwig sprach dagegen: Das «Vier-Buchstaben-Wort» sei eine prägnante, griffige Formel, mit der die Menschen mehr anfangen könnten als mit Umschreibungen.
Dass es vielen Menschen schwer falle, über Gott zu sprechen, berichtete ein Mann, der in den vergangenen Wochen Unterschriften für die Initiative gesammelt hatte: «Mit einem allein geht es gut, wenn die Leute zu zweit oder zu dritt unterwegs sind, schütteln sie meist die Köpfe.» Sein Erfolgsrezept: «Auf Supermarktparkplätzen geht es am besten.»
Man wolle das Mindestziel von 20.0000 Stimmen «deutlich übertreffen, um ein klares Signal an die Politik zu senden», so Bernhard Krumrey, Organisator des Forums Kirche und Gesellschaft. Die Unterschriften sollen noch vor der Sommerpause übergeben werden. Das Parlament bleibt aber in seiner Entscheidung frei. Wenn keine Mehrheit zustande kommt, kann ein Volksbegehren starten. Am Ende steht ein Volksentscheid. Da es allerdings um eine Verfassungsänderung geht, ist die Hürde hoch: Mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten muss dafür stimmen - angesichts sinkender Wahlbeteiligung nicht einfach. Ob eine Gottesformel in der Verfassung einen praktischen Wert hat, konnte auch Matthias Hartwig nicht beantworten. «Aber eine Verfassung ist keine Gebrauchsanweisung, sie soll nicht nur technisch sein.»
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