11. Februar 2016 in Chronik
Die Sünde des Schweigens hatte die Lebensschützerin wohl nie zu beichten gehabt. Man darf nicht schweigen, wenn andere die Erlaubnis, Kinder zu töten, den europäischen Werten zurechnen wollen. Predigt zu Trauerfeier. Von Bischof Andreas Laun
Salzburg (kath.net) Es ist mir eine Freude und Ehre, die hl. Messe für Johanna Gräfin von Westphalen zu feiern und in dieser predigen zu dürfen. Ich möchte einfügen: Kardinal Meisner wäre sehr gerne gekommen, er ist leider verhindert, lässt aber durch mich seinen Gruß bestellen und seine innere Teilnahme! Eine Predigt ist nicht eine Laudatio, ihr Thema ist immer Gott, aber zu solchem Anlass halte ich besonders Ausschau nach dem besonderen Licht, das Seine Offenbarung auf das Leben und Sterben unserer lieben Verstorbenen wirft.
Gräfin Johanna von Westphalen? Von wem rede ich? Sie haben Sie viel besser gekannt, ich leider nur von Begegnungen bei Pro-Life-Veranstaltungen und natürlich auch durch ihre öffentlichen Stellungnahmen und das, was von ihren Taten berichtet wurde. Aber solches Kennen ist genau besehen wichtiger als ein sich Kennenlernen bei irgendeinem gesellschaftlichen Ereignis!
Johanna war nicht nur biologisch verwandt mit dem seligen Erzbischof Clemens von Galen, sie war vor allem geistig mit ihm verwandt. Beide, der Erzbischof und die Gräfin kämpften gegen denselben Geist des Tötens und des Abfalls von Gott. In diesem Sinn verwandt war sie auch mit vielen anderen großen Persönlichkeiten, Frauen und Männern, unserer Zeit. Der gemeinsame Nenner, der sie, an die ich dabei denke, auszeichnete und auszeichnet, war und ist der Glaube an die Kirche Jesu Christi, an die Gebote Gottes und an die sich keiner politischen Korrektheit beugende Liebe zur Wahrheit.
Der große deutsche Philosoph Dietrich von Hildebrand diagnostizierte kurz vor seinem Tod als die heutige Zeitkrankheit in Kirche und Gesellschaft das fehlende Ernstnehmen der Wahrheits-Frage und ihre heutige Diskriminierung durch die 1000fach wiederholte Frage des Pilatus, was Wahrheit denn sei! Auch Benedikt XVI. legte bekanntlich nicht nur einmal den Finger auf diese Wunde unserer Zeit.
Unsere Gräfin hat die Frage nach der Wahrheit nicht nur mit Worten, sondern auch in ihrem Handeln klar beantwortet. So war sie eine jener Christen, die in wahrhaft katholischer Einheit mit dem heiligen Papst Johannes Paul II. dem Papst des Evangeliums des Lebens, und mit Papst Benedikt XVI., dem Papst des Evangeliums der Wahrheit, dachte und arbeitete.
Wenn ich an die Gräfin denke, denke ich nicht nur an eine sehr schöne und liebenswürdige Frau, sondern eine, die beseelt war von der Liebe zur Wahrheit. Diese führte sie gemäß den Zeichen der Zeit in ihre unermüdliche Arbeit für den Schutz des Lebens, der zu ihrer Berufung wurde.
Diese Arbeit war, das war vom Thema her unvermeidbar, nicht immer nur höflicher Dialog, manchmal auch heftiger Kampf, weil man angesichts von Feuer und Verbrechen nicht mit sanfter Stimme und bescheidenen Handzeichen um Hilfe bitten oder gar warten darf, bis es andere auch bemerken. In manchen Situationen ist Schweigen Sünde, sagt Gregor der Große, laut rufen und demonstrieren hingegen Tugend.
Die Sünde des Schweigens hat unsere Gräfin wohl nie zu beichten gehabt, sie war eine Prophetin unserer Zeit! In einer Zeit, die sich mit ihren Mehrheits-Gesetzen über Gottes Gesetz erhebt.
Die mahnende Rede von Papst Benedikt XVI. im Berliner Reichstag über die notwendige Humanökologie, in der er an das Naturrecht erinnerte, an das Gottesgesetz, das über jedem Menschengesetz steht, blieb ungehört! Man redet bevormundend und patzig von europäischen Werten und rechnet zu diesen voll Heuchelei die Erlaubnis. Kinder zu töten! Unsere Gräfin Johanna hat das verstanden, sie hat nicht geschwiegen und sie hat gekämpft so gut es ging!
