Schwaderlapp: Die Ad-limina-Ansprache des Papstes ist 'gepfeffert'

11. Dezember 2015 in Spirituelles


Kölner Weihbischof ging in seiner Predigt zum 2. Advent auf die Ad-Limina-Mahnungen des Papstes an die deutschen Bischöfe ein.


Köln (kath.net/pl) kath.net dokumentiert die Predigt von Weihbischof Dominikus Schwaderlapp zum 2. Adventssonntag im Hohen Dom zu Köln am 6. Dezember 2015 in voller Länge (korrigierte Abschrift des Mitschnittes)

Veni sancte spiritus!
I.
Verehrte liebe Schwestern und Brüder,
„unter allen Menschen gibt es keinen größeren als Johannes“ (Lk 7,28). Kein Mensch wurde aus dem Mund Jesu so gepriesen wie Johannes der Täufer. Seine Vorgänger-Propheten, Jeremia und Jesaja, haben auch Heil verheißen, aber sie konnten es nicht einmal ansatzweise erahnen, was dies wirklich bedeutet. Johannes – sechs Monate älter als Jesus – ist der letzte Prophet des alten Bundes und zugleich der erste Zeuge des neuen Bundes, er ist der erste, der auf Christus hinweist und sagt: „Seht, das Lamm Gottes“. Sein Auftrag: Wegbereiter für den Herrn zu sein, damit er in dieser Welt ankommen kann.

Und hier, liebe Schwestern und Brüder, trifft sich die Sendung Johannes des Täufers mit unserer Berufung. Denn auch unser Auftrag ist es, dem Herrn den Weg zu bereiten, dass er heute ankommen kann in dieser Welt, angefangen bei uns selbst und dann bei den anderen Menschen. Also nehmen wir an Johannes Maß, um unsere eigene Berufung besser und tiefer zu verstehen! Wir haben eine prophetische Sendung. Was macht nun einen Propheten zum Propheten?

II.
1. Verheißung
Der Prophet verkündet eine Verheißung: „Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt“ (Lk 3,6), so haben wir eben gehört. Für Johannes ist diese Ankündigung zukünftig. Er vertraut auf das, was ihm offenbart wurde.

Wir, liebe Schwestern und Brüder, sind da in einer viel komfortableren Lage. Wir wissen im Glauben, dass Christus am Kreuz gestorben ist, sich für uns hingegeben hat, von den Toten auferstanden ist, und dass er Sünde und Tod besiegt hat und dass er in der Lage ist, selbst die größten Dunkelheiten in meinem Leben mit seinem Licht zu erfüllen.

Aber die Verheißung, liebe Schwestern und Brüder, ist zuerst in Christus schon Wirklichkeit geworden, aber sie ist zugleich Verheißung für die Zukunft. Der hl. Johannes Paul II. sprach gerne vom „Drama der Erlösung“. Er meinte damit, dass es in uns einen Kampf gibt. Vertrauen wir auf die Verheißung oder setzen wir auf eine verheißungslose Welt ohne Gott und Gebot?

Wenn wir den Blick auf die Verheißung richten, dann ändert sich unsere Perspektive. Es gibt unserem Leben Weite, wenn wir wissen, dass es über der Erde ein Himmel gibt. Es gibt unserem Leben Tiefe, wenn wir wissen, dass wir nicht auf unsere eigene Hinfälligkeit bauen, sondern auf die unverbrüchliche Liebe Gottes. Es gibt unserem Leben Höhe, weil unsere Würde nicht von Menschenhand, sondern von Gott geschenkt ist. Und das alles gibt uns einen inneren Frieden im Bewusstsein: Ich bin von Gott geliebt, getragen und gehalten. Der Prophet richtet unseren Blick auf die Verheißung! Richten wir unseren Blick auf die Verheißung und helfen wir unseren Mitmenschen dies auch zu tun!

