Missbrauchs-Prozess gegen Ex-Vatikanbotschafter vertagt

12. Juli 2015 in Weltkirche


Staatsanwalt des Vatikanstaates wirft Wesolowski u.a. vor, in der Dominikanischen Republik mehrere Jungen im Alter von 13 bis 16 Jahren sexuell missbraucht zu haben, außerdem eine «enorme Menge» kinderpornografischen Materials besessen zu haben.


Vatikanstadt (kath.net/KNA) Der Prozess gegen den früheren Botschafter in der Dominikanischen Republik, Jozef Wesolowski (66), wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger vor einem vatikanischen Gericht ist am Wochenende kurz nach seiner Eröffnung vertagt worden. Wesolowski war am Samstag zum ersten Verhandlungstag nicht im Gerichtssaal erschienen. Der Vatikan teilte mit, der polnische Ex-Geistliche sei nach gesundheitlichen Beschwerden am Freitag kurzfristig in die Intensivstation eines römischen Krankenhauses gebracht worden. Wesolowskis Anwalt sagte am Samstag, sein Mandant sei zur Aussage bereit gewesen.

Der Prozess wurde nach rund sechs Minuten auf unbestimmte Zeit vertagt. Es ist das erste Mal, dass einem vormals ranghohen kirchlichen Würdenträger wegen sexuellen Missbrauchs vor einem weltlichen Strafgericht des Vatikanstaates steht.

Der Staatsanwalt des Vatikanstaates, Gian Piero Milano, wirft Wesolowski unter anderem vor, in der Dominikanischen Republik mehrere Jungen im Alter von 13 bis 16 Jahren sexuell missbraucht zu haben. In mindestens einem Fall soll dies in der Öffentlichkeit geschehen sein. Zudem wird Wesolowski beschuldigt, eine «enorme Menge» kinderpornografischen Materials besessen zu haben. Zum Strafmaß äußerte sich der Staatsanwalt nicht.

Nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe wurde Wesolowski im August 2013 von seinem Posten als Papstbotschafter in der Dominikanischen Republik abberufen. Nach einer ersten gerichtlichen Anhörung im Vatikan wurde er im September 2014 auf persönliche Anordnung von Papst Franziskus unter Hausarrest gestellt. Von einer Inhaftierung sah die vatikanische Justiz wegen seines schlechten Gesundheitszustands ab. Im Dezember 2014 wurde Wesolowski nach Ablauf der zulässigen Höchstdauer aus dem Hausarrest entlassen, muss sich seither aber weiter im Vatikan aufhalten.

Als früherer Diplomat des Heiligen Stuhls ist Wesolowski vatikanischer Staatsbürger. Daher muss er sich auch vor der weltlichen Gerichtsbarkeit des Vatikanstaats verantworten. Nach einem kirchenrechtlichen Prozess hatte der Vatikan ihn bereits im Juni 2014 in den Laienstand versetzt, also aller priesterlichen Rechte und Pflichten enthoben.

Der vatikanische Staatsanwalt verlas am Samstag eine Anklageschrift mit fünf Punkten. Neben sexuellem Missbrauch und Besitz von Kinderpornografie beschuldigt er Wesolowski, für «schwere psychologische Schäden» seiner Opfer verantwortlich zu sein. Weiter wirft er dem Angeklagten vor, mit seinem Verhalten «die Prinzipien der christlichen Religion und Moral» verletzt zu haben. Ein eigener Anklagepunkt, der sich auf kinderpornografisches Material bezieht, das auf zwei Computern in der Dominikanischen Republik gefunden wurde, ist der Kauf von «Sachen, die einem Verbrechen entstammen». Rechtliche Grundlage des Verfahrens ist das Strafrecht des Vatikanstaates. Seit 2013 ist der Besitz von Kinderpornografie darin ein eigener Straftatbestand.

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