Gender-Mainstreaming aus sozialethischer Sicht

26. Jänner 2016 in Kommentar


Vortrag bei der Konferenz „Gender und Sexualpädagogik auf dem Prüfstand der Wissenschaften“ des Aktionsbündnisses für Ehe und Familie in Stuttgart am 23. 1. 2016. Gastbeitrag von Prof. Manfred Spieker


Stuttgart (kath.net) Die politische Implementierung des Gender-Mainstreaming in Deutschland lässt sich in vier Etappen gliedern. 1. Die Beschlüsse der Regierung Schröder/Fischer 1999 und 2000, das Gender-Mainstreaming in Gesetzgebung und Verwaltung durchzusetzen; 2. Die Legalisierung eingetragener Lebenspartnerschaften (2001) mit mehreren Folgeentscheidungen von Justiz und Gesetzgeber, die die Lebenspartnerschaft immer mehr an die Ehe anglichen; 3. die neue Familien- und Krippenpolitik (ab 2006) und 4. die Verpflichtung der Schulen auf die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ (ab 2003).

1. Karriere und Philosophie des „Gender-Mainstreaming“

Die Karriere des Begriffs „Gender-Mainstreaming“ beginnt in Deutschland mit einem Kabinettsbeschluss der Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder und Vizekanzler Joschka Fischer am 23. Juni 1999, ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt. Der Beschluss verpflichtete alle Ministerien auf das Leitprinzip der „Geschlechtergerechtigkeit“. Vier Jahre zuvor hatte die Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Peking das Gender-Mainstreaming propagiert. Sie verabschiedete eine umfangreiche Aktionsplattform zur „Herbeiführung der Machtgleichstellung der Frau“, die zwar das Substantiv „Gender-Mainstreaming“ nicht verwendete, aber von allen Regierungen erwartete, dass sie „promote an active and visible policy of mainstreaming a gender perspective in all policies and programmes“. Damit war das Gender-Mainstreaming geboren. Unter Mainstreaming ist mithin eine Strategie zu verstehen, ein bestimmtes Thema – hier die Geschlechterperspektive – in den „Hauptstrom“ der Politik einzubringen, also zu einer alle Politikbereiche übergreifenden Querschnittaufgabe zu machen. Mit einer Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien am 26. Juli 2000 erhielt das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend dann die herausgehobene Kompetenz, alle Gesetzgebungsverfahren auf ihre Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung zu überprüfen. In den neuen § 2 dieser Geschäftsordnung fand auch der Begriff Gender-Mainstreaming erstmals Eingang. Gender-Mainstreaming geht von der Überzeugung aus, dass das Geschlecht nicht etwas von der Natur Vorgegebenes ist, sondern durch Gesellschaft, Kultur und Sprache determiniert wird. Wollte man der Gender-Theorie einen wahren Kern zugestehen, könnte man sagen, in der Tat ist menschliche Sexualität nicht nur „Natur“, sondern immer auch Kultur. Sie ist nicht nur ein Trieb. Sie bedarf der verantwortungsbewussten Kultivierung, der Beherrschung und der Integration in die Person. Sie ist auf Erziehung angewiesen. Sie ist also nicht nur Gegenstand der Biologie. Aber die Gender-Theorie geht weit darüber hinaus. Es geht ihr nicht um die Kultivierung, sondern um die Dekonstruktion der Sexualität, genauer um die Dekonstruktion der Heterosexualität. Heterosexualität ist für sie ein Synonym für die Beziehung von Mann und Frau, die durch gesellschaftlich oktroyierte Normen geregelt werde. Deshalb spricht die Gender-Theorie häufig nicht nur von Heterosexualität, sondern von „Zwangsheterosexualität“. Wenn das Geschlecht primär eine Konstruktion der Gesellschaft und der Kultur ist, dann gilt auch die Zweigeschlechtlichkeit als eine solche Konstruktion. Jeder Form der Sexualität wird als gesellschaftlicher und kultureller Konstruktion das gleiche Recht zugesprochen. An die Stelle der sexuellen Identität als Mann oder als Frau, die von der Natur vorgegeben ist, tritt die sexuelle Orientierung, die der Mensch selbst wählt, die also allein von seinem Willen abhängen soll.

