Prager Erzbischof weist Kritik an Umgang mit Geflüchteten zurück

27. Dezember 2015 in Weltkirche


Kardinal Duka zu Debatte um mangelnde Aufnahmebereitschaft in EU-Ostländern: "Mitgefühl und Emotion ohne vernünftiges Verhalten führen in die Hölle" - Skepsis über Zusammenleben mit Muslimen


Prag (kath.net/KAP) Der tschechische Kardinal Dominik Duka hat in einem Weihnachtsinterview mit der slowakischen Tageszeitung "Dennik N" zur aktuellen Flüchtlingsthematik Stellung genommen. Der Prager Erzbischof und Vorsitzende der Tschechischen Bischofskonferenz setzte darin deutlich andere Akzente als Kardinal Christoph Schönborn, der vor Weihnachten in einem Gespräch mit dem Pressburger Magazin "Tyzden" und in einer Stellungnahme in der "Kronenzeitung" Kritik an jenen EU-Ostländern geübt hatte, die sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen stellen und europäische Solidarität eingemahnt hatte.

"Mitgefühl und Emotion ohne vernünftiges Verhalten führen in die Hölle", sagte Duka in dem Interview. In dieser "Flüchtlingswelle ohne jede Kontrolle, in der die dazu verpflichteten Staaten völlig versagt" hätten, müsse sorgfältig geprüft werden, "wer tatsächlich hilfsbedürftig und im Leben bedroht ist oder wer auch eine bestimmte andere Mission erfüllt", so der böhmische Primas, der wie Kardinal Schönborn dem Dominikanerorden angehört. Die Flüchtlingswelle bediene bekanntermaßen "auch bestimmte Pläne und Programme der Dschihadisten".

Da es sich aktuell um eine Vertreibungswelle handle, die mit der Vertreibung der Armenier aus dem Osmanischen Reich vor 100 Jahren begonnen habe, sei man in Tschechien "in erster Linie darauf vorbereitet christliche Flüchtlinge aufzunehmen, weil Christen in diesen Ländern permanent verfolgt und von niemand anderem unterstützt werden", führte Duka aus. Man könne "auch nicht einen einzigen Flüchtling aufnehmen, ohne dass dieser einen Überprüfungsprozess durchlaufen hat, den der Staat anbietet und sicherstellt".

Rufe man den Flüchtlingen zu "Kommt und nehmt", müsse man auch etwas anzubieten haben. Faktisch aber verfüge Tschechien weder über genügend Lehrer noch ausreichend Dolmetscher. Außerdem hätten die Flüchtlinge keinerlei Interesse, nach Tschechien, in die Slowakei oder nach Ungarn einzuwandern, meinte der Prager Kardinal. Die Kirche sei sich daher mit der Regierung einig, dass der Prozess "komplex und in internationaler Zusammenarbeit erfolgen muss". Weder alle, noch niemanden aufzunehmen sei richtig, vielmehr müsse man einen kühlen Kopf bewahren und "rational vorgehen", sagte Duka, und hinterfragte die EU-Quoten zur Aufteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten. Man schaffe jetzt Quoten, aber "wohin dann mit jenen, die wir nicht werden haben wollen?", so der Kardinal.

Der Prager Erzbischof berief sich zudem auf den früheren Staatspräsidenten Vaclav Havel (1936-2011). Dieser habe während des Balkankonflikts in den 1990er-Jahren erklärt, alle Flüchtlinge könne man "wirklich nicht aufnehmen", so Kardinal Duka, der mit dem einstigen Mithäftling und späteren Präsidenten bis zu dessen Lebensende freundschaftlich verbunden war. Und auch Papst Franziskus habe einige Wochen nach seinem spektakulären Besuch auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa gesagt, dass man nach den geltenden Gesetzen vorgehen müsse, damit nicht eintritt, was in den 1970er- und 1980er-Jahren durch die italienischen Brigate Rosse, die deutsche Rote-Armee-Fraktion, die baskische ETA und in Libyen passiert sei, das "ein Hauptzentrum des Terrorismus war".

