6. November 2015 in Deutschland
Nur die organisierte Beihilfe zum Suizid ist künftig verboten - Nahestehende Personen sind von der Strafandrohung ausgenommen.
Berlin (kath.net/KNA/red) Organisierte Beihilfe zum Suizid ist künftig verboten. Nach einer zweijährigen Debatte entschied der Bundestag am Freitag mit breiter Mehrheit ein Gesetz, das die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Nahestehende Personen sind aber von der Strafandrohung ausgenommen. Angebote wie jener des Vereins «Sterbehilfe Deutschland» von Roger Kusch sind damit in Deutschland künftig untersagt.
Der Entwurf der Abgeordneten um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) erhielt im Stimmzettelverfahren schon in der Zweiten Lesung überraschend mehr Stimmen als alle anderen Vorlagen einschließlich der Nein-Stimmen. In der Dritten Lesung setzte er sich mit 360 Ja-Stimmen bei 233 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen durch.
In einer ebenso nachdenklichen wie leidenschaftlichen dreistündigen Debatte führten Gegner einer Strafbarkeit das Selbstbestimmungsrecht am Ende des Lebens ins Feld und warnten vor einer Kriminalisierung der Ärzte. Befürworter des Verbots verwiesen auf den Schutzauftrag des Grundgesetzes und warnten vor wachsendem Druck auf Schwerkranke, Alte und Depressive bei einem Regelangebot von Beihilfe.
In dieser ethisch brisanten Frage gab es keinen «Fraktionszwang». Erstmals fand auch eine Orientierungsdebatte vor dem Gesetzgebungsverfahren statt.
Zu Beratung lagen den Abgeordneten vier fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe sowie ein Antrag vor. Neben dem Brand/Griese-Entwurf traten die Abgeordneten um Patrick Sensburg (CDU) für ein völliges Verbot der Beihilfe ein. Demgegenüber wollten Parlamentarier um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) allein die auf Gewinn angelegte Suizidbeihilfe verbieten, ansonsten aber günstige Rahmenbedingungen für die Beihilfe schaffen. Abgeordnete um Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) wollten Ärzten die Beihilfe unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich erlauben.
Brand nannte als Kernanliegen seiner Vorlage: «Hilfen ausbauen und den Missbrauch stoppen». Es gehe nicht nur um Verbot, sondern um Schutz vor gefährlichem Druck. Griese betonte, dass die Regelung nichts an der derzeitigen Situation der Palliativmedizin ändere. Sie wandte sich aber gegen die Sterbehilfe als ärztliche Regelleistung oder als frei verfügbares Angebot. Es solle sich niemand «dafür entschuldigen müssen, dass er noch leben will».
Hintze forderte hingegen, verantwortlich Ärzten müssten im «extremem Notfall» auch wiederholt Suizidbeihilfe leisten können. Der Staat dürfe nicht bevormunden. Um einen Scharlatan zu erwischen, würden «tausende verantwortliche Ärzte mit Strafe bedroht». Kern der Menschenwürde sei die Selbstbestimmung.
Künast betonte, es gehe um den Respekt vor der Freiheit des anderen, seinen eigenen Weg zu gehen. Auch Sitte sah keinen Grund für einen «Eingriff in die Souveränität» des Bürgers. Sterbehilfevereine wie der von Kusch seien schon jetzt streng reguliert. Sie warf den Verbotsvertreter vor, ihre religiöse und weltanschauliche Mindermeinung einem säkularen Staat aufzudrängen.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wies diesen Vorwurf zurück. Es gehe um die «Verteidigung der Rechtschutzorientierung unserer Verfassung».
Sensburg betonte, «nicht durch die Hand, sondern an der Hand eines anderen soll der Mensch sterben». Die Herbeiführung des Todes sei keine Sterbebegleitung.
Am Nachmittag hat die katholische und evangelische Kirche eine Erklärung zur Entscheidung im Deutschen Bundestag veröffentlicht und gemeint, dass mit der heutigen Entscheidung "für ein Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe" zur Selbsttötung die Abgeordneten des Deutschen Bundestages "ein starkes Zeichen für den Lebensschutz" gesetzt haben. Wörtlich heißt es in einer Erklärung: "Das neue Gesetz schützt schwerkranke und ältere Menschen vor einem zunehmenden sozialen Druck, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden. Auch Ärzte und Pflegekräfte werden vor der Erwartungshaltung geschützt, im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung Suizidassistenz zu leisten."
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