Gender-Mainstreaming ist in einem ersten Schritt ein Kampf für die Anerkennung der Homosexualität. Ihr sollen der gleiche Rang und der gleiche staatliche Schutz zukommen wie der Heterosexualität. Die Ehe von Mann und Frau darf in dieser Perspektive gegenüber gleichgeschlechtlichen Verbindungen nicht privilegiert werden. Das gilt für alle Rechtsbereiche, insbesondere für das Familienrecht, das Steuer- und Erbschaftsrecht und das Adoptionsrecht. Homosexualität gilt deshalb als „subversiver Protest gegen die Zweigeschlechtlichkeit“ (Uwe Sielert). In einem zweiten Schritt ist Gender-Mainstreaming ein Kampf für die LGBTI-Agenda. Nicht nur homosexuelle, also lesbische und schwule (gay) Lebensweisen sollen heterosexuellen Beziehungen gleichrangig sein, sondern auch bisexuelle und solche, die als „Transgender“, intersexuell oder Queer bezeichnet werden. Der Begriff „Gender“ dient also nicht nur der Dekonstruktion der Geschlechtspolarität, sondern der Relativierung des Geschlechts selbst. Er leugnet eine vorgegebene Natur des Menschen. Diese Leugnung kann durchaus skurrile Formen annehmen, so wenn gefordert wird, die Begriffe Vater und Mutter in standesamtlichen Dokumenten durch die Begriffe „Elter 1“ und „Elter 2“ oder „Progenitor A“ und „Progenitor B“ zu ersetzen, oder wenn die Bundesärztekammer in gendersensiblem Übereifer genetische Labors auffordert, neben den üblichen Geschlechtsbezeichnungen „männlich“ und „weiblich“ noch eine Rubrik für ein drittes Geschlecht „x“ einzuführen.

Judith Butlers Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ (1990, deutsch 1991), das literarische Flaggschiff des Gender-Mainstreaming, dient, wie der Untertitel im englischen Original zum Ausdruck bringt, „the subversion of Identity“, der Zerstörung einer vorgegebenen geschlechtlichen Identität. Die Kategorie „Frau“ ist für Butler, wie für Simone de Beauvoir, nichts Vorgegebenes, sondern „ein prozessualer Begriff, ein Werden und Konstruieren“, bei dem es keinen Anfang und kein Ende gibt. Das gilt dann konsequenterweise auch für den Mann. Die Attribute und Akte geschlechtlicher Identität seien „performativ“, das heißt sie werden erst im konkreten Verhalten geschaffen. Deshalb gebe es „weder wahre noch falsche, weder wirkliche noch verzerrte Akte der Geschlechtsidentität“. Für Elisabeth Tuider sind „Identitäten, geschlechtliche und sexuelle Positionierungen… mit einem Ablaufdatum versehen und sagen höchstens ‚zur Zeit‘ etwas über einen Menschen aus“.

2. Eingetragene Lebenspartnerschaften

Der Gesetzgeber in Deutschland hat sich die Perspektive des Gender-Mainstreaming ab der 14. Legislaturperiode zu eigen gemacht. Das begann mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001, das gleichgeschlechtlichen Verbindungen einen eheähnlichen Status verlieh und durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 als grundgesetzkonform bezeichnet wurde. Dass eine eingetragene Lebenspartnerschaft im Gegensatz zur Ehe nicht auf ein eigenes Kind hin angelegt ist, nicht zu Elternverantwortlichkeit führt und keinen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft leistet, blieb im Gericht eine Minderheitenmeinung. Die Mehrheit wollte nicht sehen, dass Homosexualität generationenblind und lebensfeindlich ist. Der Eifer der Homo-Lobby, in allem Ehe und Familie gleichgestellt zu werden, wollte mit der Dekonstruktion von Ehe und Familie in der Gendertheorie nicht so recht übereinstimmen: Man kämpft um die Legalisierung dessen, was man lange Zeit als überholt geschmäht und als Anachronismus abgelehnt hat. Das Gericht ignorierte im Urteil von 2002 und in weiteren Urteilen den Grund für den besonderen Schutz von Ehe und Familie in Art 6 GG, nämlich deren Beitrag zur Regeneration der Gesellschaft und zur Bildung des Humanvermögens der nächsten Generation durch die familiäre Erziehung. Es band die Privilegierung der Ehe fälschlicherweise an die „heterosexuelle“ Orientierung, um so eine Diskriminierung der Menschen mit homosexueller Orientierung konstruieren zu können. Eine weitere Entscheidung des Gerichts von 2009 zur betrieblichen Hinterbliebenenversorgung von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst wurde denn auch von Verfassungsrechtlern als „ein grobes Fehlurteil“ bezeichnet, „in dem die Richter nicht der Verfassung, sondern dem Zeitgeist folgten“ (Josef Isensee). Der Bundestag beschloss am 20. Juni 2014, einem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts folgend, ein Gesetz zur Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner. Bedenken gegen die Sukzessivadoption hatte das Gericht unter Berufung auf die „ganz überwiegende Zahl der sachverständigen Stellungnahmen“ zurückgewiesen. Sie hätten keine Bedenken gegen das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften geäußert.

