25. Mai 2003 in Weltkirche
Ein Vortrag von George Weigel in Charleston, South Carolina
USA (kath.net/Zenit.org)
Es folgt ein Vortrag von George Weigel bei einem diözesanen Treffen in Charleston, South Carolina, das sich an die Chrisammesse dieser örtlichen Kirche am 15. April anschloss. Sein Thema war die Bedeutung des Priestertums in einer erneuerten und neu belebten Kirche heute.
Der Priester: Ikone Christi, Ermöglicher der Heiligkeit
Von George Weigel
Seit nun ungefähr 16 Monaten pflegen wir, wenn wir von Kirche sprechen, von ihrer Krise zu sprechen. Die vom sexuellen Missbrauch durch Geistliche und von falschen bischöflichen Entscheidungen verursachte Krise ist für mich, der ich mich wissenschaftlich mit der katholischen Kirche der Vereinigten Staaten beschäftigt habe, die größte Krise in der Geschichte der Kirche in Amerika. Sie ist es deswegen, weil sie an Wahrheiten rührt, die zum innersten Wesen der Kirche gehören, zu ihrer Struktur und “Verfassung”, die uns von Christus selbst gegeben wurde.
Deswegen ist es sehr wichtig, sich daran zu erinnern, dass das Wort “Krise” in der Gedankenwelt der Bibel zwei Bedeutungen hat. Die erste stellt den uns vertrauten Sinn des Wortes dar: eine “Krise” ist eine unheilvolle Zerrüttung, ein Zerbrechen dessen, was fest und sicher schien. Und wir haben sicherlich in diesen vergangenen 16 Monaten eine “Krise” in diesem Sinn erlebt. Aber die Welt der Bibel sieht die “Krise” auch als Möglichkeit, als Chance: ein Moment, der in sich die zukünftige Möglichkeit einer tieferen Bekehrung trägt. Wenn die Krise als Unheil zur Krise als Chance in der katholischen Kirche in Amerika werden soll, dann müssen wir erkennen, dass den innersten Kern der Krise eine Krise der Jüngerschaft bildet; eine Krise der Glaubenstreue. Und das einzige Mittel gegen eine Krise der Treue ist ... Treue.
Jede Krise in der katholischen Geschichte ist durch eine Unzulänglichkeit der Heiligen, durch ein Defizit an Heiligkeit verursacht. Weil jeder Christ durch die Taufe zur Heiligkeit berufen ist, berührt diese Dimension der Krise uns alle, die wir zur Gemeinschaft der Getauften gehören. Wir alle haben eine Verantwortung, dabei zu helfen, aus der Unheilskrise eine Krise als Chance zu machen. Wenn wir diese Verantwortung ausüben wollen, müssen wir alle, gleich in welchem christlichen Lebensstand wir leben, unser Gewissen prüfen und darüber nachdenken, ob wir durch und durch, zielbewusst und radikal ein christliches Leben der Jüngerschaft führen, indem wir alles auf den Herren setzen, indem wir jeden Tag daran denken, dass es sein Königreich ist, um dessen Kommen wir beten und seine Kirche, in der wir dienen.
Die Szene im Evangelium mit Jesus und Petrus auf dem See von Genezareth kann uns hier helfen. Wenn Petrus seine Augen fest auf den Herrn richtet, kann er tun, was unmöglich zu sein scheint, kann er auf dem Wasser gehen. Wenn er seinen Blick von Christus abwendet und beginnt, anderswo seine Sicherheit zu suchen, sinkt er. Auch wir können das scheinbar Unmögliche tun, wenn wir unseren Blick fest auf Christus richten. Wenn wir anderswohin blicken, sinken wir. Das trifft in gleicher Weise für die Kirche wie für einzelne Christen zu. Und deswegen ist Heiligkeit die Antwort auf die heutige katholische Krise.
