12. November 2015 in Kommentar
Den 37 Abgeordneten, die den Sensburg/Dörflinger-Entwurf unterstützten, wurde in Erklärung der Bischofskonferenz mit keinem Wort gedankt. Gastkommentar zur Bundestags-Sterbehilfeentscheidung und zur DBK-Reaktion von Prof. Hubert Gindert
Berlin (kath.net/Blog Forum Deutscher Katholiken) Am 6. November 2015 hat der Bundestag die Suizidbeihilfe beschlossen. Zur Abstimmung standen vier Gesetzentwürfe. Der erste wollte die bestehende Rechtsfrage weiter liberalisieren und dem Bürgerlichen Gesetzbuch eine Vorschrift einfügen, die Ärzten die Suizidbeihilfe unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich erlaubt. Der zweite wollte nur die gewerbsmäßige, d.h. auf Wiederholung angelegte und mit Gewinnabsicht durchgeführte Suizidbeihilfe verbieten. Ein dritter, der vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken wurde, wollte nicht nur die gewerbsmäßige, sondern jede geschäftsmäßige, d.h. auf Wiederholung angelegte Suizidbeihilfe gesetzlich verbieten. Aber Suizidbeihilfe durch Angehörige, Ärzte und besonders nahe stehenden Personen soll straffrei bleiben. Dieser Gesetzentwurf setzte sich in der Abstimmung mit 360 Stimmen gegen 233 bei neun Enthaltungen durch. Ein vierter Gesetzesantrag sah ein generelles strafrechtliches Verbot für Suizidbeihilfe vor.
In den Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz erklärten der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx, der ZDK-Präsident Alois Glück, der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und die Präses der Synode der evangelischen Kirche in Deutschland Irmgard Schwaetzer in einer gemeinsamen Erklärung u.a.: Mit der heutigen Entscheidung für ein Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ein starkes Zeichen für den Lebensschutz gesetzt ... Das neue Gesetz schützt Schwerkranke und ältere Menschen vor einem zunehmenden sozialen Druck, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden ... Das Gesetz begegnet diesen Gefahren wirksam und mit großer Sorgfalt. Es setzt klare rechtliche Rahmenbedingungen, achtet das persönliche Arzt-Patienten-Verhältnis und stärkt die Selbstbestimmung der durch Krankheit geschwächten Menschen, in dem diesen Menschen die solidarische Zuwendung bis zum letzten Atemzug garantiert wird Wir danken allen, die in Politik, Zivilgesellschaft, Kirchen- und Religionsgemeinschaften an dieser für unser Land guten Entscheidung mitgewirkt haben...
In einer Gott fernen Gesellschaft, die sich von Gott, dem Herrn über Leben und Tod und seinen Geboten entfernt hat, mag dieses Abstimmungsergebnis ein Fortschritt sein. Christen, die ihr Leben an den Geboten Gottes ausrichten, können sich damit nicht identifizieren. Nach der katholischen Lehre sind Selbsttötung und Beihilfe zum Selbstmord verboten.
Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika Evangelium vitae (Evangelium des Lebens) vom 25. März 1995 dazu ausgeführt (Ziff 66):
Nun ist Selbstmord immer ebenso sittlich unannehmbar wie Mord. Die Tradition der Kirche hat ihn immer als schwerwiegend böse Entscheidung zurückgewiesen. Obwohl bestimmte psychologische, kulturelle und soziale Gegebenheiten einen Menschen dazu bringen können, eine Tat zu begehen, die der natürlichen Neigung eines jeden zum Leben so radikal widerspricht und dadurch die subjektive Verantwortung vermindert oder aufgehoben sein mag, ist der Selbstmord aus objektiver Sicht eine schwer unsittliche Tat... In seinem tiefsten Kern stellt der Selbstmord eine Zurückweisung der absoluten Souveränität Gottes über Leben und Tod dar... Die Selbstmordabsicht eines Anderen zu teilen und ihm bei der Ausführung durch die sogenannte Beihilfe zum Selbstmord behilflich zu sein, heißt Mithelfer und manchmal höchstpersönlich Täter eines Unrechts zu werden, das niemals, auch nicht, wenn darum gebeten werden sollte, gerechtfertigt werden kann... Die Tat der Euthanasie erscheint umso perverser, wenn sie von denen ausgeführt wird, die wie die Angehörigen ihrem Verwandten mit Geduld und Liebe beistehen sollten, oder von denen, die wie die Ärzte aufgrund ihres besonderen Berufes dem Kranken auch im leidvollsten Zustand seines zu Ende gehenden Lebens behandeln müssten.
Die Gruppe von 37 Abgeordneten, die in der ersten Abstimmung des Deutschen Bundestags am 6. November 2015 gegen jede Form einer Suizidbeihilfe gestimmt haben, hat beachtet, was für Christen gilt. Ihnen wurde in der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz mit keinem Wort gedankt.
Diese 37 Abgeordneten haben ihre Haltung durch ihr Abstimmungsverhalten deutlich gemacht. Wenn sie in der zweiten Abstimmung für das kleinere Übel, d.h. für die weniger liberale Gesetzesinitiative gestimmt haben, so kann ihnen deswegen (Evangelium vitae Ziff 73) kein Vorwurf gemacht werden.
Wenn aber Katholiken, wie Kardinal Marx oder ZDK-Präsident Glück das Abstimmungsergebnis begrüßen und darin ein starkes Zeichen für den Lebensschutz sehen und ihren Dank für eine gute Entscheidung aussprechen, dann ist zu fragen, ob sie das Gebot Gottes und die Lehre der Kirche kennen.
Die gemeinsame ökumenische Erklärung zeigt im Übrigen, dass Gemeinsamkeiten mit der evangelischen Kirche in Fragen des Lebensschutzes immer problematischer werden.
Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke OSB zur aktuellen Sterbehilfedebatte
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