'Papst lässt keinen Zweifel an seiner Einstellung zum Lebensschutz'

31. August 2015 in Interview


Martin Lohmann im kath.net-Interview: „Wir vom Bundesverband Lebensrecht betrachten es als ein großes Geschenk, dass der Papst uns nur drei Wochen vor unserem ‚Marsch für das Leben‘ in Berlin segnet und stärkt“.


Vatikan (kath.net) Drei Wochen vor dem Marsch für das Leben konnte die Vorstandschaft des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL) mit Papst Franziskus sprechen, kath.net hat berichtet. Der Papst unterstützt die Pro-Life-Kundgebung ausdrücklich und machte den Vorständen des Bundesverbandes Lebensrecht Mut für ihr wichtiges Zeugnis. kath.net bat den Journalisten und BVL-Vorsitzenden Martin Lohmann (im Foto mit Papst Franziskus) um ein Interview:

kath.net: Herr Lohmann, wie kam es zu dieser Audienz, bei der Sie das Anliegen des BVL dem Papst vortragen konnten?

Martin Lohmann: Ich habe in Rom angefragt, und ich bekam sehr rasch eine positive Antwort. Und dann war ich sehr froh, dass ich die Zusage an mich auf unsere Vorstandsmitglieder erweitern konnte.

Wir vom BVL betrachten es als ein großes Geschenk, dass der Papst, der ja keinen Zweifel an seiner klaren Einstellung zum Lebensschutz lässt, uns nur drei Wochen vor unserem Friedensmarsch in Berlin segnet und stärkt. Es war erstmals, dass der Vorstand des BVL zu einer solchen Gelegenheit eingeladen war.

kath.net: Sie haben dem Papst ein kleines Plastikembryomodell gegeben. Wie kam es dazu? Hatte man wegen solcher Modelle den Lebensrechtlern nicht schon auf Kirchen- und Katholikentagen Probleme gemacht?

Lohmann: Als ich morgens in meine Aktentasche sah, fiel mein Blick auf dieses Modell, das ich bereits in einer Fernsehsendung mit einem Abtreibungsarzt gezeigt hatte, um deutlich zu machen, worüber wir denn eigentlich sprechen, wenn es um Abtreibung geht. Diese kleinen Modelle sind sehr schön und zeigen, wie weit der kleine Mensch im Mutterleib schon ist, der dann brutal getötet wird. Mit Hilfe solcher geradezu liebevollen Anschaulichkeit entstehen immer wieder Gespräche mit viel Nachdenklichkeit. Und wir nutzen solche kleinen Einszueinsmodelle, um einfach aufzuklären. Das Traurige ist nur, dass dies manchmal auch im kirchlichen Rahmen eine Überforderung zu sein scheint.

Und Sie haben leider Recht: Weil wir diese schönen Modelle nutzen und auch verteilen, hat man uns zum Beispiel bei Kirchen- und Katholikentagen schon im Vorfeld immer wieder viele Schwierigkeiten gemacht. Dabei veranschaulichen diese wahrlich ungefährlichen Embryomodelle nur, wie weit und vollständig der kleine wachsende Mensch schon entwickelt ist. Das ist wirklich faszinierend! Da muss eigentlich so etwas wie Ehrfurcht entstehen. Und man erkennt nicht selten, dass da eben bei einer Abtreibung nicht nur ein Zustand der Frau beendet wird, sondern ein kleiner, feiner und wunderbarer Mensch getötet werden soll.

Ich bin daher sehr froh und dankbar, dass Papst Franziskus das Modell spontan gesegnet hat.

Der Papst bedankte sich dann auch für dieses „sehr wichtige Geschenk“. Das hat uns sehr bewegt.

Papst Franziskus hat jedenfalls keine Probleme mit oder Angst vor der Wirklichkeit des Lebens.

kath.net: Franziskus scheint ja richtig gesprächig und begeistert gewesen zu sein.

Lohmann: Ja, ich konnte ihn auf Deutsch ansprechen, er hat sehr interessiert und wertschätzend auf deutsch geantwortet. Und wir konnten deutlich spüren, wie wichtig dem Papst das Anliegen des Lebensrechtes ist. Er sagte nicht nur, dass unser Marsch für das Leben "sehr, sehr wichtig" ist, sondern betonte auch - im Blick auf den Lebensanfang und das Lebensende -, dass es nun wirklich kein gutes Töten gebe.

kath.net: In anderen Hauptstädten gehen auch viele Bischöfe mit. Auch in Rom. Warum zieren sich denn in Deutschland offensichtlich einige wichtige Kirchenleute, dieses Bekenntnis zum Leben sichtbar zu stärken?

Lohmann: Nun ja, ich kann da nur spekulieren. Aber das will ich nicht. Es bleibt bei unserer bleibend freundlichen Einladung. Zwingen kann man niemanden. Bekanntlich auch nicht zum Guten.

Aber ich bleibe ganz normal hoffnungsfroh, dass - sagen wir mal so - manche offensichtliche Ängstlichkeit, aus welchen Gründen auch immer sie entstanden ist oder von wem sie auch erzeugt wurde, irgendwann wieder verschwinden wird.

Lassen wir uns doch mal in diesem Jahr überraschen, zumal ja viele Bischöfe ohnehin zuvor an diesem Tag, dem 19. September, zum Fest für Erzbischof Heiner Koch in Berlin sein werden. Ich weiß jetzt schon, dass das Klagen darüber, dass kein Bischof mitgeht, sich spätestens am 19. September in Nichts auflösen muss. Ich bleibe dabei: Alles wird gut.

kath.net: Sie sind mit dem neuen Berliner Erzbischof Heiner Koch, den Sie ja noch aus Kölner Zeiten gut kennen, sicher in Kontakt, weil seine Amtseinführung am selben Tag wie der Marsch für das Leben stattfinden, de facto räumlich in äußerst kurzer Entfernung und zeitlich direkt nacheinander.