Was ist Heiligkeit? Heiligkeit lebt in der Wahrheit, sie lebt in der Wahrheit über den Zustand des Menschen, der durch Christus offenbart worden ist. Wenn wir in dieser Wahrheit leben, werden wir zu der Art von Menschen, die mit Gott für immer zusammen leben können. Deswegen sagte der Heilige Vater, als er zu den Kardinälen der Vereinigten Staaten, - in dieser Woche ist es genau ein Jahr her - , sprach, dass die heutige Krise aus dem Versäumnis erwachsen ist, die Fülle der katholischen Wahrheit zu leben und zu lehren. Wenn wir es versäumen, die Wahrheit zu lehren und sie zu leben, wenn wir an die Stelle dessen, was Christus, die Wahrheit, der Weg und das Leben, offenbart hat, etwas setzen, von dem wir denken, dass es unsere Wahrheiten sind, leben wir nicht als die Heiligen, die zu sein wir berufen sind -- als die Heiligen, die wir sein müssen, wenn wir ewig glücklich bei Gott leben sollen.
Und das bedeutet seinerseits, dass es keine ‚Reform‘ der Kirche ohne Bezug zur ‚Form‘ geben kann. Und die ‚Form‘ (Gestalt) der Kirche ist von Christus begründet, nicht von uns. Die Kirche gehört Christus, nicht uns. Wir erschaffen die Kirche nicht; noch ist sie das Werk unsere christlichen Vorfahren; oder das der Theologen, pastoralen Berater oder gar der Spender für den jährlichen Fonds der Diözese. Die Kirche war, ist, und wird immer von Christus geschaffen sein, der gerade das, worauf es ankommt, unterstrich als er seinen Jüngern sagte, “Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt” (Joh. 15,16).
Am Tag der Chrisammesse ist es über Jahrhunderte üblich, über diesen besonderen Teil der von Christus vorgegebenen Gestalt der Kirche nachzudenken, über das Amtspriestertum. Und so erlauben Sie mir einige Gedanken über die Priester und das Priestertum.
Als in den ersten Monaten des Jahres 2002 eine Skandalwelle nach der anderen über die Katholische Kirche in den Vereinigten Staaten hereinbrach, wurde häufig darauf hingewiesen, wenn auch nicht immer gehört oder berichtet, dass es Zehntausende guter, treuer Priester in Amerika gibt, Männer, die ihren Gelübden, die sie feierlich am Tag ihrer Priesterweihe abgelegt haben, treu geblieben sind und ihr Leben ganz dem Dienst für Christus und die Kirche weihen. Das ist richtig. Auf diese Tatsache des heutigen katholischen Lebens hinzuweisen, ist nicht, wie einige glauben machen wollen, eine Ausflucht vor harten Wahrheiten, denen man sich stellen muss und angesichts derer man handeln muss. Zumindest muss es keine Ausflucht sein.
Die Tatsache priesterlicher Treue ist genauso Teil der heutigen Geschichte der katholischen Kirche wie die Tatsache des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche und des verantwortungslosen Handelns von Bischöfen. Die Treue so vieler Priester ist eine große Gnade. Sie ist auch eine unermesslich große Hilfe für die Reform des Priestertums, die unerlässlich ist, wenn die heutige Krise zur Chance für eine echt katholische Reform werden soll. Diese Reform kann nicht darin bestehen, das katholische Priestertum in eine Nachahmung der verschiedenen Arten von geistlichen Ämtern, die sich in anderen christlichen Gemeinschaften finden umzuwandeln. Reform des katholischen Priestertums kann nicht heißen, dass man katholische Priester anglikanischen, lutherischen, presbyterianischen, methodistischen, kongregationalistischen oder unitaristischen Geistlichen ähnlicher macht. Es kann nur eine Reform sein, in der die katholischen Priester intensiver, zielbewusster und offenkundiger katholisch werden.
Zwar hat das sexuelle Fehlverhalten von Geistlichen so viele Gründe, wie es komplexe menschliche Persönlichkeiten gibt, aber die dem sexuellen Missbrauch durch Priester zu Grunde liegende Realität ist der Unglaube. Ein Mann, der wirklich glaubt, dass er das ist, was die Katholische Kirche lehrt -- dass ein Priester eine lebendige Ikone, eine Re-Präsentation des ewigen Priestertums Jesu Christi, des Sohnes Gottes, ist -- verübt keinen sexuellen Missbrauch. Das kann er nicht. Gewiss, er sündigt. Er ist ein irdenes Gefäß, das einen großen übernatürlichen Schatz in sich trägt. Er mag eine wenig begeisternde Predigt halten. Die Lieder, die er für die Sonntagsmesse auswählt, mögen schrecklich sein. Er mag als Ratgeber manchmal ungeschickt sein. Aber er benutzt sein priesterliches Amt nicht dazu, Minderjährige zu verführen und sexuell zu missbrauchen. Noch lässt er sich auf eine andere Form sexuellen Fehlverhaltens ein.