2. Mahnung
Johannes verkündete überall „Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden“ (Lk 3,3). Die Verheißung, die Johannes verkündet hat, kann nur in unser Herz eindringen, wenn wir bereit sind zu Umkehr und Neuanfang. Umkehr ist harmlos, solange wir sie von anderen erwarten und fordern. Sie wird dann zum Ernstfall, wenn es um mich persönlich geht. Wo brauchen wir Umkehr? Wo benötige ich Umkehr? Als vor gut zwei Wochen wir deutschen Bischöfe in Rom zum Ad-limina-Besuch waren, hat uns der Hl. Vater eine Ansprache mit auf den Weg gegeben, die gepfeffert ist, mit Mahnungen: Deutliche Worte! Er spricht dort von der „Erosion des Glaubens“ in unserem Land. Ich habe einmal in Wikipedia nachgeschaut, was Erosion bedeutet: Durch unsachgemäße Landnutzung weggeschwemmte, besonders fruchtbare Erde.

Liebe Schwestern und Brüder, die Kirche in Deutschland ist sicher die bestfinanzierte und bestorganisierte der ganzen Welt. Aber was tun wir eigentlich? Wie kann es sein, dass wir - bei all den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen - feststellen müssen, dass Glaubenswissen und Glaubenshaltungen immer mehr schwinden? Nehmen wir eigentlich wirklich unseren Auftrag ernst, den Glauben zu verkünden? In anderen Bereichen machen wir das ja beispielhaft vor: In unserem Erzbistum werden z.B. zur Prävention von sexuellem Missbrauch Hunderttausende geschult, die mit jungen Leuten zu tun haben. Sie müssen ein bestimmtes Curriculum durchlaufen. Gibt es ein solches verpflichtendes Curriculum auch in Fragen des Glaubens? Nein! Papst Franziskus sagte dann noch: „Es werden immer neue Strukturen geschaffen, für die es keine Gläubigen gibt.“ Sind wir bei uns strukturversessen? Kurzum, ein Wort, das uns als Bischöfe und der Kirche in Deutschland zur Mahnung ist.

Und der Heilige Vater führt das dann auch weiter aus, was die Erosion des Glaubens konkret für ihn bedeutet. Er geht auf die hl. Eucharistie und die Beichte ein. Die heilige Messe – das Geschenk der Gegenwart Gottes schlechthin! Weniger als 10% der Katholiken besuchen sie am Sonntag in unserem Erzbistum. Und wenn durch weniger werdenden Priester Messzeiten verändert oder gar an bestimmten Orten nicht jeden Sonntag mehr eine Messe gehalten werden kann, dann bleibt eine ganze Reihe von Leuten der hl. Messe fern. Ist die hl. Eucharistie zu einer Art Folklore unseres Lebens geworden, um unseren Sonntag auszuschmücken? Oder ist sie unsere Lebensgrundlage?

Wir reden vom Neuaufbruch, der in unserer Kirche nötig ist. In der Tat, der ist nötig. Aber eines ist auch klar: Wenn wir den ersten Ruf Jesu „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“, wenn wir uns den Ruf Johannes des Täufers nicht zu eigen machen, wenn wir nicht die Beichte als den Ort der Barmherzigkeit Gottes wiederentdecken, wird es keine Er-neuerung geben! Neuaufbruch können wir nicht selbst machen, sondern nur von Gottes Barmherzigkeit erbitten.

Fragen wir uns also selbst: Wie sieht’s mit meinem Glauben aus? Wie ernst nehme ich ihn? Wie ernst nehme ich die hl. Eucharistie, das Bußsakrament? Bemühe ich mich, meine Haltung, meine Praxis zu vertiefen, um eben wirklich dieses große Geschenk der Barmherzigkeit Gottes erleben zu können? Neben Verheißung und Mahnung kennzeichnet den Propheten ein drittes Kennwort:

3. Widerspruch
Johannes der Täufer hat viel Zuspruch erfahren. Das einfache Volk kam zu ihm, es vertraute auf ihn und glaubte ihm - so sehr, dass die Hohepriester vor diesem Volk Angst hatten. Aber es gab auch den Widerspruch. Als er zu Herodes sagte: „Es ist dir nicht erlaubt die Frau deines Bruders zur Frau zu nehmen.“ (vgl. Lk 2,34), kostete ihn das die Freiheit und am Ende buchstäblich Kopf und Kragen.

