Napier: 'Starke Wiederbekräftigung der Lehre der Kirche erwarten'

23. November 2015 in Interview


Südafrikanischer Kardinal: Die westliche Medien verfolgten bei der Bischofssynode „offensichtlich eine Absicht“. kath.net-Interview von Roland Noé


Durban-Linz (kath.net/rn/pl) „Ich erwarte, dass Papst Franziskus klares Licht auf das werfen wird, was verheiratete Paare brauchen, um durch das Ehesakrament gute, starke Ehen aufzubauen sowie ein gut organisiertes Familienleben, welches Gebet, Frömmigkeit und die als Familie gemeinsam gefeierten Sakramente betont!“ Dies stellte Wilfried Kardinal Napier OFM (Foto), Erzbischof von Durban/Südafrika, im kath.net-Interview fest. Napier, der sieben Jahre lang der Präsident der südafrikanischen Bischofskonferenz gewesen war, hatte sich stark am Umbau des Landes von der Apartheid zur Demokratie eingebracht. kath.net fragte den 74-jährigen Kardinal nicht nur über seine Eindrücke bei der Bischofssynode, sondern wollte auch wissen, warum die afrikanischen Kirchen wachsen.

kath.net: Die Synode ist nun vorbei und ihre Ergebnisse sind veröffentlicht. Was wird Papst Franziskus Ihrer Erwartung nach mit diesen Ergebnissen machen? Was können wir erwarten?

Kardinal Napier: Wenn ich auf die beiden letzten Synoden zurückschaue, dann kann ich eine klare Entwicklung feststellen, vom starken Fokus auf die Probleme und Herausforderungen, mit denen die Familien konfrontiert sind, hin zur genaueren Betrachtung dessen, was Gott von der Familie erwartet, die er gleich am Anfang begründet hat, die er dazu berufen hat, Kinder zu ernähren und zu versorgen und die er gesandt hat, die Kirche und die Gesellschaft aufzubauen.

Während noch viele Redebeiträge zwei Einzelprobleme betonten, behielten die meisten Synodenväter doch das Grundthema im Bewusstsein und konzentrierten sich auf das, was die Kirche tun muss, um für die Familien klarzustellen, dass sie eine echte Berufung von Gott haben – zu wachsen und sich zu vermehren, um für Gottes Schöpfung zu sorgen.

Ich erwarte deshalb, dass Papst Franziskus klares Licht auf das werfen wird, was verheiratete Paare brauchen, um durch das Ehesakrament gute, starke Ehen aufzubauen sowie ein gut organisiertes Familienleben, welches Gebet, Frömmigkeit und die als Familie gemeinsam gefeierten Sakramente betont!

Wir sollten eine starke Wiederbekräftigung der Lehre der Kirche erwarten, mit starker Betonung der Vorbereitung und Begleitung von Neuvermählten und von jenen in schwierigen Situationen.

kath.net: Die Medienberichterstattung konzentrierte sich – zumindest in den USA und in Europa – stark auf die geschiedenen wiederverheirateten Katholiken. Haben Sie den Eindruck, dass es bei der Bischofssynode andere Hauptthemen gegeben hat, die in der medialen Berichterstattung nicht adäquat berücksichtigt wurden?

Kardinal Napier: Wenn Sie das [Synoden-]Thema „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ mit der Sucht westlicher Medien bezüglich der zivilrechtlich wiederverheirateten Geschiedenen und der homosexuellen „Ehen“/„Familien“ vergleichen, können Sie nicht anders als vermuten, dass sie offensichtlich eine Absicht verfolgten.

Mein eigenes Verständnis der Synode ist – und dies zeigt sich im Schlussdokument – dass die meisten Synodenväter, besonders jene aus Afrika, möchten, dass die Synode vorbeugende Schritte unternimmt, durch reifliche Vorbereitung und sorgfältige Begleitung der jungen Menschen allgemein, durch gute Katechese, bei den Neuvermählten in den ersten fünf bis sieben Jahren, ebenso für jene in besonderen Lebensumständen – geschieden und wiederverheiratet, für Familien mit Mitgliedern, welche gleichgeschlechtlich angezogen werden, Familien von Alleinerziehenden, Familien, die von Kindern geleitet werden.

kath.net: Was war bei der diesjährigen Synode Ihr persönliches Schlüsselthema?

