24. August 2015 in Kommentar
Das avencierte zur Topnachricht: Fast kein Katholik teilt mehr die vor allem moraltheologischen Lehren der Kirche Bischof Bode muss diese Dokumente des Scheiterns der Bischofssynode vorlegen. kath.net-Kommentar von Peter Winnemöller
Münster (kath.net) Bis in die Hauptnachrichten im Fernsehen hat es die Umfrage geschafft. Ein Streiflicht der Süddeutschen hat versucht, sie auszuleuchten. In allen Gazetten fanden sich die natürlich interessengeleitet interpretierten Ergebnisse auf den vorderen Seiten. Die Topnachricht war die erschütternde Erkenntnis, dass fast kein Katholik mehr die vor allem moraltheologischen Lehren der Kirche teilt.
Das «Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften» (GESIS) und die Katholisch-Theologische Fakultät der Uni Münster hatten das Ergebnis einer Umfrage veröffentlicht, in der 10.000 Katholiken aus insgesamt 40 Ländern befragt worden waren. Allein 8.000 Katholiken aus Deutschland waren darunter. Repräsentativ «im technischen Sinn» sei die Umfrage allerdings nicht, hieß es.
Demnach befürworteten 87 Prozent der deutschen Befragten die Einführung des Diakonats der Frau. 72 Prozent gaben künstlichen Verhütungsmethoden vor natürlicher Empfängnisverhütung den Vorzug. Mehr als 85 Prozent sprachen sich für die Abschaffung des Pflichtzölibats für Priester aus. Auch die Anerkennung und Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften findet bei 70 Prozent der deutschen Katholiken Zuspruch. Bei der Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare auch kirchlich heiraten dürfen, zeigte sich dagegen «kein klares Bild». So meldete es die KNA.
Soll oder kann man sich über solche Zahlen wirklich erschrecken, wenn man einen klaren Blick auf die Kirche in unserem Land wirft? Wohl kaum. Zwar ist die Studie nicht repräsentativ und damit wissenschaftlich im Grunde wertlos, dennoch lassen sich aussagekräftige Trends auch so ablesen. Der Bischof von Osnabrück, Franz-Josef Bode, werde als Teilnehmer der Familiensynode im Oktober in Rom diese Zahlen in die Diskussion auf der Synode einbringen, so die KNA. Er darf sich einer besonderen Form der Begeisterung der Synodenväter sicher sein, ein solches Dokument des Versagens vorstellen zu müssen.
Erschrecken über diese Zahlen sollten im Grunde alle, die Verantwortung für Religionsunterricht und Katechese tragen. Seit über 40 Jahren werden wesentliche Inhalte der kirchlichen Lehre im Grunde nicht oder nur stark relativiert gelehrt. Das ist ein offenes Geheimnis und keineswegs eine Überraschung. Eine erdrückende Mehrheit der getauften und zum größten Teil wohl auch gefirmten Katholiken hatte nie eine Chance, diese und andere Inhalte des Glaubens der Kirche überhaupt zu lernen.
Natürlich ist es eine Binsenweisheit, dass Katechese und Religionsunterricht keinen Glauben generieren können. Niemand wird das ernsthaft behaupten. Für den persönlichen Glauben muss der Mensch selber sich dem Anruf Gottes öffnen und in seinem Leben auf diesen antworten. Der Kirche obliegt es nicht den Menschen zum Glauben zu zwingen, ganz im Gegenteil. Es ist die Aufgabe der Kirche, den Menschen zu einer reifen und freien Entscheidung zu führen. Solch eine freie Entscheidung, auf den Ruf Gottes zu hören fällt aber nun gerade mal nicht vom Himmel. Sie kann dann wachsen, wenn der Mensch Kenntnis davon erlangt, was Gottes Wille ist. Er hat es uns gesagt, indem er sein ewiges Wort in die Welt gesandt hat.
Nicht umsonst heißt es in Matthäus am Letzten, wie der Volksmund den Taufbefehl Jesu etwas schnodderig nennt, die Apostel sollten alle Menschen unterweisen. Es obliegt den Hirten der Kirche als Nachfolger der Apostel eben nicht, durch kulturell etablierte Kindstaufe eine möglichst stabile Anzahl an Kirchensteuerzahlern zu generieren. Der Lehrbefehl Jesu steht im gleichen Rang wie der Taufbefehl.
Wie wird diesem Lehrbefehl in unserem Land nachgekommen? Nun ist es müßig und würde den Rahmen eines Kommentars sprengen, eine genaue Untersuchung dazu vornehmen zu wollen. Es gibt reichlich Material dazu, so dass jeder das Ergebnis solcher und ähnlicher Umfragen hätte vorhersagen lassen können. Religionsstudien über den Glauben, Unglauben und Aberglauben der Menschen im Lande sind Legion. Der Tenor ist immer derselbe. Es sind ja nicht nur die im Grunde sekundären Inhalte des Glaubens wie die Moral, die von den Menschen abgelehnt werden. Zentrale Inhalte des Glaubens werden von Katholiken nicht mehr geteilt. Da geht es dann um fundamentale Inhalte des Glaubens. Längst ist der Glaube auch in den Kernthemen so individualisiert wie unser gesamter Lebensstil.
