25. Mai 2003 in Österreich
Stadtmission: Kardinal Schönborn im "Cafe-Talk" über "Gott und die Welt" mit der TV-Moderatorin Arabella Kiesbauer
Wien (kath.net/pew/red)
Die "tiefste Not" vieler Menschen besteht in einemverzerrten Gottesbild und Selbstbild, sagte Kardinal Christoph Schönbornam Samstagabend bei einem "Cafe-Talk" über "Gott und die Welt" mit derTV-Moderatorin Arabella Kiesbauer im Rahmen der Wiener Stadtmission. Esgebe sehr viel "Selbstzerstörung", weil viele Menschen "sich selbst nichtmögen". Der Kern des Evangeliums sei dagegen das "bedingungsloseAngenommensein", die Barmherzigkeit, der Satz Jesu: "Ich verurteile dichnicht". Kardinal Schönborn: "Leider haben viele Menschen ein Gottesbild,das weit davon entfernt ist". Gerade in Wien wirke die Vorstellung vom"strafenden Himmelvater" nach, der als Erziehungsmittel eingesetzt wurde.
Persönlich habe er das Glück gehabt, in seiner Kindheit einen Ortspfarrerzu erleben, bei dem sich "die Menschen nicht verurteilt gefühlt haben",berichtete der Wiener Erzbischof. Er komme nicht aus einer sehr religiösenFamilie, Religion sei kein Thema gewesen. Als er sich mit 18 zum Eintrittin den Dominikanerorden entschlossen habe, sei es zu einer intensivenAuseinandersetzung mit dem Freundeskreis seines nicht kirchlicheingestellten Vaters gekommen. Der entscheidende Punkt sei für ihn die"persönliche Freundschaft mit Jesus" gewesen.
Auch heute gehe es für ihn darum, "im Kampf gegen den Terminkalender"jeden Tag eine Zeit lang "in der Gegenwart Gottes still zu sein", sagteder Kardinal. Sonst werde das Reden über Gott "schal". Das "berufsmäßigeReden über Gott" beinhalte immer die Gefahr, dass es "einen nicht mehrpersönlich berührt".
Arabella Kiesbauer, die aus der katholischen Kirche ausgetreten ist,meinte, Kirche sei für sie lange "ein rotes Tuch" gewesen. Heute sehe sieReligion als "gelebte Menschlichkeit". Ein Motiv für ihren Kirchenaustrittsei gewesen, dass sie als Frau in der Kirche nicht alle Möglichkeitenhabe. Kardinal Schönborn meinte in seiner Antwort, Mann und Frau hättendie gleiche Würde, aber sie seien nicht gleich.
Auf Fragen aus dem Publikum stellte der Wiener Erzbischof klar, dass dieCaritas nicht etwas anderes als die Kirche ist: "Wenn die Caritas spricht,spricht damit auch die Kirche. Wenn der Caritasdirektor Landau etwas sagt,ist das genauso gewichtig, wie wenn ich selbst es sage".
Zilk: Kirche muss sich Auseinandersetzung stellen
"Es gibt eine sehr komplexe gesellschaftliche Entwicklung, die an derKirche vorbeigeht", bedauerte der ehemalige Wiener Bürgermeister HelmutZilk beim "Cafe-Talk" mit Kammerschauspielerin Elfriede Ott und KarlRühringer, Bischofsvikar für Wien-Stadt, im Wiener Ringstraßencafe"Landtmann". Die Kirche müsse sich dieser Entwicklung stellen und denDialog darüber führen. "Dort, wo die Kirche sich dieser Auseinandersetzungstellt, sind auch die Leute da, besonders die jungen Menschen", so Zilk."Es hat immer wieder Berührungsängste der Kirche mit dem Neuen gegeben",bekannte Bischofsvikar Karl Rühringer. Die Dialogbereitschaft sei abervorhanden. Mit Offensiven wie der Stadtmission versuche die Kirche, "inder multikulturellen und multireligiösen Welt die Dinge so zu nehmen, wiesie sind, das Gemeinsame zu suchen und dem Anderen mit Wertschätzunggegenüber zu treten", sagte Rühringer.
"Statistiken sind notwendig, aber sie sind nicht alles", antwortete Bischofsvikar Rühringer auf eine Frage nach dem Rückgang der Katholikenzahlen in Wien. "Gerade in der Stadt sind viele Menschen weitausreligiöser, gläubiger und gottverbundener als sie zeigen", sagteRühringer. Dem schloss sich Kammerschauspielerin Elfriede Ott an. InGesprächen mit ihren Studenten stoße sie zwar oft auf eine totaleAblehnung des Katholizismus. "Dafür zeigt sich eine Öffnung hin zur Suchenach einem tieferen Sinn im Leben", sagte Ott. Jeder Mensch sei in seinemInnersten gläubig, auch wenn er es nach außen ablehne. "Man muss ja einenGlauben haben, sonst hat man keine Hoffnung", betonte die Schauspielerin.
Auch auf Grund des materiellen Wohlstands sei in manchen Menschen dieFrage nach Gott eingeschlafen, bedauerte Bischofsvikar Rühringer. Ziel derStadtmission sei nun, den Mut, nach dem Woher und Wohin des Lebens zufragen, in vielen Menschen zu wecken. Lange Zeit hätte die Kirche denMissionsbegriff für die Dritte Welt reserviert, nun habe ein Umdenkeneingesetzt: "Wir müssen in der Stadt auf die Menschen zugehen, dasGespräch suchen und selber die Türen unserer Herzen öffnen, dem anderenzeigen, was uns bewegt und was uns wichtig ist".
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