Die kommunistische Tschechoslowakei trage am Konflikt im Nahen Osten eine Mitschuld, da sie in die heute von Bürgerkriegen erschütterten Staaten Waffen exportiert habe. Seit der Samtenen Revolution von 1989 hingegen habe allein Tschechien eine halbe Million Flüchtlinge aufgenommen, vorzugsweise aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und Vietnam sowie "eine große Menge slowakischer Roma". Dieser Zuwachs sei durchaus mit jenem in den westeuropäischen Ländern vergleichbar, so Kardinal Duka zu den Vorwürfen, die Länder der "Visegrad-Vier" (Ungarn, Slowakei, Polen, Tschechien) machten es sich zu leicht und hätten vergessen, wie viele Flüchtlinge der Westen aus ihnen zur Zeit des Kommunismus aufgenommen hätten.

Zu seinen Kontakten mit islamischen Religionsführern befragt, führte der Prager Erzbischof aus, er habe gleich nach seinem Amtsantritt im Jahr 2010 einen Vertreter der Prager muslimischen Gemeinde empfangen und diesem mit einiger Mühe eine Verurteilung terroristischer Anschläge abgerungen. Bald danach habe das Tschechische Fernsehen denselben Mann in einer mit verdeckter Kamera aufgenommenen Szene in einem Gebetssaal gezeigt, wie er die angesprochenen Attacken rühmte. Daher identifiziere er sich "völlig mit jenen, die die Moslems verdächtigen, Beileid nur aus Selbstverteidigung zu bekunden". Aus dreimaliger Lektüre des Korans wisse er, "dass ein gläubiger Moslem nicht verpflichtet ist, mir gegenüber sein Wort zu halten".

Skepsis äußerte Kardinal Duka auch bezüglich des Zusammenlebens verschiedener Religionen auf einem Territorium. "Theoretisch" sei alles möglich, aber man müsse die Realität in Betracht nehmen. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil seien 50 Jahre verstrichen und in akademischen Räumen werde ein Dialog geführt, doch in Wirklichkeit habe sich "das Zusammenleben in den Ländern des Nahen Ostens radikal verschlechtert". Der interviewenden Journalistin empfahl Duka wörtlich: "Liebe Dame, fahren Sie nach Saudi Arabien und verbringen Sie dort einen Monat. Und dann kommen Sie zurück." Auch wenn der Gott von Juden, Christen und Moslems ein einziger sei, bestehe zwischen den Normen des Zusammenlebens nach den Zehn Geboten und dem Koran ein grundlegender Unterschied, der auch durch Gräueltaten der Christen nicht aufgehoben sei.

So wie Kardinal Schönborn in seinem "Tyzden"-Interview, ließ auch Duka seine familiäre Betroffenheit in die Debatte einfließen. Sein Vater sei aus Hitlers "Protektorat Böhmen und Mähren" geflüchtet, um sich als Widerstandskämpfer für die Freiheit und Wiederherstellung der Demokratie einzusetzen. Er habe an die Tür der Schweiz geklopft und das Misstrauen der Eidgenossen über sich ergehen lassen. "Ohne Eingreifen der Londoner Exilregierung wäre das wohl schlecht ausgegangen", berichtete der Kardinal aus der Biografie seines Vaters. Und als die Soldaten schließlich in England angekommen seien, hätten sie es sich dort nicht gut gehen lassen, sondern seien sofort für minimalen Sold in die britische Armee eingetreten, um an der Seite der Alliierten ihre Heimat zu befreien.

Der Vorsitzende der Tschechischen Bischofskonferenz schließt daraus, dass alles daran gesetzt werden müsse, die Ursachen des Konflikts im Nahen Osten zu beseitigen. Deshalb habe auch Papst Franziskus zuallererst die Parole ausgegeben "Stopp der Aggression", danach den vatikanischen Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin zur UNO nach New York geschickt, um dort eine militärische Friedensmission einzufordern, sowie Hilfe an Ort und Stelle verlangt. Erst an vierter Stelle habe der Papst schließlich auch Hilfe für die Flüchtlinge verlangt.

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