6. September 2015 in Chronik
Primaskardinal Erdö: Situation in Ungarn aufgrund anderer Rechtslage nicht mit Österreich vergleichbar - Würden die Kirchen Asylsuchende einquartieren, machten sie sich strafbar
Budapest (kath.net/KAP) Ungarns katholische Kirche ist in der Hilfe für Flüchtlinge aktiv, darf jedoch aufgrund derzeitiger Rechtsvorschriften keine Quartiere für sie bereitstellen: Das hat der ungarische Primas, Kardinal Peter Erdö, am Donnerstag erklärt. Katholische Hilfswerke wie etwa die Caritas seien "diskret" auf vielfache Weise für die Flüchtlinge überall dort aktiv, wo Hilfe nötig sei. Erdö äußerte sich in einer Pressekonferenz zum Abschluss der Herbstsitzung der Ungarischen Bischofskonferenz gemeinsam mit deren neuem Vorsitzenden, Bischof András Veres.
Direkt nach einem Vergleich mit der Situation in Österreich befragt, sprach Erdö von "wesentlichen Unterschieden": Die Mehrheit der Migranten, die derzeit in Ungarn eintreffen, wolle nicht im Land bleiben. Auch das Asylverfahren unterscheide sich grundlegend von jenem in Österreich, und die Rechtsstellung der Flüchtlinge verändere sich fast täglich, übte der Primas Kritik an den hektischen Änderungen der Gesetzeslage durch die Regierung: Eine "klare, stabile Rechtsregelung" sei unbedingt wünschenswert.
Anders als in Österreich seien die Kirchen in Ungarn zudem nicht berechtigt, Asylsuchende aufzunehmen: "Es ist verboten. Wenn sie es dennoch täten, wären sie Menschenschlepper", so Erdö wörtlich. Die katholische Kirche würde derzeit Verhandlungen mit der Regierung führen, um auch selbst Flüchtlinge unterzubringen. "Da kommen mehrere Liegenschaften in Frage." Er hoffe auf eine rasche Lösung noch vor dem winterlichen Kälteeinbruch, so der Erzbischof von Esztergom-Budapest.
Christenverfolgung in Nahost war Thema
Im offiziellen Kommunique der Bischöfe war die Flüchtlingsnot im eigenen Land nicht aufgetaucht, wohl aber die Sorge um die verfolgten Christen im Nahen Osten; es sei Pflicht der jeweiligen Staaten, die Rechte ihrer Bürger zu verteidigen, hieß es in der Verlautbarung. Erdö hatte allerdings zuvor am Tag des ungarischen Landespatrons Stephan (20. August) in der Budapester Kathedrale daran erinnert, dass das Land im Sinne des Heiligen für Fremde offen sein und sich so verhalten müsse, dass diese lieber in Ungarn als in einem anderen Land wohnen.
Weitaus offensiver hatte sich in den vergangenen Tagen Bischof Miklos Beer zur Flüchtlingswelle geäußert. Die Regierung habe schlecht kommuniziert und die Kirche zu lange geschwiegen, wofür er sich "schäme", so der Bischof von Vac. Der Bischof von Zrenjanin, Laszlo Nemeth, rief in einem am Montag veröffentlichten Hirtenbrief die Gläubigen dazu auf, "alles Mögliche für die Migranten zu tun", alle Bedürftigen als Menschen zu behandeln und sie nicht auszunutzen. Eine klare Verurteilung sprach er gegenüber dem "gewissenlosen Menschenschmuggel" aus.
Seitens der ungarischen Katholiken sind in jüngster Zeit etliche lokale Initiativen der Flüchtlingshilfe entstanden, berichtete der Pastoraltheologe Andras Mathe-Toth gegenüber "Kathpress". "Viele Privatpersonen helfen Tag für Tag den Migranten und beziehen auch in Sozialen Netzwerken dazu Stellung." Kritik zum ungarischen Grenzzaun zu Serbien und anderen politischen Maßnahmen sei bislang u.a. vom ungarischen Zweig der in Menschenrechtsfragen aktiven Gemeinschaft Sant'Egidio gekommen. Die derzeitige schwierige Situation könne nur durch Frieden in den Herkunftsregionen der Flüchtlinge gelöst werden, hieß es in deren Stellungnahme vom Mittwoch.
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