17. Jänner 2016 in Interview
Theologe Johannes Hartl äußert im kath.net-Interview Anfragen an Papst-Video: Steht den Produzenten des Videos die katholischen Lehre zum Religionspluralismus noch akut vor Augen? oder werden hier alle Religionen als gleichwertig dargestellt?
Augsburg-Linz (kath.net) Ob man an diesen Jesus glaubt, ist die entscheidende Frage! Ob man meint, aus Liebe zu handeln, ist nicht immer das beste Kriterium. Menschen tun alle möglichen schrecklichen Dinge aus Liebe... Dies sagt der Augsburger Theologe Dr. Johannes Hartl im Interview mit kath.net. Der Leiter des Augsburger Gebetshauses äußert seine Anfragen an das Video zur Gebetsmeinung des Papstes, das vom Vatikan herausgegeben worden ist (Video siehe unten).
kath.net: Herr Dr. Hartl, Sie wirken nicht unbedingt glücklich über das Video zur Gebetsmeinung des Papstes. Doch was vermuten Sie zunächst: Welche positive Absicht steht hinter dem Video?
Hartl: Die Formulierung eines päpstlichen monatlichen Gebetsanliegens ist bewährte Praxis. Ich freue mich, dass dazu nun das Medium des Videos genutzt werden soll, noch dazu auf sehr professionelle Weise. Das Anliegen ist also ganz klar, Menschen dazu zu motivieren, zu beten, dass der interreligiöse Dialog gute Früchte trägt. Das ist ein wichtiges und höchst aktuelles Gebetsanliegen.
kath.net: Wo setzt Ihre Kritik an?
Hartl: Betrachtet man die Machart des Videos, so gewinnt man leicht den Eindruck, hier würden alle Religionen als gleichwertig dargestellt. Während Menschen unterschiedliches glauben, gilt doch letztlich: wir sind alle Kinder Gottes und glauben an die Liebe. Die Unterschiede scheinen eher unwesentlich.
kath.net: Ist es nicht eigentlich egal, in welcher Religion man an Gott glaubt? Viel wichtiger, so sagen heutzutage nicht wenige Menschen, sei es doch, dass man gut sei, irgendwie gut zumindest. Und auf jeden Fall scheint es doch gut zu sein, wenn man etwas aus Liebe tut, oder?
Hartl: Alle Menschen ahnen, dass etwas mit dem Menschen nicht stimmt. Man muss dazu ja nur aus dem Fenster blicken: es gibt das Böse in der Welt. Während alle Philosophien und Religionen der Welt lehren, dass der Mensch sich durch eigene Anstrengung vervollkommnen oder erlösen kann, ist das Christentum das direkte Gegenteil davon.
Die Botschaft des Neuen Testaments ist, dass der Mensch sich aus sich selbst heraus eben nicht zu erlösen vermag, sondern dass Gott selbst Mensch wurde um uns aus freier Gnade und durch den Tod Jesu am Kreuz errettet hat. Ob man an diesen Jesus glaubt, ist die entscheidende Frage! Ob man meint, aus Liebe zu handeln, ist nicht immer das beste Kriterium. Menschen tun alle möglichen schrecklichen Dinge aus Liebe...
kath.net: Für das Christentum wird im Video als Symbol nicht das Kreuz, sondern das Jesuskind gezeigt. Wie wirkt dies auf Sie?
Hartl: Das ist für mich eines der verstörendsten Elemente. Dass eine Gottheit Menschengestalt annehmen kann, das ist in Mythologien und Religionen ja durchaus bekannt. Dass ein Gott sich jedoch aus Liebe so weit erniedrigt, am Kreuz zu sterben: das ist das Radikale am Evangelium.
Durch den Verzicht auf das eindeutige Zeichen des Christentums verstärkt sich bei mir die ungute Empfindung, das Video suggeriere, zwischen dem Anspruch Jesu, der einzige Weg zum Vater zu sein (Joh 14,6), und anderen Wegen gäbe es gar keinen großen Unterschied. Das ist gefährlich.
kath.net: Vertreten das die Christen eigentlich tatsächlich weiterhin: Jesus als Gekreuzigter und Auferstandener ist der Weg zur Erlösung? Lässt sich das irgendwie mit den Erlösungswegen anderer Religionen in Deckung bringen?
Hartl: Der Umgang der katholischen Kirche mit dem Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens im Dialog mit den Weltreligionen war während des Zweiten Vatikanischen Konzils eines der strittigsten Themen. Das Konzil konnte im Dokument Nostra Aetate Formulierungen finden, die die maximale Wertschätzung der Kirche für Menschen unterschiedlichsten Glaubens ausdrückten, ohne dabei den universalen Anspruch Jesu Christi zu verdunkeln. Also konkret: der Mensch ist Gottes Ebenbild und hat diese Würde auch durch den Sündenfall nicht verloren. Er erkennt die Existenz Gottes mit der Vernunft und ein sittliches Gewissen bleibt ihm ins Herz geschrieben. Aus diesem Grund finden sich Spuren der Wahrheit überall dort, wo Menschen sind: auch in anderen Religionen.
Von einer solchen allgemeinen Gotteserkenntnis und dem Ertasten einzelner Wahrheitselemente (vgl. Apg 17,27) grundsätzlich verschieden ist jedoch die einmalige und objektiv ergangene Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus. Er sagt von sich selbst, der Weg, die Wahrheit und das Leben zu sein und niemand kommt zum Vater außer durch mich (Joh 14,6). Jesus ist der einzige, der Gott ist und Kunde brachte (Joh 1,18) und es ist dem Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen als der Name Jesu (Apg 4,12). Gerettet ist eben nicht ein jeder und automatisch, sondern es ergeht der Aufruf, zu glauben und sich taufen zu lassen (Mk 16,16). Darauf nimmt das Konzil in Ad gentes 7 ausdrücklich und mit deutlichem Imperativ Bezug.
Also: es gibt einen ganz gewaltigen Unterschied zwischen Jesus und den menschengemachten Religionen dieser Welt.
kath.net: Sie haben wegen des Videos an den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Müller, geschrieben. Um was geht es in Ihrem Schreiben?
Hartl: Ich habe ihn um eine Erläuterung der katholischen Lehre zum Religionspluralismus gebeten. Diese ist eigentlich ganz klar und erst jüngst in Dominus Iesus wieder bekräftigt worden. Doch dieses Video lässt die Frage aufkommen, ob den Produzenten diese Lehre noch akut vor Augen war. In einer Zeit der Vermischung und Verwässerung des Evangeliums wäre eine Klarstellung hier hilfreich.
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Foto oben (c) Gebetshaus Augsburg
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