19. August 2015 in Interview
Paul Badde im Interview mit Freie Welt über die bevorstehende Bischofssynode zum Thema Familie, über den sogenannten Franziskus-Effekt und über das, was ein Papst überhaupt verändern kann oder auch nicht.
Rom (kath.net/Freie Welt) Im Oktober wird im Vatikan über »Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute« beraten. Der Journalist Paul Badde ist sich sicher, dass das Glaubensgut der katholischen Kirche unangetastet bleibt.
FreieWelt.net: Bitte klären Sie mich über die Stellung einer Bischofssynode in der katholischen Kirche auf. Bis jetzt dachte ich, der Papst kann alles allein entscheiden
Paul Badde: Die Bischofssynode ist sehr, sehr wichtig, aber sie ist kein Konzil. Sie ist eine Versammlung von ausgewählten Bischöfen der ganzen Welt, die den Papst nach langen Debatten bei wichtigen und schwierigen Fragen der Pastoral beraten werden. Am Ende ihrer Beratungen werden sie ihm Empfehlungen geben, wie die Seelsorge in radikal veränderten gesellschaftlichen Bedingungen in der Praxis geändert werden kann und muss, ohne das christliche Glaubensgut zu vermindern oder zu verfälschen.
FreieWelt.net: Was hat sich denn »radikal verändert«?
Paul Badde: Der Zusammenbruch der religiösen Bildung zählt zum Beispiel zu den veränderten Rahmenbedingungen, der dazu geführt hat, dass nur noch ein Bruchteil der getauften Christen ihren Glauben überhaupt kennt und erklären könnte. Dazu zählt natürlich auch die Unkenntnis der Sakramente wie Taufe, Eucharistie, Ehe oder Priesterweihe. Dazu zählt auch die schlichte Tatsache, dass katholische Ehen zwar prinzipiell unauflöslich sind, aber trotzdem inzwischen zu einem großen Teil zerbrechen und von Zivilgerichten geschieden werden. Und dass viele dieser Geschiedenen danach mit neuen Partnern dennoch weiter in die Kirche und zu den Sakramenten drängen.
Ähnlich ist es mit der Haltung und Ablehnung der Kirche zu praktizierter Homosexualität, über die der katholische Katechismus sehr genau Auskunft erteilt. Doch inzwischen ist die so genannte Schwulen-Ehe in den USA erlaubt worden, und auch in Deutschland reden alle Medien schon lange nur noch von einer »Ehe« unter Schwulen, denen deshalb natürlich auch keine Kinder verwehrt werden können und so weiter. Das katholische Verständnis einer Ehe aber bleibt natürlich dennoch Lichtjahre von solchen Verbindungen entfernt. Auf diesem weiten Feld vom Verständnis der Ehe, der Familie und überhaupt der Geschlechter wird der katholische Katechismus im Grunde also jetzt schon als eine Art Untergrundliteratur wahrgenommen.
FreieWelt.net: Man hört ja immer wieder davon, dass Christen ihren Beruf nicht mehr nach ihren Überzeugungen ausüben können, sei es als Arbeitnehmer oder Unternehmer
Paul Badde: Ja, das ist leider so. Und der Tag ist sicher nicht mehr fern, wo es bei allen großen Gerichten der Welt Klagen hageln wird gegen die katholische Kirche, weil sie sich immer noch so beharrlich gegen den beherrschenden Zeitgeist sperrt. »Nach Auffassung der Genderideologie muss die christliche Zivilisation abgeschafft und eine neue Welt aufgebaut werden«, schreibt der schwarze Kurienkardinal Robert Sarah kurz und bündig in seinem jüngst erschienen Buch »Dieu o rien« (Gott oder nichts), und er untertreibt dabei nicht. Wie sollen sich die Pfarrer in dieser Situation aber heute und morgen konkret verhalten? Das ist nur eine der vielen Fragen, die auf der Synode behandelt werden.
Afrikanische Bischöfe erinnern an die unverkürzte Lehre der Kirche
FreieWelt.net: Doch was ist mit dem Papst?
