Irakischer Ordensmann: Sorge um Zukunft Europas

26. November 2015 in Aktuelles


Pater Nagib Michael: Europa drohe eine Destabilisierung. Er zeigt sich sehr skeptisch für eine Integration der derzeit nach Europa strömenden muslimischen Flüchtlinge in die europäische Gesellschaft.


Sankt Pölten (kath.net/KNA) Der irakische Ordensmann Nagib Michael zeigt sich sehr skeptisch für eine Integration der derzeit nach Europa strömenden muslimischen Flüchtlinge in die europäische Gesellschaft. Europa drohe eine Destabilisierung, sagte Nagib im Interview der Presseagentur Kathpress in Sankt Pölten. Einerseits sei es Aufgabe der Behörden, sehr genau zwischen Flüchtlingen und Terroristen zu unterscheiden, warnte Nagib. Andererseits habe er große Zweifel, dass die Muslime ihre Einstellung aufgäben, wonach sie sich als etwas Besseres als Nicht-Muslime betrachteten.

Unter den derzeit aus dem Nahen Osten nach Europa kommenden Flüchtlingen seien lediglich ein bis zwei Prozent Christen, sagte Nagib. Die Christen versuchten auf anderen, legalen Wegen in den Westen zu gelangen, was allerdings fast unmöglich sei. Kaum eine christliche Familie bekomme ein Visum für ein westliches Land, kritisierte der Ordensmann. Dabei seien gerade die Christen ein Gewinn für die westlichen Gesellschaften. «Wir haben die gleiche Mentalität wie ihr; wir wären leicht zu integrieren», so Nagib.

Der Ordensmann erklärte, christliche Flüchtlinge lebten aus Angst so gut wie nie zusammen mit muslimischen, weder in den Lagern rund umSyrien noch auf den Fluchtrouten nach Europa. Er selbst habe fast mehr Angst um die Zukunft Europas als um die Zukunft des Nahen Ostens, sagte Nagib: «Das lehrt uns unsere Erfahrung als Christen unter Muslimen. Aber niemand hört uns zu. Europa versteht uns nicht.»

Zum Syrien-Konflikt meinte der Ordensmann, eine Lösung sei derzeit nur mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad realistisch. Nur
mit Assad könne es Frieden geben. Danach könnte dann schrittweise der Übergang zu einer neuen Regierung erfolgen. Die bisherigen Aktionen in Syrien seien jedenfalls viel zu schwach ausgefallen, kritisierte Nagib. Zuerst müsse die Terrororganisation IS militärisch besiegt werden. Dann sei wenigstens wieder Kurdistan sicher. Freilich sei der «Islamische Staat» weniger eine Organisation als eine Ideologie. Diese gelte es dann in einem zweiten Schritt zu bekämpfen.

Im Nordirak gibt es rund drei Millionen Flüchtlinge. Allein 120.000 Christen mussten im Sommer 2014 vor dem IS aus der Ninive-Ebene ins sichere Kurdistan fliehen. In Kurdistan sei die Sicherheitslage zwar wesentlich besser als etwa in Bagdad; doch auch hier gebe es fundamentalistische islamistische Strömungen, so Nagib. Die Christen seien auch hier zumindest sehr besorgt. Wirkliche Zukunftsperspektiven sieht er in Kurdistan für Christen nicht. Viele wollten deshalb ins Ausland, viele andere aber auch zurück in ihre Heimatdörfer und -städte. Das sei jedoch schlicht unmöglich.

Die Christen hätten das Vertrauen in ihre muslimischen Mitbürger verloren, sagte Nagib. Diese hätten ihnen kaum gegen die IS-Terroristen geholfen und sich teilweise sogar an den Plünderungen und Vertreibungen beteiligt. Dieses Vertrauen könne nur sehr langsam wieder aufgebaut werden, wenn überhaupt. Inzwischen erkennten freilich auch viele Muslime in den IS-besetzten Gebieten, was sie sich mit den Terroristen eingebrockt hätten.

Die Dominikaner mussten ihre Klöster in Karakosch und Mossul aufgeben, berichtete Nagib; sie würden aber sicher zurückkehren, wenn es die Sicherheitslage erlaubt. Viele Kirchen und Klöster seien zerstört oder zu Moscheen umfunktioniert. «Aus unserer Dominikanerkirche in Mossul haben sie ein Gefängnis gemacht, in dem sie foltern.»

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