9. Juni 2015 in Kommentar
Während in vielen Ländern Bischöfe beim jeweils nationalen Marsch für das Leben persönlich mitlaufen, steckt die Teilnahme von Bischöfen in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Von Martin Lohmann
Berlin (kath.net/pl) Es passiert immer wieder, und je näher der nächste Termin des Marsches für das Leben kommt, desto häufiger taucht die Frage auf: Ja, kommen denn endlich auch mal die Bischöfe und gehen mit? Nicht selten schwingt dann eine gewisse Enttäuschung mit, weil man die Hirten schon seit Jahren vermisst und man so gerne ein gemeinsames Zeichen für das Leben setzen möchte. Oder: würde.
Gelegentlich werden diese Nachfragen begleitet mit der nicht gerade schönen Vermutung, es mangele dem ein oder anderen möglicherweise schlichtweg an Mut, sich so öffentlich und unmissverständlich zu einem Thema zu äußern oder zu zeigen, das erklärtermaßen anders als etwa die Flüchtlingsthematik kein Sympathiethema zu sein scheint und eher kritische Kommentare nach sich ziehen könnte. Die politische Korrektheit scheint eben auch hier eine durchaus wirksame Attacke gegen die Bekennerpflicht und den ganz normalen Auftrag zu sein. Zudem hat die Politik längst und zwar quer durch alle Parteien für sich entschieden, an dieses Thema, also an das Thema Lebensschutz, nicht mehr drangehen zu wollen. Zu logisch? Zu große Verbrennungsgefahr?
Nun gut, beim Lebensende und der Frage, was denn wirklich Lebenshilfe beim Sterben sein könnte und was der Würde des Menschen, die ja angeblich unantastbar sein sollte, widerspricht, wird man sich im Herbst intensiv äußern und leidenschaftlich diskutieren, vielleicht auch debattieren müssen. Noch tut so der ein oder andere, als könne man dieses Thema sauber trennen und fernhalten von der Frage, was denn ein wirklicher Lebensschutz vom Anfang bis zum natürlichen irdischen Ende ungeteilt bedeuten kann und müsste. Dabei gab es warnende Stimmen bereits vor Jahrzehnten, dass gewollte oder zugelassene Unklarheit am Anfang unweigerlich die Euthanasie auf die Tagesordnung holen werde. Dass also Abtreibung und Euthanasie letztlich im Zusammenhang gesehen werden müssten.
Warum? Weil das Lebensrecht nicht teilbar ist und die Würde des Menschen von der sogar das Bundesverfassungsgericht ausging, als es dem bereits ungeborenen Menschen das Lebensrecht zugestand und jede Tötung eines ungeborenen Menschen grundsätzlich als schweres Unrecht, als verboten definierte nicht in Scheiben geschnitten und abgestuft werden könne. Nicht zuletzt deshalb ist der Marsch für das Leben seit Jahren schon nicht mehr nur ein Marsch für das Lebensrecht der noch nicht geborenen Menschen, sondern eine Demonstration vieler Menschen aus allen Generationen für das Lebensrecht eines jeden Menschen, egal, in welchem Stadium seines Lebens er sich gerade befindet. Die Teilnehmer des Friedens-Marsches für das Leben in Berlin sind Anwälte des Lebens, Anwälte für eine Humanität, die allen (!) zugute kommt. Und davon kann es zumal in einer in Sprache und Denken reichlich verwirrten Zeit nicht genügend geben!
Aber: Es bleibt dabei, dass alles, was mit der Abtreibung zu tun hat, für viele ein echtes Tabuthema zu sein scheint. Und das in einer Gesellschaft, die sich doch immer wieder so stark gibt, als aufgeklärt und tabufrei empfunden zu werden! Es ist daher eigentlich sehr ehrlich und hilfreich aufklärend, wenn Wolfgang Bosbach von der CDU neulich in Köln erklärte, auch die Union wolle an dieses Thema nicht mehr ran. Verständlich, wenn man ausschließlich wahltaktisch denkt und handelt oder handeln muss. Aber ist das auch richtig? Ist das auch verantwortlich? Ist das, diese Frage stelle ich nur ganz leise, auch mutig?
Wenn die Volksvertreter sich nicht mehr trauen, wichtige Fragen des Lebens zu sehen, zu hören, zu benennen und zu behandeln, dann muss es eben das Volk selbst machen. Und daher habe ich das unausgesprochen längst bekannte Bekenntnis des angstvollen Schweigens, wovon übrigens Bosbach selbst nicht betroffen ist, auf der Kölner Veranstaltung dankbar als Anlass genommen, noch herzlicher einzuladen zum Marsch für das Leben. Und zwar zu einer Demonstration der Toleranz, des Friedens, der Friedfertigkeit und der Verantwortung stellvertretend für alle, die sich selbst nicht äußern können. Entweder noch nicht oder nicht mehr. Denn es gilt:
Gemeinsam für das Leben. Immer.
Besonders dankbar bin ich dem emeritierten Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner. Als er von einem Teilnehmer in Köln sehr engagiert gebeten wurde, dass doch bitte die Bischöfe auch in Deutschland so selbstverständlich mit all den anderen mitgehen sollten beim Marsch für das Leben wie in anderen Hauptstädten der Welt, wo Bischöfe vorneweg dabei sind und die Solidarität mit dem Leben öffentlich bezeugen, zeigte sich Meisner nachdenklich und sehr verständlich. Der Kardinal, der auf seine Weise unseren Marsch bereits kräftig unterstützte, unterstützt auch diese so logische Bitte und versprach, diese Erkenntnis in seinen Kreisen weiterzugeben. kath.net hat berichtet.