Die Katholische Kirche lehrt seit jeher, dass das, was der Priester ist, das möglich macht, was er am Altar, im Beichtstuhl, auf der Kanzel, am Bett eines sterbenden Gemeindemitglieds tut. Ironischer- ja paradoxerweise wird die Wahrheit dieser Lehre durch den Skandal des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche verdeutlicht. Wenn ein Mann nicht glaubt, dass das, was er auf Grund seiner Priesterweihe ist, das ewige Priestertum Christi in der Welt gegenwärtig macht, dann können seine Begierden seine Persönlichkeit überwältigen und ein Leben, das zu einer radikalen Selbsthingabe bestimmt war, kann sich in eine perverse Selbstbehauptung verwandeln, in der sein priesterliches Amt ein Werkzeug der Verführung wird.
Priester werden zu solchen gemacht, nicht als solche geboren. Obwohl sich sein Jüngersein im Laufe seines priesterlichen Dienstes vertiefen muss, muss ein Mann bereits ein von Grund auf bekehrter Jünger Christi sein, bevor er Priester sein kann. Jüngerschaft ist die Voraussetzung für das Priestertum. Ein christlicher Jünger ist jemand, dessen Leben von der Überzeugung geprägt ist, dass auf das Kreuz Christi zu blicken, bedeutet, auf die zentrale Wahrheit der Menschheitsgeschichte zu blicken: die Liebe Gottes zur Welt, die so groß war, dass Gott seinen Sohn für ihre Erlösung hingab. In dieser Überzeugung wird ein Mann, der zum Priester geweiht worden ist, ein “alter Christus,” ein zweiter Christus, ein weiterer Zeuge der Wahrheit, dass Gott für die Menschheit eine Bestimmung hat, die über alles hinausgeht, was wir uns vorstellen können: ewiges Leben im Licht und in der Liebe der Heiligen Dreifaltigkeit.
Deswegen hat Papst Johannes Paul II. während seines ganzen Pontifikates immer wieder nachdrücklich betont, dass es beim Priestertum um einen Dienst geht, nicht um Macht. Das Amtspriestertum nährt und stützt die Teilhabe und Zusammenarbeit aller Glieder des mystischen Leibes Christi im Leben und in der Arbeit der Kirche. Anders ausgedrückt, der Priester muss überzeugt sein, dass die Geschichte, welche die Kirche erzählt, nicht bloß die Geschichte der Kirche ist. Es ist die Geschichte der Welt, in ihren wahren Dimensionen verstanden.
Ein Priester muss glauben, dass das, was der Katholizismus der Welt anbietet, nicht bloß ein weiteres Markenprodukt in einem Supermarkt von “Spiritualitäten” ist sondern die Wahrheit über sie selbst, ihre Ursprünge und ihre Bestimmung; nicht eine Wahrheit, die wahr “für Christen” ist, oder eine Wahrheit, die wahr “für Katholiken” ist, sondern die Wahrheit. Der Katholische Priester, der ein aufrichtig bekehrter Christ ist, versteht voll und ganz, dass Wahrheit in dieser Welt aus vielen Quellen hervorgeht, auch aus anderen christlichen Gemeinschaften, anderen Weltreligionen und aus der Welt der Wissenschaft und der Kultur. Der aufrichtig bekehrte katholische Priester versteht auch, dass all diese anderen Wahrheiten zu der einen Wahrheit hin tendieren, die Gott selbst ist, der Gott und Vater Jesu Christi. Das ist es, wofür er der Welt Zeugnis gibt.