Im Zentrum dieser Stellungnahmen steht oft die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums durchgeführte Bamberger Studie von Martina Rupp über „Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften“, die zu dem Ergebnis kam, Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften ginge es genauso gut wie Kindern in heterosexuellen Familien. Dass diese Studie auf einer äußerst zweifelhaften methodischen Grundlage durchgeführt wurde, wird nur selten zur Sprache gebracht. Da es in Deutschland bis dahin keine amtlichen Daten über Kinder in eingetragenen Lebenspartnerschaften gab, wurden homosexuelle Paare in einschlägigen Medien aufgefordert sich für Interviews zur Verfügung zu stellen. Das Ergebnis war vorhersehbar. Am Kindeswohl gab es bei den Paaren, die sich zur Verfügung stellten, keine Zweifel. Auf wesentlich seriöserer Grundlage beruht dagegen eine kanadische Untersuchung von Douglas W. Allen in der Revue of Economics of the Household 2013, dem amtliche Zahlen der kanadischen Statistik zur Verfügung standen und der im Hinblick auf den Schulerfolg von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu dem Ergebnis kam, dass solche Kinder gravierende Nachteile haben: Nur 65 % erreichen den High School Abschluss, Mädchen aus lesbischen Haushalten sogar nur zu 35 % und aus schwulen Haushalten nur zu 15 %. Douglas Allen lässt es als Ökonom offen, was die Ursache für die deutlich größeren Probleme dieser Kinder ist. Er neigt zu der Ansicht, dass Väter und Mütter sich nicht gegenseitig voll ersetzen können. Fest steht für ihn jedenfalls, dass die landläufige Ansicht, es gebe keine Unterschiede, nicht haltbar ist.

3. „Serielle Monogamie“ und Kinderkrippen

Ein dritter bedeutender Schritt der Implementierung des Gender-Mainstreaming war der im April 2006 von Familienministerin Ursula von der Leyen veröffentlichte 7. Familienbericht der Bundesregierung “Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik“. Obwohl er in der öffentlichen Debatte weithin unbeachtet geblieben ist, hat er einen nachhaltigen Einfluss auf die Familienpolitik der Bundesregierung, genauer auf ihre Krippenpolitik, ausgeübt. Er geht wie die Gender-Theorie davon aus, dass Geschlechterrollen gesellschaftliche Konstruktionen sind. Dementsprechend gilt auch die Familie als „eine soziale Konstruktion“. Er sieht in der Familie nicht mehr eine Beziehungseinheit verschiedener Geschlechter und Generationen, für die die natürliche Geschlechter- und Generationendifferenz eine wesentliche Voraussetzung ist, sondern eine Ansammlung von Individuen mit jeweils eigenen Rechten. Die Aufteilung der Arbeiten in Haushalt, Erziehung und Pflege gilt als ein permanenter Aushandlungsprozess. Die auf einer Ehe beruhende Familie aus Vater, Mutter und Kindern, deren Pflege und Erziehung, so Art 6 Abs. 2 GG, „das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ ist, sei als „bürgerliche“ Familie ein „Anachronismus“. In Zukunft werde die Mehrheit der Menschen „unabhängig davon, ob eine Heirat erfolgte oder nicht, im Laufe ihres Lebens multiple Beziehungen mit verschiedenen Lebenspartnern erfahren. Der Wechsel von einem Modell der lebenslangen Ehe zu einem Modell der ‚seriellen Monogamie‘“ sei ein Faktum, das eine grundlegende Veränderung unserer Gesellschaft repräsentiere. Hauptmotiv für das Eingehen einer Ehe, so der 7. Familienbericht, sei „die Maximierung des individuellen Glücks in einer auf Dauer angelegten, qualitativ hochwertigen Beziehung“, die bei unbefriedigendem Verlauf aufgegeben werde, um „nach besseren Perspektiven zu suchen“. Deshalb müsse Familienpolitik „lebenslaufbezogen“ sein.

Kinderkrippen erhalten in einem Familienalltag, dessen Basis die „serielle Monogamie“ ist, und in einer Familienpolitik, die daran anknüpft, eine ganz neue Bedeutung. Sie sind nicht mehr die gelegentlich notwendigen Hilfen zur Unterstützung elterlicher Erziehungsverantwortung, sondern die ruhenden Pole im Alltag einer Patchwork-Familie. Sie sind die Knoten im Netz frühkindlicher Betreuungsorte. „Die Erschließung und Vernetzung der kindlichen Freizeit- und Bildungsorte wird zu einer neuen familialen Aufgabe“. Die „Konstrukteure“ des Familienlebens nehmen diese Aufgabe aber trotz Art 6 Abs. 2 GG nicht mehr selbst wahr. Sie übertragen sie der Gesellschaft. Ihr komme eine „besondere Verantwortung“ für den gelebten Alltag der Familie zu. Patchwork-Familien erziehen also nicht mehr die Kinder, sie vernetzen nur noch die verschiedenen Orte der Erziehung. Die Konsequenz dieser Perspektive war die starke und einseitige Förderung des Krippenausbaus, die mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz 2004 begann und mit dem Kinderförderungsgesetz 2008 beschleunigt wurde. Das Ziel waren 750.000 Betreuungsplätze in Kindertagesstätten und bei Tagesmüttern für rund ein Drittel der Kinder unter drei Jahren. Auch die Kinder im ersten Lebensjahr, deren Betreuung gemäß dem Elterngeldgesetz von 2006 eigentlich zuhause gefördert werden sollte, wurden nun in die Klientel der Krippenbetreuung einbezogen.

