'Orientalischer' Adventskalender? Shitstorm traf Lindt zu Unrecht

7. Dezember 2015 in Kommentar


Ausgerechnet der von selbsternannten „Verteidigern des Abendlandes“ heftig kritisierte Adventskalender der Firma Lindt zeigt ein klar christliches Motiv! Gastkommentar von Markus Gehling


Münster (kath.net) Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre! Seit zehn Jahren bietet die Firma Lindt einen Adventskalender unter dem Titel 1001 Weihnachtstraum an (Symbolbild). Zu Recht wird sich mancher Beobachter fragen, was 1001 Nacht mit der Einen Heiligen Nacht verbindet, die wir als Christen zu Weihnachten feiern?!

Ausgerechnet dieser Kalender entfachte in diesem Jahr einen wahren Shitstorm gegen die Firma, einige Kommentatoren hatten die Phantasie-Darstellung eines orientalischen Palastes als „Moschee“ identifiziert. Andere glaubten offensichtlich an eine Art „Sonder-Edition“ zur Flüchtlingskrise. Die Firma versuchte die Kritik – etwas hilflos - mit dem Hinweis zu kontern, dass das Geschehen der Weihnacht nun mal im Orient stattgefunden habe und man daher den Kalender entsprechend gestaltet habe. Vielleicht hätte man auch etwas augenzwinkernd darauf hinweisen können, das Minarette keinesfalls wie Zwiebeltürmchen aussehen und diese eher bayrisch-barock als „muslimisch“ geprägt sind.

Aber auch jenseits dieser Geschichte lohnt sich ein Blick auf das Angebot an Adventskalendern. Einige Tage vor dem Beginn des Advents hatte ich ganz bewusst einige Supermärkte in meiner Heimatstadt aufgesucht und mir die Adventskalender in deren Angebot genau angesehen. Ich war dabei auf der Suche nach einem Kalender, den ich als Katholik meinen Kindern mit gutem Gewissen schenken könnte. Dabei ist mir aufgefallen, dass es in einem Angebot von sicher 40 – 50 Adventskalendern alles Mögliche und Unmögliche gab: erotische Motive, Zeichentrick-Figuren, Weihnachtsmänner, idyllische Landschaften – nur eines nicht: eine Krippenszene. Aber nicht nur das, es gab keine einzige Darstellung, die man in gewisser Weise als „religiös“ bezeichnen könnte. Nicht einmal die allfälligen Weihnachtsmarkt-Szenen zeigten einen Stand mit Krippen. Nicht einmal ein einziger „Stern von Bethlehem“ stand an irgendeinem Horizont, über den ganz selbstverständlich die Rentierschlitten des Weihnachtsmannes zogen. Auch kein einziger „richtiger“ Nikolaus war zu sehen.

Als ich nun auf die Berichterstattung über den „orientalischen Adventskalender“ aufmerksam wurde, war ich nach einem Blick auf das Motiv selbst wie elektrisiert. Denn ausgerechnet dieser Kalender zeigt zwei biblische Szenen. In einem Fenster des Palastes sehen wir nämlich Maria und Josef auf dem Weg nach Bethlehem und im Vordergrund die Hl. Drei Könige im Aufbruch. Haben das all die Lindt-Kritiker übersehen, als sie ausgerechnet gegen den einzigen Kalender, der wirklich – im christlichen Sinne – adventlich ist, lauthals Einspruch im Namen des Christentums einlegten? Man müsste die Designer der Fa. Lindt ausdrücklich loben, dass sie derart sensibel sogar den eigentlichen Advent zum Thema gemacht haben und noch nicht einmal am Weihnachtstag angekommen waren. Schließlich sind auf der Darstellung alle Beteiligten noch in Erwartung, im Aufbruch. Wenn ich also katholischen Eltern einen Adventskalender empfehlen dürfte: Nehmen Sie diesen, auch wenn die Bezeichnung 1001 Weihnachtstraum etwas widersprüchlich ist.

In den letzten Jahren habe ich schon einige Empörungswellen miterlebt, wenn aus Weihnachtsmärkten Winter- oder Lichtermärkte werden sollten, wenn Martinszüge in Laternengänge umbenannt werden oder keine Weihnachtsbäume mehr aufgestellt werden sollen. Und es ist sicher richtig, hier wach und aufmerksam zu sein. Viel gefährlicher dagegen finde ich, dass im ganz Kleinen und Alltäglichen das eigentliche Thema des Weihnachtsfestes verschwindet. Die allgegenwärtige Weihnachtsdeko zeigt heute alles, nur meistens nichts mehr, was mit dem biblischen Weihnachten zu tun hat. Weihnachten findet zunehmend ohne Weihnachten statt! Und da kommt ausgerechnet jetzt die Meldung, dass Lindt wegen eines "orientalischen" Adventskalenders Ärger mit Leuten hat, die vorgeben, ein „Christentum“ zu verteidigen? Da gibt es ernsthaft Leute, denen das Christentum zu orientalisch vorkommt.

Ich fürchte, wir Christen haben allen Grund zur Sorge! Weihnachten ist in Gefahr, auch weil aller möglicher Weihnachtsrummel und Weihnachtskitsch die Botschaft vom menschgewordenen Erlöser in der Krippe zu Bethlehem zu überdecken und zu überglitzern droht! Es ist bedrückend, dass offensichtlich viele unserer Zeitgenossen dabei nichts vermissen! Und das sollte uns wirklich motivieren dem Weihnachtsevangelium wieder mehr Raum zu geben, in unserem Leben aber auch und gerade in der Öffentlichkeit. Warum fragen wir nicht im Supermarkt nach christlichen Motiven, warum schreiben wir nicht den Adventskalenderherstellern und erkundigen uns nach Kalendern mit religiösen Motiven? Warum stärken wir nicht noch viel mehr all jene, die sich für die authentische, christliche Botschaft einsetzen? Warum widersprechen wir nicht ausdrücklich all den Leuten, die das Christentum für sich reklamieren, von der Botschaft Jesu Christi aber wenig verstanden haben. Wer „Angst vor dem Fremden“ hat sollte das auch so artikulieren und nicht so tun, als verteidige er ein christliches Abendland.

Markus Gehling ist Pastoralreferent des Bistums Münster und führt den Blog „Kreuzzeichen“

Link zum Adventskalender 1001 Nacht der Firma Lindt.

Foto Symbolbild


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