Lohmann: Dem neuen Berliner Erzbischof geht es verständlicherweise darum, dass in keiner Weise - wie er sagte - irgendwie von unserer Seite Druck ausgeübt würde auf seine Gäste. Aber das tun wir ja auch nicht.

Wir laden nur sehr herzlich ein. So wie Heiner Koch ja auch keinen Druck ausübt, wenn er zu seiner Feier einlädt.

Und da scheint uns das Zusammenfallen der beiden Ereignisse doch eine richtig gute Gelegenheit zu sein - und gute Gelegenheiten zu geben. Auch zeitlich. Denn die eigentliche Amtseinführung des Bischofs ist ja schon vorbei, wenn unser Marsch beginnt. Und ich bin mir, weil ich auch da ganz positiv denke, ziemlich sicher, dass es dem ein oder anderen Bischof, von denen ja viele wegen Koch nach Berlin kommen, möglich und ein Anliegen sein wird, zum Beispiel eine Essenspause zu nutzen, um mal eben zu uns rüberzukommen.

Diese Einladung besteht, ganz freundlich, und wie bei jeder guten Einladung: ganz freiwillig. Ohne Druck von uns. Jeder ist herzlich willkommen. Egal, wie lange er bleibt. Noch einmal: Alles wird bestimmt gut. Und wir wünschen dem neuen Erzbischof ein schönes Fest.

kath.net: Hat dieser Ihnen denn schon ein Grußwort geschrieben?

Lohmann: Nein. Bisher nicht. Aber das kommt vielleicht noch. Gebeten habe ich ihn - wie alle anderen Bischöfe auch - bereits vor Wochen darum. Wäre jedenfalls schön und gut, wenn der neue Bischof der Hauptstadt diejenigen, die dieses wichtige Zeugnis in der Hauptstadt zeigen, auch entsprechend begrüßen und unterstützen würde. Ich hoffe, da ist ihm der Papst ein Vorbild.

kath.net: Haben Sie dem Papst das "deutsche" Problem sagen können?

Lohmann: Das war und ist nicht meine Aufgabe. Und ich bin sicher, dass er sehr wohl weiß, wo welche Probleme existieren. Wir alle sind jedenfalls sehr dankbar für diese wirklich gute Begegnung und diese eindeutige Unterstützung unserer notwendigen Aufklärungsarbeit durch den Papst. Wie wichtig ihm das ist, konnte man ja schon vor mehr als einem Jahr sehen, als er sich ausdrücklich selbst zum Teil des römischen Marsches für das Leben machte. Hier kann Franziskus doch auch ein Vorbild für viele sein, oder?

kath.net: Rechnen Sie in diesem Jahr mit mehr Teilnehmern als im vergangenen Jahr?

Lohmann: Das Interesse ist groß und wächst. Aber, ganz ehrlich: Wir machen daraus keine Zahlenolympiade! Am liebsten wäre uns ja ohnehin, der Marsch für das Leben wäre gar nicht mehr notwendig, weil endlich alle oder doch die meisten Verantwortlichen verstanden hätten, dass das Lebensrecht nicht teilbar ist und es absolut kein Recht auf Töten geben kann.

Oder, um Franziskus im Gespräch mit uns zu zitieren: Es gibt kein gutes Töten!

Freilich: Wir freuen uns sehr, dass immer mehr Menschen friedlich und tolerant ein so klares Zeugnis für das Leben mitten in Berlin geben. Das sind Menschen aus allen Regionen, aus verschiedenen Religionen, aus allen Generationen. Ja, der Lebensschutz lebt, ist freundlich und auch jung dynamisch. Und sehr friedlich. Uns geht es um Argumente, und die gibt es für das Leben ohne Ende!

kath.net: Und die Gegnerseite? Dort scheint man nicht so freundlich und friedlich zu sein, und man vermittelt den Eindruck, dass man auch nicht wirklich an Argumenten interessiert ist. Macht das Sorge?

Lohmann: Ja. Denn es muss jedem, der für Frieden und Freiheit ist, Sorge bereiten, wenn auf den Grund und die Wurzel von Frieden und Freiheit, also das Lebensrecht eines jeden Menschen, Anschläge der Intoleranz verübt werden.

Dass gar eine Partei wie die Linke, die im Deutschen Bundestag sitzt, zur Blockade aufruft und unsere freie und tolerante Meinungsäußerung erst gar nicht zulassen möchte, ist alarmierend. So äußern sich und handeln nur die Feinde der Demokratie und der Freiheit. Eigentlich ist das ein Grund zur Überwachung durch den Verfassungsschutz.

Wir rufen immer wieder zur friedlichen und gewaltfreien Auseinandersetzung auf. Wir haben keine Angst vor einer guten Streitkultur. Wir haben kein Problem mit fairem Widerspruch. Wir haben aber etwas gegen Intoleranz, Gewalt, Tötung, Verleumdung, Rufschädigung und Respektlosigkeit. Wir lieben das Leben und die Freiheit. Und dazu laden wir alle gerne ein. Übrigens: Ganz im Sinne von Papst Franziskus.

kath.net: Vielen Dank für das Interview.

Der Marsch für das Leben 2015 findet am 19. September in Berlin statt. Weitere Infos: Homepage „Marsch für das Leben“

Fotostrecke der Begegnung - Papst spricht mit Martin Lohmann und (dazwischen stehend) Dr. Claudia Kaminski, Odila Carbanje und Rolf Trauernicht










Foto oben: Papst Franziskus, Martin Lohmann und Dr. Claudia Kaminski (c) Osservatore Romano


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