Paul Badde: Darauf wollte ich gerade kommen als dem vielleicht wichtigsten Teil Ihrer Frage. Wenn Sie denken, der Papst könne »alles allein entscheiden«, geben Sie damit gleichzeitig auch ein Beispiel für den Zusammenbruch der Bildung über die Kirche, den ich oben erwähnte. Dafür können Sie nichts.
Der Papst kann einiges entscheiden, aber gar nichts an der Lehre der katholischen Kirche. Er kann kein einziges Dogma antasten. Er kann auch die Tradition der Kirche nicht aushebeln oder außer Kraft setzen, die nach katholischem Verständnis seit dem ersten Pfingstfest in Jerusalem in allen Auseinandersetzungen immer vom heiligen Geist angehaucht blieb. Der Papst kann deshalb die Lehre und Tradition der Kirche im Einklang mit allen Bischöfen in jedem Jahrhundert weiter entwickeln und manches immer noch einmal genauer formulieren doch nie in einem Gegensatz zu früher erkannten Glaubenswahrheiten. »Alle dürfen mehr als der Papst«, sagt der Philosoph Robert Spaemann. Das ist das Glück der Kirche, aber auch das Dilemma von vielen, viele Bischöfe eingeschlossen.
FreieWelt.net: Das vorbereitende Bischofstreffen von 2014 hat für einigen Wirbel gesorgt. Was ist da losgewesen?
Paul Badde: Da war offenkundig manches von dem, was ich vorhin ausgeführt habe, selbst bei manchen Bischöfen in Vergessenheit geraten. Andere unter ihnen dachten, nun sei die Stunde einer Revolution in der katholischen Kirche angebrochen obwohl Revolutionen dem Wesen der Kirche fremd sind. Doch da standen dann plötzlich und beispielsweise die Bischöfe aus Afrika auf, um ihre Mitbrüder aus den altehrwürdigen Kirchen des Westens an die unverkürzte Lehre und Tradition der römisch-katholischen Kirche zu erinnern.
FreieWelt.net: Könnte sich diese Unruhe auch auf die eigentliche Synode auswirken, die im Oktober 2015 stattfindet?
Paul Badde: Natürlich, jetzt werden alle realistischer in diese Synode hineingehen aber auch besser vorbereitet und nicht mehr so blauäugig, wie es noch im letzten Herbst der Fall war. Keins der verschiedenen Lager innerhalb der Kirche hat ihre jeweiligen Ziele aufgegeben. Viele träumen immer noch von einer Revolution. Die wird es aber mit Sicherheit nicht geben. Ich sagte es schon: Revolutionen sind dem Wesen der Kirche fremd. Viel eher müssen wir uns die Kirche wie eine Stiftung vorstellen, die dem Willen des Stifters verpflichtet bleibt. Der Stifter der Kirche ist Jesus Christus. Um seinen Stifterwillen wird gerungen werden müssen. Die Synode wird also auf jeden Fall sehr spannend werden und sicher zu einer größeren Klarheit bei vielen sehr wichtigen Fragen führen, die eine große Zahl von Katholiken betreffen.
FreieWelt.net: Die 2014er-Versammlung diente der Vorbereitung auf die Synode. Inwieweit wurden die Beratungen und Beschlüsse von ihr vorweggenommen?
Paul Badde: Vorweggenommen wurde da nichts. Die den Versuch unternommen haben, sind damit gescheitert. Die Konflikte vom letzten Herbst sind allen Bischöfen dennoch wohl bewusst. Sie lassen sich nicht wegzaubern. Viele dieser Konflikte werden sich auch nicht lösen lassen, auch nicht von einem neuen Konzil. Klar werden wird in diesem Prozess aber auch, dass die Kirche mit ihrem Glauben und ihren Wertvorstellungen mit den Standards und Vorstellungen der modernen Gesellschaft so wenig deckungsgleich ist wie sie es in der Zeit des heidnischen römischen Reiches war. Die Kirche kommt deshalb an der Herausforderung nicht vorbei, ihr ureigenes Profil wieder neu entdecken und missionarisch darstellen zu müssen. Dazu wird es gewiss bald kommen, wahrscheinlich schon auch in der Synode.