Kardinal Napier: Mein persönliches Schlüsselthema war die sorgfältige Vorbereitung durch Katechese, dabei geht es hauptsächlich um die Unterscheidung der eigenen Berufung, ob in die Ehe, ins Priestertum, ins Ordensleben oder als Lediger. Im Kern geht es bei solcher Ehevorbereitung darum zu lernen, gute gesunde Beziehungen mit anderen zu entwickeln, zu nähren und zu leben, entsprechend der Berufung, die Gott jedem gegeben hat.

Das zweite interessante Thema war die Begleitung, durch welche die Kirche jenen, die in neue Lebensabschnitte eintreten, hilft, mit den Hauptproblemen und Herausforderungen dieses Lebensabschnittes zurechtzukommen.

kath.net: Die Synode war gekennzeichnet durch ungewöhnlich offene Diskussionen, manche Bemerkungen nicht nur von Laien, sondern sogar von Kardinälen klangen überraschend schroff. War dies eine normale Entwicklung?

Kardinal Napier: Seit uns Papst Franziskus gebeten hatte, frank und frei zu reden, aber demütig zuzuhören, waren Offenheit und Freimut ein besonderes Kennzeichen der Synodensitzungen, sowohl in der Synodenaula wie auch in den kleinen Diskussionsgruppen.

Ich persönlich erlebte sehr freimütige und ehrliche Bemerkungen, jedoch keine Schroffheit, ich hörte aber, dass diese in anderen Gruppen vorgefallen sei.

In der Synodenaula selbst konnte ich keinerlei böses Blut oder Animositäten ausmachen, nicht einmal dann, wenn es Meinungsverschiedenheiten gab.

kath.net: Die afrikanische Kirche ist eine wachsende Kirche, in Europa haben wir – besonders in den deutschsprachigen Ländern – einen starken Rückgang von Kirchenbesuchern. Warum ist die katholische Kirche in Afrika eine wachsende Gemeinschaft? Was ist ihr Geheimnis?

Kardinal Napier: Wenn Sie Afrika anschauen, besonders vom Blickwinkel der menschlichen Entwicklung, der sozialen Organisation und des politischen Lebens her, werden Sie sofort erkennen, dass Afrikaner weitgehend ein starkes Bewusstsein haben, dass sie Gott brauchen. Dadurch ist es viel leichter zu erkennen und zu bestätigen, wo und wie Er in Ihr Leben eingegriffen hat. Diese Achtsamkeit macht es weitaus leichter, die Religion zu akzeptieren und zu praktizieren, die einen in Gemeinschaft mit Ihm bringt.

kath.net: Was können wir europäische Katholiken von Ihnen lernen?

Kardinal Napier: Was Europa und der Westen von uns lernen kann? Das ist sehr schwer zu sagen, denn die globale Kultur tendiert zu starker Dominanz, so dass wir die meiste Zeit von Ihnen lernen, mehr selbstverstrauend zu werden oder sogar selbst-genügend, von wo aus es nur noch ein kurzer Schritt ist zu sagen: „Ich brauche Gott eigentlich nicht!“ Sie können und sollten lernen, wie Sie Ihre eigene Gottesbedürftigkeit erkennen!

Vielleicht könnte und würde der Westen offen sein von uns zu lernen, wenn er mehr Zeit damit verbrächte, danach zu suchen, was uns menschliche Wesen wahrhaftiger zu Bild und Ähnlichkeit Gottes macht.

Dies bedeutet auch, sich dem Wort Gottes in der Schrift ernsthafter zuzuwenden, der Lehre der Kirche, die daraus entspringt und sich auch ernsthafter einem Lebensstil zuzuwenden, der Jesus Christus als einer echten Person und Gegenwart in uns und unserem Leben sehr viel Platz einräumt.

Link zum englischen Original dieses Interviews: Napier: 'Expect a strong reaffirmation of the Church’s teaching'.

(Übersetzt durch Dipl.-Theol. Petra Lorleberg)

Kardinal Napier 2014: Wenn wir wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zulassen, was machen wir dann mit Menschen, die in Polygamie leben? (engl.)


Pressekonferenz im Vatikan zur Bischofssynode 2015 - Mit Kardinal Napier



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