4. „Sexualpädagogik der Vielfalt“

Ein weiterer Schritt in der Implementierung des Gender-Mainstreaming in Deutschland sind die Pläne und Beschlüsse verschiedener Bundesländer, die Schulen auf die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ zu verpflichten. Die Strategien der „Sexualpädagogik der Vielfalt“ sind das eigentliche Schlachtfeld des Gender-Mainstreaming. Was ist die „Sexualpädagogik der Vielfalt“? Keine neue Variante des Sexualkundeunterrichts! Auch keine neue Antidiskriminierungskampagne! Die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ bedient sich des unverfänglichen, in der Regel positive Konnotationen auslösenden Begriffs der „Vielfalt“, um den gesamten Unterricht in allen Fächern und Schulstufen dazu zu nutzen, die „Zwangsheterosexualität“ in Frage zu stellen und alle sexuellen Orientierungen und Praktiken als normal und gleichwertig zu präsentieren.

Gender-Mainstreaming, so Uwe Sielert, der akademische Kopf der „Sexualpädagogik der Vielfalt“ auf der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schon 2001, ist für diese Pädagogik nur „ein Anfang in die richtige Richtung“, ein „Baustein im Rahmen einer breiteren sexualpädagogischen Strategie“, an deren Ende das „Diversity-Mainstreaming“ steht. Gender-Mainstreaming helfe, die „kulturell vorgestanzte Dichotomie“ der Geschlechter zu überwinden. Das Diversity-Mainstreaming, das in den seither vergangenen 15 Jahren weit vorangekommen ist, geht einen Schritt weiter. Es will nicht nur die Gleichberechtigung von Homo- und Heterosexualität erreichen, sondern auch „die potenzielle Vielfalt der Lebensweisen… zwischen den polaren Identitätsangeboten“, ermöglichen. Es propagiert darüber hinaus alle Formen der Familie und der Reproduktion, „Generativität“ genannt, einschließlich künstlicher Befruchtung und Leihmutterschaft als gleichwertig. Die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ habe, so Sielert, „Heterosexualität, Generativität und Kernfamilie zu ‚entnaturalisieren‘“ und „Lust, Zärtlichkeit und Erotik als Energiequelle für Lebensmut und Wohlbefinden, auch unabhängig von Ehe und Liebe in allen Altersphasen“ zu vermitteln. Sie soll „Erlebnisräume öffnen, damit Kinder und Jugendliche gleichgeschlechtliches ebenso wie heterosexuelles Begehren ausdrücken und leben können“.

Wie Judith Butler so geht auch Uwe Sielert von einer konstruktivistischen Anthropologie aus, für die es keine menschliche Natur, kein reales Selbst, sondern nur das „erzählte und konstruierte Selbst“ gibt, das „letztlich ein Fluss, ein Prozess, ein Suchgeschehen“ ist. Das Selbst werde „durch unsere Selbstentfaltung und die Konstruktion von Sinn“ gebaut. Wer dagegen auf „kulturell festgelegte Markierungen“ wie Geschlecht, Kernfamilie und biologische Elternschaft Wert lege, wolle nur „dem aufregenden und zugleich befriedigenden Selbstentwurf“ aus dem Weg gehen. Wer mit dieser konstruktivistischen Anthropologie konfrontiert ist, steht etwas ratlos vor der Frage, welches „Selbst“ dann ein Mensch hat, der sich noch nicht oder nicht mehr an der „Konstruktion von Sinn“ beteiligen kann, wie Ungeborene, Neugeborene, demente oder bewusstlose Personen.