Simeon prophezeit dem kleinen Jesus: „Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.“ Liebe Schwestern und Brüder, Widerspruch gehört zum Prophetendasein! Wundern wir uns nicht, dass dies auch heute der Fall ist. Es wird immer wieder davon gesprochen, dass es eine große Diskrepanz gibt zwischen der Lebenswirklichkeit der Menschen und dem, was die Kirche verkündet. Eigentlich ist das eine Binsenweisheit. Das Evangelium hat nicht den Sinn, Wirklichkeit zu beschreiben, sondern ist Prophetie, die verkündet, wohin es gehen soll. Wenn unsere Lebenswirklichkeit schon dem Evangelium entsprechen würde, dann hätte die Kirche ihren Auftrag erfüllt. Also, es gibt diese Diskrepanz, und es gibt diesen Widerspruch. Ich möchte das einmal an zwei Beispielen deutlich machen.

Vor wenigen Wochen wurde im Bundestag das Gesetz verabschiedet, das die kommerzielle Beihilfe zum Selbstmord verbietet. Gott sei Dank! Wenigstens das! Mehr war wohl nicht zu erreichen. Eine Mehrheit für das generelle Verbot war nicht zu bekommen. Aber so dankbar wir für diese Lösung sind, so müssen wir doch klar vor Augen haben: Kein Mensch hat das Recht sich selbst das Leben zu nehmen oder einem an-deren dabei zu helfen! Sterbehilfe kann nicht bedeuten, durch die Hand eines Menschen zu sterben, sondern an der Hand eines Menschen. Und das gilt auch, wenn diese Deutung unseres Glaubens nicht mehrheitsfähig ist.

Ein anderes Beispiel: Im Vorfeld der Familiensynode gab es eine Umfrage, die zu Tage treten ließ, was wir längst wussten. Nämlich, dass die meisten jungen Paare, bevor sie heiraten, zusammenleben. Und dennoch bleibt wahr, was der heilige Papst Johannes Paul II. hier in Köln auf dem Butzweilerhof vor 35 Jahren gesagt hat: „Man kann nicht nur auf Probe leben, man kann nicht nur auf Probe lieben, man kann nicht nur auf Probe sterben, man kann nicht nur auf Probe und Zeit einen Menschen annehmen.“ (Ich muss sagen, ich bekomme bei diesen Worten noch immer eine Gänsehaut. Als kleiner Junge war ich damals dabei auf dem Butzweilerhof, und mir ist immer noch die sonore Stimme Johannes Paul II. im Ohr.)

Liebe Schwestern und Brüder, halten wir an der Wahrheit fest und machen wir diese nicht an der Mehrheit fest. Zum prophetischen Dienst gehört auch das Ertragen von Widerspruch. Das ist nicht immer leicht. Das ging auch Johannes dem Täufer so. Als er im Gefängnis war, da fragte er bangen Herzens: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ (Lk 7,19). Es war ihm schwer. Dann erhielt er von Jesus die klare und tröstende Antwort: Seht, was ich tue. Liebe Schwestern und Brüder, um es einmal drastisch zu formulieren: Wenn wir den Mut zum Widerspruch verlieren, dann verraten wir unsere prophetische Sendung! Halten wir Widerspruch aus, wie Johannes ihn ausgehalten hat.

III.
Liebe Schwestern und Brüder, „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!“ (Lk 3,4). Dieser Ruf des Johannesgeht auch an uns, ist unser Auftrag heute. Nehmen wir unsere prophetische Sendung an der Seite Johannes des Täufers wahr, verwurzelt in der Verheißung, dass Christus der Herr ist und alles umwandelt und sein Licht stärker ist als alle unsere Dunkelheit! Nehmen wir seine Mahnungen zur Umkehr hier und heute ernst und fragen, was das für mein Leben bedeutet! Und schließlich: Haben wir keine Angst vor Widerspruch. Wir sind nicht allein!

Dann werden auch unseren Herzen immer stärker von der Botschaft Johannes des Täufers erfasst, und wir werden begreifen, was er verkünde-te: „Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.“

Amen.
+Dominikus Schwaderlapp

Foto Weihbischof Schwaderlapp (c) Erzbistum Köln


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