Durch seine Priesterweihe und sein Zölibatsgelübde ist der katholische Priester abgesondert von der Welt, um der Welt willen. In einer Kultur wie der unseren ist sein Leben ein Zeichen des Widerspruchs zu vielem von dem, was die Welt für wahr hält. Der Priester ist jedoch kein eigensinniger Widerspruchsgeist. Sein Anderssein ist nicht Selbstzweck, er frönt damit nicht einer persönlichen Neigung. Der Priester ist ein Zeichen des Widerspruchs, damit die Welt die Wahrheit über sich selbst lernen und sich bekehren kann. Die radikale Offenheit für den Dienst an den anderen, die im Leben eines glücklichen, heiligen Priesters sichtbar und spürbar sein soll, ist ein lebendiger Anschauungsunterricht für die Welt dafür, dass für den Menschen die Selbsthingabe, nicht die Selbstbehauptung, der Königsweg zu gesundem Gedeihen ist.
Der Gehorsam des Priesters gegenüber den Glaubenswahrheiten und die befreiende Macht, die in ihm die Fähigkeit freisetzt, ein Mensch für andere zu sein, erinnert die Welt daran, dass die Wahrheit zugleich bindet und befreit. In Integrität gelebt, ist der Zölibat des Priesters ein mächtiger Zeuge der Wahrheit, dass es Dinge gibt, nach denen sich zu sehnen, ja für die zu sterben es sich lohnt, und dazu gehört das-sich-selbst-Absterben. Der Verzicht des Priesters auf das Gut der ehelichen Gemeinschaft und der leiblichen Vaterschaft ist eine Erinnerung daran, dass diese zwei Dinge in der Tat gut sind, und sollte in ihm eine echte und großzügige geistliche Vaterschaft ermöglichen.
Indem er die Wahrheiten des katholischen Glaubens lehrt, seine Gläubigen durch die Sakramente heiligt und diesen Teil des Volkes Gottes, das seiner Autorität als Hirte anvertraut ist, recht führt, ermöglicht der katholische Priester es Männern und Frauen, Heilige zu werden, die Art von Menschen zu werden, die mit Gott ewig leben können.
All dies soll Männer und Frauen auf ein ewiges Leben in vollkommener Gemeinschaft miteinander und mit Gott vorbereiten. Es soll Heilige besser dazu ausstatten, mit Gott beim Hervorbringen von Heiligen zusammenzuarbeiten. Dafür ist ein katholischer Priester da. Deswegen und auf diese Weise hebt die geweihte Priesterschaft das priesterliche Volk Gottes empor und veredelt es. Und deswegen muss ein katholischer Priester sich als das verstehen, was er ist: eine lebendige Ikone des ewigen Priestertums Christi, und er muss sein Leben, in all seinen Facetten, dieser Ehrfurcht gebietenden Wahrheit gemäß führen.
Vor mehr als sechs Jahrzehnten sprach Pater Karl Rahner, einer der theologischen Architekten des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor einer Versammlung von Priestern an dem Tag, an dem sie ihre Gelübde an Christus und die Kirche erneuerten. Pater Rahners Worte sind heute so aktuell, wie sie es damals waren.
Ich gebe sie hier leicht paraphrasiert wieder, als ob er, ein Mitpriester, zu Ihnen reden würde, zu den Priestern, die Sie heute die Gelübde Ihres Weihetages erneuert haben; als ob er durch seine Mitpriester alle von uns ansprechen würde, indem er uns dazu aufruft, diese Brüder, die zum Dienst der Kirche geweiht worden sind, zu stärken:
“Liebe Väter: Diese Erneuerung unserer Gelübde ist Gottes Werk an Ihnen. ... Der Geist, der über sie am Tag ihrer Priesterweihe ausgegossen wurde, ist hier mit Ihnen in dieser Stunde der Erneuerung Ihrer Gelübde. Er möchte sich selbst noch inniger schenken. er möchte all die verborgenen Kammern Ihrer Herzen füllen, er möchte die ganze Strecke Ihres Lebens leben.