Das sechste Gebot ist immer noch dabei
FreieWelt.net: In verschiedenen Bistümern sind die einzelnen Gläubigen nach Ihrer Einschätzung des gegenwärtigen Standes der Ehe- und Familienpastoral gefragt worden. Die Fragen hatte der Papst den Bischöfen geschickt und konnten eigentlich nur von Experten sinnvoll beantwortet werden. Was haben sich die Bischöfe von der Aktion versprochen?
Paul Badde: Ich wünsche, diese Einschätzung wäre bei mir in Auftrag gegeben worden dann hatte ich sie den Bischöfen sehr viel billiger und schneller und ebenso genau oder noch genauer beantwortet und einen Haufen Geld damit verdient, wenn ich nur ein Prozent der Kosten hätte einstreichen können, die jetzt dafür ausgegeben wurden. Oder die Bischöfe hätten nur Henryk M. Broder dazu gefragt, von dem ich folgenden schönen Witz kenne: Moses kommt vom Berg Sinai herab und zurück zum Volk Israel, das ihn voll Spannung nach seiner Begegnung mit Gott erwartet. »Ruhe, Ruhe!« ruft er und hebt zwei steinerne Tafeln in die Höhe. »Ruhe! Ich komme mit einer guten und einer schlechten Nachricht zu euch zurück. Zuerst die gute: Ich habe IHN auf zehn Gebote runterhandeln können! Doch nun die schlechte: Das sechste Gebot ist leider immer noch dabei!«
FreieWelt.net: Haha!
Paul Badde: Ja, da lachen Sie zu Recht. Vielleicht sollten die Bischöfe danach ja auch einmal eine Umfrage in Auftrag geben, was ihre Gläubigen überhaupt noch von den Zehn Geboten vom Sinai halten und wie Sie damit umgehen sollen: etwa dem scheelen Blick auf das Gut und die Frau des anderen. Oder über die Lüge und so weiter. Die Umfrage erinnert mich deshalb auch an eine Schnapsidee, von wem auch immer sie stammen mag. Da wollte wohl irgendjemand besonders modern erscheinen. Der Glaube der Kirche lässt sich aber nicht per Volksbefragung ermitteln höchstens der Verlust des Glaubens.
FreieWelt.net: Immer wenn es um das Thema Sexualität geht, ist die Aufmerksamkeit groß und die Erwartungen sind es auch. Was empfehlen Sie interessierten Beobachtern? Mit welcher Grundeinstellung sollten Sie an das Treffen herangehen?
Paul Badde: Die menschliche Geschlechtlichkeit wirft Fragen auf, die über die Libido und reine Sinnlichkeit weit hinaus reichen. Nach dem Machtstreben ist die gegenseitige geschlechtliche Anziehung wohl der stärkste Trieb des Menschen. »Sex sells«, heißt es seit langem in den Medien. Wen will da wundern, dass über 60 Prozent des Datenverkehrs im Internet von der Pornobranche belegt ist. Über die Sexualität werden vitalste Fragen der Menschheit angesprochen. So wundert es nicht, dass über Fragen der Sexualität eine entscheidende anthropologische Debatte begonnen hat also über die Natur des Menschen. Wer wir sind und was wir sind.
Der Kirche ist das nicht neu. Darum hat sie sich auch schon unter Papst Paul VI. quer zum Zeitgeist der sechziger Jahre gestellt, als gerade die Pille auf den Markt kam. Damals war vor allem die Haltung der Kirche zur Verhütung und Abtreibung aktuell davon betroffen. Erst jetzt, in diesen Tagen, können wir deshalb vielleicht endgültig erkennen, wie prophetisch die so oft verspottete Enzyklika »Humanae vitae« Papst Paul VI. aus dem Jahr 1968 war wenn wir uns heute die Videos anschauen, in denen in Amerika Agenten der Abtreibungsindustrie ihren Kunden Körperteile der Föten wie nach einer Preisliste verkaufen. Wie in einem gigantischen Metzgerladen jedoch mit den Weichteilen unserer eigenen Kinder. Es ist die Hölle.