In ihrem Standardwerk mit dem Titel „Sexualpädagogik der Vielfalt“ haben Schüler von Uwe Sielert diesen sexualpädagogischen Ansatz dann für die Anwendung in Schule und Jugendarbeit herunter gebrochen. Sie wollen Kindern und Jugendlichen zwischen 8 und 16 Jahren Wege in jene „Erlebnisräume“ weisen, in denen Lust, Zärtlichkeit und Erotik erfahren werden und gleichgeschlechtliches und heterosexuelles Begehren als gleichwertig gelten. Das Lernziel für 13-jährige Jugendliche der 7. Klasse lautet: „Heterosexualität als Norm in Frage stellen“. Die vielfältigen Vorschläge für praktische Übungen im Unterricht umfassen die Erörterung verschiedener Gegenstände wie Dildos, Anti-Baby-Pillen, Vaginalkugeln, Potenzmitteln und Kamasutra, die von 14-jährigen Jugendlichen verschiedenen Parteien eines Mietshauses zugeordnet werden sollen und die Konstruktion eines „Puffs für alle“, bei der Jugendliche ab 15 Jahren von der Übungsleitung ermuntert werden sollen, „Sexualität sehr vielseitig zu denken“, um ein Angebot für die verschiedenen sexuellen Vorlieben bereithalten zu können und ein „Freudenhaus der sexuellen Lebenslust“ zu kreieren. Auch Körperübungen, die für Beziehungen relevant sind, werden von den Autoren vorgeschlagen. So sollen Jugendliche ab 16 Jahren in einer „Rückenwalzer“ genannten „Intensivübung“ sich paarweise aufmerksam anschauen, dann Rücken an Rücken setzen und bei Entspannungsmusik fünf Minuten ihre Körper gegenseitig erspüren, um sich danach über ihre Empfindungen auszutauschen. In einer „Gänsehaut“ genannten Übung für Kinder ab 10 Jahren sollen sich die Teilnehmer mit leichter Bekleidung in einem „von außen nicht einsehbaren Raum“ auf Decken legen und ebenfalls bei leiser Entspannungsmusik an empfindlichen Körperstellen streicheln.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg bietet Lehrern mit ihrer „Unterrichtshandreichung“ „Lesbische und schwule Lebensweisen – ein Thema für die Schule“ eine Indoktrinationsanleitung an, in der gezeigt wird, wie sexuelle Vielfalt in allen Schulfächern zum Thema gemacht werden kann, um dem „heimlichen Lehrplan“ entgegenzuwirken, „der die Heterosexualität zur nicht hinterfragbaren Norm macht“. Im fächerübergreifenden Unterrichtsentwurf ab Klasse 7 sollen Schüler Fragen beantworten wie „Woher glaubst du kommt deine Heterosexualität?“ und „Wann und warum hast du dich entschlossen, heterosexuell zu leben?“ In den Bausteinen für den Religionsunterricht behauptet die Unterrichtshilfe, dass die neutestamentlichen Aussagen zur Homosexualität „in den Kontext der antiken Kultur“ gehören, die sich aber „letzten Endes gegen die zentralen Impulse des Evangeliums nicht behaupten“ konnten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist überzeugt, dass bereits Kindergärten und Kindertagesstätten „Sexualaufklärung flächendeckend als Bildungsaufgabe wahrnehmen müssen“. Sie bietet Materialien an, die der „Sexualpädagogik der Vielfalt“ folgen. Die Kindergartenbox „Entdecken, Schauen, Fühlen“ mit den Stoffpuppen Lutz mit Penis und Hoden und Linda mit Scheide schließt an das Aufklärungsbuch „für Kinder und ihre Eltern“ von Frank Herrath und Uwe Sielert „Lisa und Jan“ an. Ziel beider Angebote ist es, den Kindern deutlich zu machen, dass sie spielerisch sexuelle Lusterfahrungen sammeln sollen.

Die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ geriet wegen des Lehrbuchs von Tuider u.a. und des Aufklärungsbuches „Lisa und Jan“ von Herrath und Sielert ab 2014 zunehmend in die Kritik. Den Büchern wurde Anleitung zum Sex, Verletzung des Schamgefühls der Kinder und Jugendlichen, Verwischung der Grenzen zwischen den Generationen und Übernahme der pädophilen Propaganda vorgeworfen. Der Missbrauchsbeauftrage der Bundesregierung Johannes-Wilhelm Rörig kritisierte diese Aufklärung als „grenzüberschreitend und nicht akzeptabel“. Verschiedene Landesregierungen, so Hamburg und Baden-Württemberg, gingen auf Distanz zu dem Buch und erklärten, es in der Liste der empfohlenen Literatur streichen zu wollen. Aber keine rot-grüne Landesregierung hat deshalb die Absicht aufgegeben, die Schulen auf die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ zu verpflichten. Auch das von CDU und SPD regierte Saarland hat sich die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ zu eigen gemacht. In den Richtlinien zur schulischen Sexualerziehung von 2013 gelten „Hetero-, Bi-, Homo-, Trans- und Intersexualität“ als „gleichwertige Ausdrucksformen des menschlichen Empfindens und der menschlichen Identität“.