Nun weiß ich wohl, dass Bischöfe einen vollen Terminkalender haben. Der Verweis darauf gehört zu den häufigsten Absagegründen. Daher habe ich neulich einem Bischof vorgeschlagen, dass wir ihm die Termine für die kommenden zehn Jahre nennen werden, damit man rechtzeitig den jeweils dritten Samstag im Monat September blockieren kann für diese gemeinsame Aktion. Übrigens: Bisher haben wir auch stets mit langem zeitlichen Vorlauf auf den kommenden und den folgenden Marsch hingewiesen.
Ja, es ist an der Zeit, gemeinsam aufzutreten und gemeinsam Flagge zu zeigen für das Leben! Ganz im Sinne von Papst Franziskus, der das immer wieder und überall fordert und eine endlich realisierte Willkommenskultur wünscht. Im vergangenen Jahr hat Franziskus ausdrücklich unseren Marsch für das Leben unterstützt. Dafür waren wir alle sehr dankbar.
Das gemeinsame Zeugnis und Zeichen für das Leben würde übrigens auch jenen Vorwurf im Keim ersticken lassen, von dem ich weiß, dass ihn Bischöfe alles andere als gerne hören und der von ihren Beratern dann geradezu rückwirkend als Grund zur Absage herangezogen wird, weil er und das verstehe ich nur zu gut im Kern unberechtigt ist und dem bischöflichen Auftrag ohnehin unvereinbar wäre. Es ist der immer wieder vereinzelt gemachte Vorwurf, Bischöfe seien feige und trauten sich nicht, gegen den Mainstream den Glauben und die Wahrheit zu bekennen. Doch so etwas wäre in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Ich jedenfalls kann und will mir das nicht vorstellen. Zudem wissen sicher auch die Bischöfe, dass die Farben ihrer bischöflichen Kleidung Violett oder Rot ja beileibe keine Modefarben sind, sondern Auftragssignale. Ich bleibe dabei, die Bischöfe herzlich einzuladen zum Marsch für das Leben!
Und noch etwas: Manche, die so manchen etwas ins Ohr flüstern, scheinen das Gebot der Fairness nicht immer ganz ernst zu nehmen. Denn es wird so manchem Bischof purer Unsinn über den Marsch, den sie ja nur aus dem Erzählen kennen, berichtet. Da wird verleumdet, was das Zeug hält, und es wird über die Teilnehmer Wahrheitswidriges und Rufschädigendes getuschelt. Alles, um den echten und unverstellten Blick auf die zahlreichen Teilnehmer 2014 waren es mehr als 6000! zu verunmöglichen und zu verleumden. Denn diese sind im Unterschied zu den gewaltbereiten und intoleranten Gegnern des Lebensschutzes höchst friedfertig, sehr tolerant, freundlich und lebensbejahend. Wenn gar nichts mehr zu helfen scheint, holen Linksradikale die Keule des Rechtsradikalismus und extremer Färbung als Streubomben gegen das Leben und seine Anwälte hervor. Wer keine Argumente hat, wer sich vor der Logik des Lebens fürchtet und panische Angst vor Verantwortung zeigt, dem bleiben wohl nur die Mittel der Perfidie und der bösen Verleumdung.
So gesehen verstehe ich, dass Wissensphobie, Lebensphobie und Verantwortungsphobie zu irren Irritationen verführen. Aber auf Kosten friedfertiger Menschen, die nichts anderes tun, als das Normalste in Erinnerung zu rufen, dass nämlich jeder Mensch ein Recht auf Leben hat?
Den Bischöfen, denen offenbar gelegentlich die Keule der Verleumdung und Angstmacherei tröpfchenweise ins Ohr gegeben wird, kann ich deshalb Entwarnung geben: Die Teilnehmer des Marsches kommen aus der Mitte der Gesellschaft und aus der Mitte der Kirche und Glaubensgemeinschaften. Sie sind friedlich. Tolerant. Dort kann und sollte jeder Bischof, dem die Zeit für dieses Zeugnis wichtig und möglich ist, mitgehen.
Liebe Bischöfe, lassen Sie sich bitte nicht von den Falschen informieren! Geben Sie nicht den Gegnern des Lebens und des Lebensrechtes das Ohr, sondern denen, die wie Sie selbst davon überzeugt sind:
Jeder Mensch hat das Recht auf Leben!
Jeder Mensch verdient eine echte humane Willkommenskultur!
Jeder Mensch, ob noch nicht geboren oder alt, ist liebens- und lebenswert!
Unser gemeinsamer Einsatz ist keine Frage des Applauses, sondern der Wahrheit.
Allen, die am 19. September 2015 nach Berlin kommen und ein gemeinsames Zeichen für das Leben setzen, sage ich ein herzliches Vergelts Gott!
Ihr Martin Lohmann
Vorsitzender des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL)
Link zum Marsch für das Leben
Auch Papst Franziskus unterstützt den Marsch für das Leben: Papst verband sich mit den Teilnehmern des Marsches für das Leben 2014 im Gebet.
EWTN Reporter - Martin Lohmann auf dem Marsch für das Leben
Primas von Frankreich, Philippe Kardinal Barbarin (Lyon), beteiligte sich am Pariser ´Marsch für das Leben 2014´
Marsch für das Leben 2015 in Ottawa/Kanada - Unter den Sprechern auch der Vorsitzende der kanadischen Bischofskonferenz, EB Prendergast SJ
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