Den Franziskus-Effekt gibt es nur in den Medien
FreieWelt.net: Man weiß zwar nie, was am Ende herauskommt, aber ich bitte dennoch um eine Prognose, die innerhalb eines begrenzten Erwartungshorizonts ja durchaus sinnvoll ist.
Paul Badde: An der Lehre der Kirche und ihrem Glaubensgut, dem »depostitum fidei«, wird kein Jota geändert werden.
FreieWelt.net: Welche praktischen Folgen wird die Synode haben?
Paul Badde: Da sieht die Sache anders aus. Das weiß bisher nur Gott allein. Selbst der Papst kann das jetzt noch überhaupt nicht wissen.
FreieWelt.net: Welchen Einfluss hat der Franziskus-Effekt?
Paul Badde: Gute Frage nächste Frage. Doch im Ernst, welchen Effekt meinen Sie? Die Kirche in Deutschland zum Beispiel wird immer reicher und immer leerer. Das aber hat mit Papst Franziskus überhaupt nichts zu tun. Der so genannte Franziskus-Effekt, den Sie ansprechen, geht also in Deutschland zumindest, aber auch in vielen anderen Ländern des Westens am Leben der Kirche vorbei. Es ist ein Medien-Effekt, aber kein Effekt im Leben der Kirche.
Das können Sie sehr leicht an einem Beispiel der jüngsten Tage sehen. Anfang August sagte der Papst in einer Mittwochsaudienz, dass Geschiedene nicht exkommuniziert seien. Das hatte bisher aber auch noch niemand jemals behauptet. Natürlich gehören sie weiter zur Kirche. Auch Geschiedene gehören weiter zur »Communio«, das heißt zu der Gemeinschaft der Kirche. Auch wenn sie inzwischen mit einem neuen Partner zusammenleben, was de facto aber auch heißt, dass sie in einem Status des permanenten Ehebruchs leben. Sie sind Sünder. Doch Sünder sind wir alle. Ob verheiratet oder geschieden. Ob hetero- oder homosexuell. Aus der Gemeinschaft der Kirche werden wir deshalb nicht ausgestoßen. Das hieße: Wir würden und wären exkommuniziert. Etwas anderes heißt es nicht. Zu den Sakramenten ist aber keine und keiner zugelassen, die oder der im Zustand der Todsünde lebt. Zu den so genannten Todsünden zählt zum Beispiel auch der Ehebruch.
Doch nun gab es natürlich gleich wieder Stimmen, die das Zitat des Papstes und diesen Begriff der Exkommunikation mit der Zulassung geschiedener wiederverheirateter Personen zur Kommunion verknüpft haben, auf die der Papst damit habe anspielen wollen, aus welchen Motiven auch immer. Die also die Begriffe »Exkommunikation« und »Kommunion« zusammen schraubten, weil sie ja irgendwie verwandt klingen. Es sind aber nur falsche Hoffnungen, die damit geweckt werden. Davon hat der Papst überhaupt nicht gesprochen. Es wird nach der Synode keine andere Kirche geben. Ausgeschlossen. Wäre es anders, würde die Kirche sich wieder spalten. Das wird Papst Franziskus nicht zulassen. Es wird in der Synode aber wieder bekannt gemacht werden, was das überhaupt ist: eine katholische Ehe und ihre Sendung.
FreieWelt.net: Danke für das Interview.
Paul Badde (Foto) ist Herausgeber, Autor und Journalist in Rom, lange Zeit für Die Welt in Berlin, und seit wenigen Jahren Korrespondent des Senders EWTN. Er hat mehrere Bücher verfasst, von denen »Maria von Guadalupe« und »Das Göttliche Gesicht« Bestseller geworden sind.
EWTN-Interview: Paul Josef Kardinal Cordes - Interviewer Paul Badde - Teil 1
Foto Paul Badde (c) kath.net/Paul Badde
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