Mehrere Bundesländer haben umfangreiche Aktionspläne verabschiedet (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Berlin) oder vorbereitet (Baden-Württemberg), in denen eine Fülle von Maßnahmen zur Förderung der „Diversity“ aufgelistet wird. Auch das von CDU und SPD regierte Sachsen-Anhalt hat am 29. Januar 2015 einen von den Oppositionsfraktionen der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen beantragten Aktionsplan gegen Homophobie beschlossen. Diese Aktionspläne betreffen nicht nur die Schulen, sondern die gesamte Verwaltung einschließlich der Kommunen, die Polizei und die Justiz, Kindergärten und Hochschulen, soziale Einrichtungen, Rundfunk- und Fernsehräte und auch die Zivilgesellschaft. Sie werden begleitet von der Errichtung neuer Abteilungen und Referate in Ministerien, neuen Haushaltstiteln und breiten Fördermaßnahmen für schwule und lesbische Interessengruppen, Aufklärungsinitiativen und Beratungseinrichtungen. Sie wollen nicht nur Diskriminierungen abbauen und Toleranz fördern, sondern eine „sichtbare Wertschätzung von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen und geschlechtlichen Identitäten in der Gesellschaft fördern“. Gruppen, die kein Interesse an der sexuellen Vielfalt haben oder sie ablehnen, wird dagegen mit Umerziehungs- und Sanktionsmaßnahmen gedroht. So verpflichtet Berlin alle Empfänger öffentlicher Leistungen und Fördermittel „in besonderer Weise…, sich mit der kulturellen Vielfalt und der Unterschiedlichkeit sexueller Orientierung, Identitäten und individuellen Lebensentwürfen auseinander zu setzen.“ Der Senat wird aufgefordert, einen Dialog mit den Religionsgemeinschaften zu führen, „um Akzeptanz sexueller Vielfalt zu erreichen“. Auch Schleswig-Holstein sieht in Kirchen und Religionsgemeinschaften ein Hindernis für die Diversity-Politik. Die Ministerien sollen ihre Maßnahmen gegen Diskriminierung und Homophobie ausbauen. Dazu gehöre u.a. „die Auseinandersetzung mit Glaubensgemeinschaften“.

Das Gender-Mainstreaming hat sich in den vergangenen 15 Jahren weitgehend durchgesetzt. Seine Implementierung hat Deutschland verändert. Homosexualität gilt in Deutschland wie in den meisten Staaten des Westens inzwischen als „normal“. Nur eine Minderheit sieht dies anders und eine noch kleinere Minderheit wagt dies auch auszusprechen und praktizierte Homosexualität als unsittlich zu bezeichnen. Viele Maßnahmen in den Aktionsplänen der Bundesländer zwingen zu dem Schluss, dass Kritiker der Homosexualität, der Diversity-Politik und der „Sexualpädagogik der Vielfalt“ als „homophob“, also als krank und behandlungsbedürftig gelten. Den Unterschied zwischen der Bewertung der Homosexualität und der Diskriminierung von Menschen mit homosexueller Orientierung zu verwischen, verstößt jedoch gegen die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Rücksichtnahme auf unterschiedliche Werthaltungen in Fragen der Sexualität und gegen einen vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen von 2007, dass nämlich zwischen der Bewertung der Homosexualität und der Achtung des gleichen Eigenwerts eines jeden Menschen ungeachtet seiner sexuellen Orientierung ein Unterschied zu machen sei.

Die Antidiskriminierungskampagne der Homo-Lobby nimmt inzwischen selbst diskriminierende Formen an. Es genügt ihr nicht, „dass sie die Entfaltungsfreiheit für ihre Klientel und die Meinungsführerschaft erstritten hat, sie will jetzt der Minderheit, die noch immer eine abweichende Meinung vertritt, die Freiheit nehmen, Homosexualität weiterhin negativ zu bewerten und ihr Verhalten gegenüber Dritten an dieser Bewertung zu orientieren“ (Christian Hillgruber). So wurde Rocco Buttiglione 2004 als designierter italienischer EU-Kommissar für Justiz wegen seiner katholischen Bewertung praktizierter Homosexualität als Sünde vom Innenausschuss des EU-Parlaments an der Übernahme des Amtes gehindert. Die katholische Kirche in Großbritannien sah sich 2014 genötigt, kirchliche Agenturen für Adoptionsvermittlung zu schließen bzw. ihnen die Unterstützung zu entziehen, weil sie durch „Antidiskriminierungsgesetze“ gezwungen wurden, Kinder auch an gleichgeschlechtliche Paare zu vermitteln. Die Gender-Lobby will nicht nur Toleranz, sie besteht auf Akzeptanz. Sie verlangt, ihre Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität gutzuheißen. Akzeptanz zu verweigern heißt für sie diskriminieren. Die Gender-Lobby benimmt sich wie Heinrich VIII., dem es im 16. Jahrhundert nicht genügte, dass sein Kanzler Thomas Morus zu seiner Scheidung und Wiederverheiratung schwieg. Er bestand darauf, dass Thomas Morus seine neue Ehe gutzuheißen habe. Weil Thomas Morus, wie auch der Bischof von Rochester John Fisher als einziger der englischen Bischöfe, dies in Treue zur katholischen Lehre ablehnte, wurden beide hingerichtet.