“Dies ist der Geist des Vaters und des Sohnes: der Geist der Wiedergeburt und der göttlichen Sohnschaft der Menschen; der Geist, der auch Herr dieses Zeitalters ist; der Geist, der die Welt in ein großes Opfer des Lobes für den Vater verwandelt, so wie Sie durch seine Macht Brot und Wein in den Leib und das Blut des einen heiligen Opfers verwandeln; dies ist der Geist, der Zeugnis gibt für Christus, der Geist, der die Welt der Sünde überführt, der Geist der Gerechtigkeit und des Gerichts; der Geist der Stärke und des Trostes; der Geist, der die Liebe Gottes in Ihre Herzen gießt und der Geist des Gelöbnisses und der ersten Früchte des ewigen Lebens; der Geist, der neues Lebens aus Sünde und Finsternis erweckt, und der sogar die Sünde in seine Barmherzigkeit einschließt; der Geist, dessen Früchte Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Milde, Güte, Treue, Sanftmut und Keuschheit sind; der Geist der Freiheit und des mutigen Vertrauens; der Geist, der alles verwandelt und der alles in den Tod führt, weil er die Unendlichkeit des Lebens ist und sich niemals in der eingefrorenen Form eines endlichen Lebens, das nicht weiter strebt, ausruhen kann, der Geist der inmitten von Änderung und Verfall, ewig und ruhig der gleiche Geist bleibt; der Geist des Priestertums Jesu Christi, der die hilflosen Worte menschlicher Predigt in das Wort und das Handeln Gottes transformiert; der Geist der Vergebung auf Erden zur Aussöhnung im Himmel werden lässt; der Geist, der Ihre priesterlichen Handlungen in Christi Sakramente verwandelt.
“Dieser Geist ist der Geist des Tages Ihrer Priesterweihe; dieser gleiche Geist ist der Geist der Erneuerung Ihres Gelöbnisses und Ihres Priestertums. Wenn Sie ihm erlauben, in seiner ganzen Fülle in Ihr Leben zu treten, wird alles, was Sie sind und tun und erleiden, in ein priesterliches Leben konsekriert werden. Denn dieser gleiche Geist sah und liebte alles an dem Tag Ihrer Priesterweihe; deswegen kann nichts dem umwandelnden Feuer der Liebe des Geistes in Ihrem Leben widerstehen, wenn Sie ihm nur Raum geben, wenn Sie nur sagen: Weihe, Du, o Gott, mich heute neu.”
In der Mitte der 30iger Jahre, als die Schatten des Totalitarismus über Europa länger wurden, sagte Papst Pius XI. die denkwürdigen Worte: “Wir wollen Gott danken, dass er uns inmitten der gegenwärtigen Probleme leben lässt. Keiner darf mehr mittelmäßig sein. Dieser Ausspruch, ein Lieblingswort von Dorothy Day, könnte auch unser Losungswort in den bevorstehenden Monaten und Jahren sein, während wir bei der großen Aufgabe einer authentischen katholischen Reform zusammenarbeiten. Die Last der katholischen Kirche ist die Mittelmäßigkeit. Das Wagnis des wahren Glaubens, das erhabene Abenteuer christlicher Glaubenstreue wieder zu entdecken und es anzunehmen, ist der Weg aus der Krise zu einer authentischen katholischen Reform.
Wir alle versagen, manchmal schwer. Das ist kein Grund, die Messlatte für das, was wir erhoffen und erreichen wollen, herabzusetzen. Wir bemühen uns um Vergebung und Aussöhnung und machen einen neuen Anfang. Wenn wir die Messlatte des spirituellen und moralischen Anspruchs herabsetzen, erniedrigen wir den Glauben und uns selbst. Die Katholiken von heute sind fähig zu spirituellem und moralischem Adel und wollen wirklich zu dieser Größe gerufen werden. Das meint das Zweite Vatikanische Konzil, wenn es sagt, dass alle in der Kirche zur Heiligkeit berufen sind (Lumen Gentium Nr. 40). Und sie ist für uns alle in der Kirche erreichbar, welche Fehlschritte die Institution der Kirche auch tut.
Heiligkeit ist erreichbar. Und Heiligkeit ist das, was die Unheilskrise in eine Krise der Chance umwandeln wird. In dem universellen Ruf zur Heiligkeit, und in der großzügigen Antwort darauf, die wir in Zukunft geben können, liegt die Zukunft einer authentisch katholischen Reform. Also, sagen wir es noch einmal: “Wir wollen Gott danken, dass er uns inmitten der gegenwärtigen Probleme leben lässt. Keiner darf mehr mittelmäßig sein.”
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