30. Juni 2015 in Kommentar
Man sei mir bitte nicht böse, wenn ich in diesen Tagen nicht die Regenbogenfahne schwinge. Doch meine Familie kennt Diskriminierung aus Erfahrung: Mein Sohn Nicolas hat Down-Syndrom. Gastbeitrag von Ursi Stewart
Hervey Bay/Queensland (kath.net/Blog anima mea) Meine Familie kennt es aus Erfahrung: es gibt Menschen, die anders sind. Nicolas, unser Sohn mit Down-Syndrom, ist anders. Er sieht anders aus als der Durchschnittsmensch. Er benimmt sich anders, kommuniziert anders.
Das wären ja an und für sich schon mindestens drei Gründe, sich diskriminiert zu fühlen. Einfach, nur, weil es so ist, wie es ist.
Dann gibt's da die Situationen, die sind menschengemacht. Wenn andere Kinder ihn anstarren. Wenn Erwachsene ihn anstarren. Wenn man gefragt wird, ob man denn vor der Geburt 'gewusst' hatte. Wenn man gesagt bekommt, dass 'solche Kinder ja besonders fröhlich sind' (Schubladendenken). Oder wenn manche Mütter meinen, sie müssten mich 'trösten', weil mein Kind so ist, wie es eben ist.
Noch mehr Gründe, dass sich nicht nur Nicolas, sondern die ganze Familie diskriminiert fühlen könnte. Einfach, weil Menschen das Anders-Sein eines Mitmenschen wahrnehmen und darauf verschieden reagieren.
Dann gibt's da die Situationen, die durch Umstände erzeugt werden. Wenn Nicolas in der Hüpfburg nicht mitspringen kann, weil er zu klein ist und die vielen anderen sich schnell bewegenden Kinder ihn erschrecken. Wenn Nicolas nicht mit anderen Kindern spielen kann, weil er sich nicht ausdrücken kann und die Kindern nicht mit ihm kommunizieren können. Wenn Nicolas einfach körperlich nicht fähig ist, allein auf einem Karussell mitzufahren und ihn andere anstarren, weil er mit der Mama am Pferd sitzt. Wenn Nicolas beim Spazierengehen einfach nach einer Weile müde wird, weil sein Herz und sein ganzer Körper eben nicht so gesund sind wie die anderer Kinder, und er daher im Kinderwagen sitzt mit seinen fast fünf Jahren. Nicht selten starren da manche, einige schütteln sogar den Kopf ob so viel 'Faulheit'.
Ja, da fühlt man sich schon mal als Mutter diskriminiert und vor allem traurig, dass man dem Kind diesen Spaß nicht ermöglichen und die Reaktion der Menschen ersparen kann.
Jetzt könnten wir natürlich groß jedes Mal 'Diskriminierung' schreien und von allen anderen Mitmenschen fordern, sich dementsprechend umzustellen und zu benehmen. Wir könnten die Hüpfburg-Betreiber wegen Diskriminierung verklagen, schließlich müsste man ja Kindern, die 'anders' sind, zumindest eine gewisse Zeit zugestehen, in der sie alleine und ungestört in der Hüpfburg spielen können, die anderen können ja draußen warten. Wir könnten die anderen Kinder auffordern, nur solche Spiele zu spielen, bei denen unser Nicolas mitmachen kann.
Ja, wir könnten so viel tun, um uns so richtig selbst leid zu tun und die anderen unsere Diskriminierung so richtig spüren lassen.
Und wäre Nicolas damit geholfen? Offensichtlich würden solch extreme Aktionen seiner Eltern ja noch mehr negative Aufmerksamkeit auf das Kind ziehen. Ja, es würde wahrscheinlich sehr viele geben, die uns applaudieren und zustimmen würden. Die uns unterstützen würden. Und ich zweifle nicht an deren ehrbaren Absichten und deren wahrhaftigem Wunsch, Gutes zu tun.
Aber gut wäre das alles trotzdem nicht. Denn Nicolas wäre dennoch diskriminiert. Durch 'gute' diskriminierende Aktionen. Er wäre dennoch anders und dieses Anders-Sein würde dennoch in vielen Situationen durchscheinen und Probleme bereiten.
Wirkliches Anders-Sein, so wie bei Nicolas, ist eine Lebenswirklichkeit. Eine unveränderbare Gegebenheit.
Die wirkliche Diskriminierung besteht in seinem Fall zum großen Teil in der Heuchelei der Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die so tut, als unterstütze sie alle Minderheiten, die aber im Endeffekt zustimmend nickt, wenn die Möglichkeit der Auslöschung der Minderheit gegeben ist. Einer Gesellschaft, die zulässt, dass jeder wegen allem 'Diskriminierung' schreien kann und somit die Bedeutung dieses Wortes in den Graubereich fallen lässt, dem Wort die Bedeutung letztendlich nimmt und somit mithilft, den wirklich Diskriminierten die Stimme zu nehmen.
Daher sei man mir bitte nicht böse, wenn ich in diesen Tagen nicht die Regenbogenfahne schwinge.
Ursi Stewart stammt aus Baden/Niederösterreich und lebt jetzt mit ihrem Ehemann Leo und ihren beiden Kindern im Osten Australiens. Sie führt den Blog anima mea) und gab kath.net vor einiger Zeit bereits ein Interview.
Fotos aus den ersten beiden Lebensjahren von Nicolas Stewart
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