Es ist nichts anderes als ein Akt der Entfremdung, der in den vergangenen Jahren stattgefunden hat. Immer wieder zeigen die Umfragen, dass man durchaus in einer kritisch wertschätzenden Distanz zur Kirche steht, die einem trotz Zugehörigkeit durch die Taufe nichts desto weniger zu tiefst entfremdet ist. Wer einen Freund oder Verwandten ungefähr alle 10 Jahre einmal flüchtig begegnet, muss sich nicht wundern, wenn dieser einem zunehmend fremder wird. Findet kein Leben in und mit der Kirche statt, so nimmt auch die Entfremdung dieser gegenüber schleichend zu. Sie zu einem Fremdkörper im Leben und man nimmt sich selber gar nicht mehr als Teil der Kirche wahr.
Mangelnde Katechese und Unterweisung in den Kernfragen unseres Glaubens und mangelndes Leben in und mit der Kirche bewirken letztendlich die völlige Entfremdung. Mögen sich auch Kermit und Miss Piggy mit Mediengetöse getrennt haben. Die Trennung der Katholiken von ihrer Kirche geht schleichend vonstatten. Mediengetöse entsteht erst dann, wenn die Gesellschaft verlangt, dass die Kirche sich doch gefälligst den geänderten Lebenswirklichkeiten der von ihr entfremdeten Menschen anzupassen hat.
Die Kirche kann das nicht und muss der Gesellschaft dann ehrlich eingestehen, dass ihre Lehre nicht menschengemacht und nicht veränderbar ist. Mögen auch einzelne Hirten in diesen Tagen den Eindruck erwecken, man könne vielleicht doch ein paar Stellschrauben neu justieren. Diese vollmundigen Versprechen an den Zeitgeist müssen an der überzeitlichen Wirklichkeit der Kirche dramatisch zerschellen.
Der Niedergang der Kirche in Westeuropa und eben auch in Deutschland findet seinen Widerpart in den aufstrebenden jungen Kirchen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens. Die delegierten Bischöfe aus diesen Ländern werden sicher mit Erschrecken aber auch mit brüderlicher Zuwendung die westeuropäischen Dokumente dramatischen Scheiterns zur Kenntnis nehmen. Die Kirche ist eine durch die Einheit der Bischöfe mit dem Bischof von Rom. Sie ist in ihrer weltlichen Dimension universal und in ihrer übernatürlichen Dimension göttlichen Ursprungs. In der daraus erwachsenden Verantwortung werden sich die Synodenväter eben auch eines Sorgenkindes wie Deutschland ehrlich annehmen müssen.
Niemand mache sich Illusionen: Die Versäumnisse von mehr als 40 Jahren lassen sich nicht in den drei Wochen einer Synode aufholen. Doch die Synode und die Zeit danach könnten einen Impuls zu Umkehr geben. Die ungekürzte Verkündigung des Glaubens auf allen Ebenen der Kirche auch in unsrem Land zu erneuern, wäre eine wünschenswerte Folge. Den Anfang könnte eine Pastoral der Ehrlichkeit machen, indem wir aufhören, uns die Dinge schönzureden, die nicht schön sind. Wir werden noch längere Zeit mit Umfragen wie der jetzt veröffentlichten leben müssen.
Gerade die Sakramentenkatechese vor der Taufe, der Erstkommunion, der Firmung und vor der Eheschließung müssen an Bedeutung zunehmen, denn das sind die Zeitpunkte, an denen die entfremdeten Menschen dann doch wieder der Kirche begegnen. Und sie zeigen, dass sie der Kirche begegnen wollen. Eine weichgespülte Katechese der Unehrlichkeiten führt nur weiter in den Abgrund.
Bischof Bode hat nun die traurige Aufgabe, die zahlreichen Dokumente des Scheiterns den Mitbrüdern im Bischofsamt auf der Synode vorzulegen. Das können wir ihm nicht abnehmen. Es kann jedoch jeder seinem Bischof seine Ideen zu einer tragfähigen Reform der Katechese vortragen. Unabhängig vom Ausgang der Synode und deren pastoralen Anregungen wird nämlich eine grundlegende Reform der Katechese die wichtigste Aufgabe der kommenden Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte sein. Daran mitzuwirken ist nun wirklich jeder nach seinen Kräften und Fähigkeiten berufen.
Foto Peter Winnemöller (c) kath.net/Michael Hesemann
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