Neue Priesterformen sind auch keine Lösung

3. November 2015 in Kommentar


kath.net-Kommentar von Peter Winnemöller zu Aussagen von Bischof Franz-Josef Bode, der über "andere priesterliche Formen" nachdenken möchte.


Linz (kath.net) In einem Vortrag in der Katholischen Sozialen Akademie "Ludwig-Windthorst-Haus" in Lingen in der vergangenen Woche forderte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode ein Nachdenken über „andere priesterliche Formen“. Der Bischof nahm Bezug auf die Seelsorgestudie, der zufolge jeder dritte Priester den Zölibat als belastend empfinde. Ergänzt werden die Aussagen des Bischofs von Domkapitular Ansgar Lüttel, der Kritik an der Priesterausbildung äußerte und alternative Leitungsformen für Gemeinden anregte.

Die Lage ist ernst. Das Bistum Osnabrück benötigt für seine künftigen pastoralen Strukturen 72 leitende Pfarrer und Domkapitular Lüttel ist der Ansicht, dass diese auf Dauer nicht zur Verfügung stehen. Im Zusammenhang mit seiner Kritik an der Priesterausbildung und der Aussage: "Heute werden Männer Priester, die das vor 50 Jahren nie geworden wären", mit der KNA den Domkapitular zitiert, müssten eigentlich die Alarmglocken schrillen. Diese überdeutliche Anfrage sollten Priesteramtskandidaten des Bistums unverzüglich mit ihrem Regens klären und ggf. die nötigen Konsequenzen ziehen. Auch junge Priester im Bistum Osnabrück sollten sich und ihrem Bischof die Frage stellen, ob sie etwa leichtfertig geweiht worden seien. Eine solche Kritik ist ernst zu nehmen. Dies umso mehr, wenn sie so öffentlich ausgesprochen wird. Es entsteht ja hier der nicht zu bestreitende Eindruck, als habe das Bistum Osnabrück in den vergangenen Jahren zahlreiche ungeeignete Kandidaten als Priesteramtskandidaten angenommen oder sogar zu Priestern geweiht. Eine derart skandalöse Aussage muss aufgeklärt und ausgeräumt werden.

Die Feststellung an sich mag durchaus im Zusammenhang mit der Aussage des Bischofs stehen, man müsse über „andere priesterliche Formen“ nachdenken. Dieses Nachdenken scheint auf den ersten Blick sehr zu empfehlen. Die in vielen Medien, vor allem online veröffentlichte KNA- Meldung stellt einen impliziten Zusammenhang zwischen dem als belastende empfundenen Zölibat und der Aussage des Bischofs her. Selbstverständlich liegen sofort wieder die uralten Lösungen (z.B. Abschaffung des Zölibat) auf der Hand. Die offen gelassene Formulierung des Bischof macht diesen Schluss nicht zwingend. Doch gerade die Offenheit der Formulierung lässt diesen Schluss eben dennoch zu. Auch das bedarf der Klärung.

Was genau diese „anderen priesterlichen Formen“ sein sollen, wird offensichtlich bewusst offen gelassen. Es ist der in unserem Tagen in deutschen Bistümern übliche Pastoralsprech. Man kann alles sagen, sagt aber nichts aus. Man kann über alles reden, gibt aber keine Weisung. Es wird über alles ein Dialog geführt, aber am Ende nichts entschieden. Die normative Kraft des Faktischen führt ganz konkret im Hinblick auf Priesterbiografien zu immer weniger befriedigenden Lebensverläufen. Natürlich steht der Zölibat schnell wieder im Fokus. Doch ist der Zölibat wirklich dazu gedacht, einen ältlichen, total verbürgerlichten Hagestolz im überdimensionierten Pfarrhaus hervor zu bringen? Die Lebensform Jesu, auf die sich der priesterliche Zölibat als geistliche Lebensform gründet, ist das jedenfalls nicht. Pastorale Strukturreformen, die Priestern in Leitungsfunktion in gleicher Weise wie Priestern in untergeordneter Stellung immer mehr Aufgaben und größere Gebiete zuordnen, machen die Lebenssituation der Priester nicht besser. Hier ist durchaus Bedarf, über die priesterliche Lebensweise nachzudenken und Weichen für die Zukunft zu stellen.

Dazu gehört allerdings auch ein Nachdenken über das Berufungsklima in Familien, Gemeinden und Verbänden. Werden junge Männer, in denen sich die Frage nach ihrer Berufung regt, wirklich angemessen begleitet? Hier liegt vieles im Argen. Da lohnt sich nicht nur Nachdenken sondern auch konkretes Handeln. Jeder Bischof steht in seinem Bistum in der Verantwortung dafür, denn die Priester sind nicht die Priester eines anonymen Apparates, sie sind die Priester eines Bischofs. Sie handeln in seinem Auftrag und in seinem Namen. Sie versprechen ihm den Gehorsam. Das ist keine Einbahnstraße.

Die Offenheit der Formulierung „andere priesterliche Formen“ macht insbesondere noch in anderer Hinsicht nachdenklich. Das Wort „priesterlich“ steht hier als Attribut und deutet an, dass es weit über das sakramentale Weihepriestertum hinausgeht. Dem aufmerksamen Leser kommt sofort der Gedanke an das allgemeine Priestertum aller getauften, wie es das II. Vatikanische Konzil beschrieben hat. Sobald es jedoch um Leitungsaufgaben geht, die ergänzende Bemerkung von Domkapitular Lüttel deutet eine solche Richtung bereits an, ist Vorsicht geboten. Die nachkonziliare Lehrentwicklung bezüglich der Laien, die ja Träger des allgemeinen Priestertums sind, warnt sehr eindeutig vor einer Klerikalisierung der Laien. Hier warnt der Heilige Papst Johannes Paul II. in Christifideles laici davor, „de facto eine kirchliche Dienststruktur zu schaffen, die parallel zu der im Sakrament des Ordo gründenden steht.“(CF 23) Hier ist Wachsamkeit geboten, wenn so en passent im Zusammenhang mit dem Priestermangel und einem Notstand in der Lebensform der Priester von „anderen priesterlichen Formen“ die Rede ist. Leitungsdienst in der Kirche ist primär priesterlicher Dienst. Das Charisma des sakramental geweihten Priesters ist der dreigeteilte Dienst des Lehrens, Leitens und Heiligens. Das ist wie ein Dreibein. Kappt man eines der drei Beine, kippt es um. So steht auch das Leben eines Priesters auf sehr wackeligen Beinen, beraubt man ihn um eines oder mehr der drei Elemente seines Dienstes. Andererseits ist es eine absolute Notfalllösung, wenn Laien einen Leitungsdienst in der Kirche wahrnehmen müssen, um die Verkündigung des Evangeliums weiter tragen zu können. Ein solcher Notfall sollte keinesfalls künstlich konstruiert werden.

Ein Nachdenken über Ausbildung, Tätigkeit und Lebensführung der Priester in unserer Zeit kann sicher nicht schaden. Die Zahl der Priester wird vorerst weiter zurückgehen und die Belastung für einzelne Priester wird steigen. Das ist Fakt. Fakt ist aber auch, dass ein Bischof seine Priester damit nicht allein lassen darf oder gar ihren Dienst und ihre Berufung vor „anderen priesterlichen Formen“ relativiert. Damit ist weder den Priestern noch den Laien gedient.

Foto Peter Winnemöller


Foto oben (c) kath.net/Michael Hesemann


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