Gott allein weiß, wie viele Kinder sie durch ihren Einsatz vor dem Tod bewahrt hat. Wie schön wäre es, würden sie jetzt hier in der Kirche den Mittelgang oder noch mehr Raum füllen, und wir könnten sie sehen!
Nicht nur Sie, auch ich war überrascht, als ich gebeten wurde, das Evangelium zuzulassen, das wir gehört haben. Der Jesajatext, der wieder ganz anders überraschend gewesen sein mag, war meine Idee.
Zunächst zum Evangelium:
War es nicht leicht, bei diesem Text an unsere Johanna zu denken? Nein, sie wurde nicht ins Gefängnis geworfen, das nicht, und man hat sie auch nicht ermordet. Aber verfolgt, verspottet und beschimpft hat man sie natürlich schon! Eine Art Verfolgung hatte sie, alles in allem, sehr wohl zu erdulden. Aber, sie ist standhaft geblieben, und so hat sie wohl, wie Jesus ihr zuruft, ihr Leben gewonnen.
Erzbischof Dyba wurde kurz vor seinem Tod gefragt, ob ihm seine Außenseiterrolle nicht unangenehm sei. Er sagte: Ich werde in mehr oder weniger kurzer Zeit vor Gott in der Ewigkeit stehen. Da werde ich doch jetzt keine Zeit mehr dazu verschwenden, faulen Kompromissen nachzujagen oder um Mehrheiten, in welchen Gremien auch immer, besorgt zu sein. Die Stunde ist da, um Gottes Botschaft - und dazu gehören auch seine Gebote - in Klarheit und Wahrheit zu verkünden. Das hatte Johanna auch sagen können!
Und was die Lesung betrifft: Jesaja redet von der Notwendigkeit, nicht zu schweigen. Genau, hätte Johanna gesagt, man darf nicht schweigen, auch wenn andere die Erlaubnis, Kinder zu töten, den europäischen Werten zurechnen wollen!
Gott nennt dich, sagt Jesaja, meine Vermählte und Gott freut sich über Dich wie eine Bräutigam über seine Braut. Diese Liebeserklärung Gottes gilt jedem von uns, aber heute lausche ich ihr voll Freude und beziehe sie auf unsere geliebte Johanna, die von uns gegangen ist, aber nicht für immer, uns nur voraus!
Evangelium und Lesung der Trauerfeier:
Lukas 21,12-20:
Aber bevor das alles geschieht, wird man euch festnehmen und euch verfolgen. Man wird euch um meines Namens willen den Gerichten der Synagogen übergeben, ins Gefängnis werfen und vor Könige und Statthalter bringen. Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können. Nehmt euch fest vor, nicht im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen; denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, so dass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können. Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern, und manche von euch wird man töten. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden. Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen
Jesaja 62:1-5:
Um Zions willen schweige ich nicht, und um Jerusalems willen lasse ich nicht ab, bis ihre Gerechtigkeit hervorbricht wie Sonnenglanz und ihr Heil entbrennt wie eine Fackel; bis die Heiden deine Gerechtigkeit sehen und alle Könige deine Herrlichkeit und du mit einem neuen Namen genannt wirst, welchen des HERRN Mund bestimmen wird; bis du eine Ehrenkrone in der Hand des HERRN und ein königlicher Kopfbund in der Hand deines Gottes sein wirst; bis du nicht mehr «Verlassene» heißest und dein Land nicht mehr «Wüste» genannt wird, sondern man dich «Meine Lust an ihr» und dein Land «Vermählte» nennen wird; denn der HERR hat Lust zu dir und dein Land wird wieder vermählt sein. Denn wie ein Jüngling sich mit einer Jungfrau vermählt, so werden sich deine Kinder dir vermählen; und wie sich ein Bräutigam seiner Braut freut, so wird sich dein Gott über dich freuen.
Siehe dazu auch den kath.net-Artikel "Johanna Gräfin von Westphalen verstorben" (einschließlich Nachruf der "Christdemokraten für das Leben").
KATH.NET-Interview mit Johanna Gräfin von Westphalen
Der Salzburger Weihbischof Andreas Laun predigt beim Requiem des Salzburger Alt-Erzbischofs Georg Eder
Foto oben © kathpedia/bearbeitet
© 2016 www.kath.net