5. Gender-Mainstreaming und die Christen

Es fehlt nicht an kritischen Stimmen von Christen gegenüber dem Gender-Mainstreaming. Aber es fehlt auch nicht an Stimmen und Beschlüssen, die das Gender-Mainstreaming in die Kirchen implementieren wollen. Unter letzteren ragt die Familien-Denkschrift der EKD von 2013 hervor, die „Familie neu denken“ und die Vielfalt von privaten Lebensformen unterstützen will. In der katholischen Kirche reichen die positiven Stimmen zum Gender-Mainstreaming von naiver Rezeption der Gender-Perspektive wie z. Bsp. im Gender-Flyer zweier Pastoralabteilungen der Deutschen Bischofskonferenz „Gender-katholisch gelesen“ vom Oktober 2015 über problematische Anpassungen zum Bsp. in den familienpolitischen Beschlüssen des ZdK von 2008 und 2015 oder in Revisionen des kirchlichen Arbeitsrechts durch die Deutsche Bischofskonferenz 2015 bis zu Positionen von Theologinnen, die mit missionarischem Eifer das „befreiende Potential“ der Gender-Perspektive für die Kirche fruchtbar machen wollen. Kritische Stellungnahmen zum Gender-Mainstreaming fehlen dennoch nicht: Sie finden sich in Veröffentlichungen der Glaubenskongregation, im Kompendium der Soziallehre des Päpstlichen Rates Justitia et Pax, in Reden von Papst Benedikt XVI., in Bemerkungen von Papst Franziskus und nicht zuletzt in seiner Enzyklika Laudato Sí, in zahlreichen Erklärungen nationaler und regionaler Bischofskonferenzen sowie einzelner Bischöfe. Auch an kritischen wissenschaftlichen und journalistischen Publikationen aus katholischer Perspektive fehlt es in den vergangenen Jahren nicht (z. Bsp. G. Kuby; M. von Gersdorff). Stellungnahmen der Deutschen, der Schweizer oder der Österreichischen Bischofskonferenz sind bisher allerdings nicht zu finden und solche einzelner Bischöfe sind rar. Zu den wenigen Ausnahmen unter den Bischöfen gehören Voderholzer (Regensburg), Oster (Passau), Hanke (Eichstätt), Algermissen (Fulda), Huonder (Chur) und die Weihbischöfe Renz (Rottenburg) und Laun (Salzburg). Eine ausführliche Kritik aus schöpfungstheologischer Perspektive ist die Salzburger Erklärung der Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften (2015), die Werner Neuer initiiert hat.

Die theologische Kritik der Gender-Theorie geht von der biblischen Anthropologie aus, die im Buch Genesis und im Neuen Testament grundgelegt ist: Gott hat den Menschen als Mann und als Frau erschaffen und füreinander bestimmt zur gegenseitigen Hingabe und Mitwirkung an seiner Schöpfung. Der Leib und die Generativität, die „blinden Flecken der Gender-Theorie“ (Hanna-Barbara Gerl-Falkovits), sind die ontologischen Voraussetzungen von Ehe und Familie. Wenn die theologische Kritik am Gender-Mainstreaming die Dualität und die Generativität der Geschlechter verteidigt, dann ist das nicht Biologismus oder essentialistische Geschlechteranthropologie, sondern ein Faktum menschlicher Existenz zu allen Zeiten, in allen Kulturen und Religionen. Dieses Faktum anzuerkennen, ist die conditio sine qua non für die Kultivierung der Sexualität und die Humanisierung menschlicher Beziehungen. Nicht die Rivalität, sondern die Komplementarität von Mann und Frau steht im Zentrum dieser Verteidigung – eine Komplementarität, die gelingen aber auch misslingen kann. Sie zum Gelingen zu bringen, ist die lebenslange Aufgabe von Mann und Frau, die dazu bestimmt sind, füreinander da zu sein. Die tiefe Unwahrheit der Gender-Theorie, so Benedikt XVI. am 21. Dezember 2012, liege darin, dass sie leugnet, dass der Mensch „eine von seiner Leibhaftigkeit vorgegebene Natur hat“. Die im Umgang mit der Umwelt so oft beklagte „Manipulation der Natur … wird hier zum Grundentscheid des Menschen im Umgang mit sich selber… Wenn es aber die von der Schöpfung kommende Dualität von Mann und Frau nicht gibt, dann gibt es auch die Familie als von der Schöpfung vorgegebene Wirklichkeit nicht mehr“. Das Kind wird dann aus einem eigenen Rechtssubjekt zu einem Objekt, das man sich beschaffen kann. Wo aber „die Freiheit des Machens zur Freiheit des Sich-selbst-Machens wird, wird notwendigerweise der Schöpfer selbst geleugnet und damit am Ende auch der Mensch als göttliche Schöpfung, als Ebenbild Gottes im Eigentlichen seines Seins entwürdigt“. Bereits in seiner Rede im Deutschen Bundestag am 22. September 2011 wies Benedikt XVI. die Gender-Theorie zurück: Der Mensch habe „eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur achtet, sie hört und sie annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat“.

