1. September 2015 in Chronik
Nach Verleihung des Templeton-Preises unterstrich Einladung des emeritierten Papstes an Prager Theologen ein weiteres Mal die Bedeutung des tschechischen religiösen Vordenkers
Rom (kath.net/KAP) Der Prager Theologe, Philosoph und Autor Tomas Halik hat am Wochenende in Castel Gandolfo beim Treffen des Ratzinger-Schülerkreises mit u.a. Kardinal Christoph Schönborn und Abt Maximilian Heim (Stift Heiligenkreuz) auf kulturelle und spirituelle Zeichen der Zeit hingewiesen. Die Krise des traditionellen Christentums und der "religiösen Rede" sei ein Aufruf und eine Chance für die Erneuerung und Vertiefung des Glaubens.
Eindringlich unterstrich Halik die Aufgabe der Kirche, die spirituell Suchenden zu begleiten, deren Zahl in der westlichen Welt ansteige, während die Anzahl der traditionell kirchlich orientierten Christen und auch der entschiedenen Atheisten sinke. Dabei zeigte der Prager Intellektuelle auf, dass diese Begleitung etwas anderes darstellt als die traditionelle Mission - es gehe nicht darum, die Suchenden in die bestehenden Strukturen des Christentums hineinzupressen, sondern eher darum, das Glaubensverständnis in einem aufrichtigen Dialog mit ihnen und über ihre geistlichen Erfahrungen zu bereichern.
Mit diesen Überlegungen näherte sich Halik aus einem anderen Blickwinkel dem Gedanken Benedikts XVI., dass die Kirche - ähnlich dem "Vorhof der Völker" im Tempel von Jerusalem - ein offener Raum für die Suchenden sein soll und keine Sektenmentalität entwickeln darf. Dieses Modell werde jetzt von Papst Franziskus weiterentwickelt und radikalisiert, so der Prager Theologe.
Glaube ohne Verstand sei gefährlich, habe Papst Benedikt erklärt; Glaube ohne Liebe aber sei noch viel gefährlicher, so Tomas Halik. Nur aus der Tiefe der Erfahrung der Selbstüberschreitung in der Liebe könnten wir als Menschen begreifen, was mit dem Wort "Gott" gemeint sei.
Halik referierte am vergangenen Wochenende in Castel Gandolfo zu den Themen "Wie von Gott heute reden und schweigen?" sowie "Die Liebe - Altar des unbekannten Gottes". Mit beiden Vorträgen knüpfte er an die Gedanken seines Buches "Ich will, dass du bist" an, das im September im Herder Verlag auch in deutscher Übersetzung erscheint. Nach Abschluss der Tagung lud Benedikt XVI. den Prager Intellektuellen zum Abendessen und zu einem persönlichen Gespräch ein.
Die Teilnehmer an der Tagung des Ratzinger-Schülerkreises unterbreiten ihrem Mentor am Ende jeder Jahrestagung drei Themen, aus denen Benedikt XVI. eines für die nächstjährige Session auswählt und zu dem er einen Hauptreferenten einlädt. Für heuer hatte sich der emeritierte Papst für das Thema "Wie von Gott sprechen?" entschieden und Tomas Halik als Redner ausgesucht.
Die Mitglieder des Schülerkreises hatten Benedikt XVI. vor Jahren Haliks Buch "Geduld mit Gott" überreicht und zur Lektüre empfohlen. Das Buch war von der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie zum besten theologischen Buch Europas der Jahre 2009 und 2010 gekürt worden und ist mittlerweile in 17 Sprachen übersetzt worden, darunter ins Türkische und Chinesische.
Nach der Verleihung des Templeton-Preises im Jahr 2014 unterstrich die Einladung des emeritierten Papstes an Tomas Halik, die beiden Hauptvorträge bei der diesjährigen Tagung des Ratzinger-Schülerkreises zu halten, ein weiteres Mal die Bedeutung des tschechischen religiösen Vordenkers.
Copyright 2015 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
Foto Halik (c) wikipedia/che
(This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic license)
© 2015 www.kath.net