6. Die neue Gnosis

Die Gender-Theorie geht demgegenüber davon aus, dass die Kategorien Frau und Mann nichts Vorgegebenes, sondern „prozessuale“ Begriffe sind, Konstruktionen, bei denen es keinen Anfang und kein Ende gebe. Geschlechtliche Identität ist für sie nicht eindeutig, nicht klar und selbstverständlich, sondern kontingent, fluid, nur zeitweise fixiert. Sie ist „perfomativ“, ein jederzeit veränderbares Produkt des menschlichen Willens. Der handhabbare, tätowierbare und in Prostitution oder Leihmutterschaft verkaufbare Körper tritt an die Stelle des vorgegebenen Leibes. Damit steht die Gender-Theorie in einer langen Tradition einer tiefen Leibfeindlichkeit, die bis in die Gnosis der frühen Christenheit zurückreicht, die im Leib wie in der Materie schlechthin ein Gefängnis des Willens sah und die davon ausging, dass der Mensch ein Gott sei, eingesperrt in die dumpfe Trägheit des Fleisches. In der Perspektive der neuen Gnosis sind wir nicht der, der zu sein wir meinen, sondern Götter, die noch in der Körperlichkeit gefangen sind. Die Erkenntnis, dass wir göttergleiche Alleskönner sind – auch im Hinblick auf die Sexualität und die Generativität – gilt als Bedingung der Befreiung. Sie soll allein von unserem Willen abhängen. Wir bestimmen dann, was Liebe ist. Wir bestimmen auch, was Leben ist. Wir bestimmen, ob ein Embryo schon und ein pflegebedürftiger oder dementer Patient noch ein Mensch ist. Der Wille maßt sich an, einem Menschen sein Menschsein zu- oder abzusprechen. „Pro Choice“ heißt die Bewegung, die beansprucht, dem menschlichen Willen diese Souveränität zuzusprechen und der Gegenseite, der Bewegung „Pro Life“, die Legitimität abzusprechen.

Eine Lehre, die davon ausgeht, dass die Geschlechterdualität anzunehmen ist, dass eine Ehe ein lebenslanges Bündnis eines Mannes und einer Frau und die Bedingung der Generationenfolge ist, die überzeugt ist, dass das Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu schützen ist, die sich deshalb „Pro Life“ engagiert, gilt in dieser Perspektive als eine Fessel, die unsere Freiheit bedroht. Die „Genderwissenschaften“, das Geheimwissen einer Elite von gendersensiblen Philosophinnen und Theologinnen, soll die Befreiung aus dem Gefängnis der vorgegebenen Leiblichkeit ermöglichen. Dieser neuen Gnosis ist entgegenzuhalten: Wer die Differenzen zwischen Mann und Frau als Biologismus kritisiert, die Geschlechterdualität in ein „Kontinuum“ auflöst, die Empfängnis als Fortpflanzungszentriertheit denunziert und die sexuelle Identität als eine Frage des subjektiven Willens behandelt, gefährdet das Glück zwischenmenschlicher Beziehungen und damit auch das Gemeinwohl.

Diese neue Gnosis bedarf der Kritik. Manchmal bringt ein Dichter oder Liedermacher diese Kritik knapper und treffender zum Ausdruck als ein Wissenschaftler. Der Liedermacher, mit dem ich schließen will, heißt Paul Janz, evangelischer Theologe aus Kanada, sein Übersetzer Jürgen Werth. Das Lied beginnt mit den Worten: „Vergiss es nie: Dass du lebst, war keine eigene Idee, dass du atmest kein Entschluss von Dir. Vergiss es nie, dass du lebst, war eines anderen Idee, und dass du atmest, sein Geschenk an dich“.

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Foto Prof. Spieker: © www.kath-theologie.uni-osnabrueck.de



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