Esoterik und New Age – die sanfte Verführung zum Egoismus

23. März 2016 in Kommentar


Was sind Esoterik und New Age, wo haben sie ihren Ursprung, welche Weltanschauungen stehen dahinter? Gastbeitrag von Diakon Markus Michael Riccabona, bekehrter „Esoterik-Guru“, heute Leiter des Referats für Kommunikation der Diözese St. Pölten


St. Pölten (kath.net) Der zum Alltagsvokabel gewordene Begriff „Esoterik“ kommt vom griechischen esôterikós, was so viel wie „innerlich“ oder „nach innen gerichtet“ bedeutet. Im Gegensatz zum „exoterischen Wissen“, das „nach außen“ allgemein zugänglich ist, bezeichnet die Esoterik eine geheime Lehre oder Wissenschaft. Durch dieses Attribut ist eine Lehre oder auch Gemeinschaft für viele Menschen schon interessant, weil es das Ego aufwertet, zu einer besonderen Gruppe zu gehören, Zugang zu „geheimem“ Wissen zu haben. Der Esoteriker ist etwas „Besonderes“, ein „Auserwählter“, der – so glaubt die Esoterik – durch „gutes Karma“, also durch eigene (!) Verdienste, das Recht erworben hat, okkulte (= verborgene) Geheimnisse des Lebens zu erfahren.

Esoterik ist nicht vom Zwillings-Begriff New Age zu trennen. Oft werden die beiden Begriffe synonym verwendet, obwohl New Age etwas anderes bedeutet, das jedoch mit den Lehren der Esoterik in engem Zusammenhang steht. Immer schon träumten die Menschen von einem „Neuen Zeitalter“, in dem auf Erden himmlische Zustände verwirklicht werden. Es ist vielleicht eine Art Echo aus dem Garten Eden, die ewige Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Für die New-Age-Ideologie ist dieser „Himmel“ jedoch vom Menschen selbst erreichbar, aus eigener Kraft. Genau darin liegen die großen Versuchungen und Gefahren von Esoterik- und New-Age-Angeboten.

Das „Wassermannzeitalter“

Anhand des New-Age-Begriffes wird auch eine weitere Eigenheit dieses Irrglaubens sichtbar: die Verknüpfung von wissenschaftlichen Tatsachen mit esoterischen Heilsversprechen. So wird den – für sich gesehen oft abstrusen – Lehren der Anstrich von Wissenschaftlichkeit und damit von Seriosität gegeben. Deswegen soll der Ursprung von New Age genauer untersucht werden:

Es geht dabei um die ideologische Vereinnahmung der Präzession der Erdachse. Was ist darunter zu verstehen? Wir kennen drei Bewegungen der Erde, zwei davon sind gut bekannt und offensichtlich. Die eine ist die Rotation der Erde um die eigene Achse, die wir als Tag-Nacht-Rhythmus erfahren. Die zweite ist der Jahreszyklus, wenn sich die Erde in 365,25 Tagen einmal um die Sonne dreht. Die dritte Bewegung bezeichnet einen größeren Zyklus und ist in einem einzigen Menschenleben nicht nachvollziehbar: Die geneigte Erdachse vollzieht eine Kreiselbewegung, und zwar einmal in 24.000 Jahren. Unser Planet torkelt bildlich gesprochen durch das All. Durch diese Kreiselbewegung verändert sich – langsam aber doch – die Position der Erde gegenüber dem Fixsternhimmel.

Nun steht die Sonne des ersten Frühlingstages, wenn sie nach der Äquinox am Horizont erscheint, in einem bestimmten Sternbild des Zodiaks. Zurzeit ist das das Sternbild des Wassermanns. Das war – durch die Kreiselbewegung der Erdachse – nicht immer so. Erst in den 60er-Jahren, zurzeit des „Hair“-Hits „Age of Aquarius“, begann der so genannte Frühlingspunkt in das Zeichen des Wassermanns vorzurücken. Deswegen nennen Esoteriker „ihr“ neues Zeitalter auch „Wassermannzeitalter“. Der Frühlingspunkt rückt jährlich ein Stückchen im Tierkreis vor (Präzessi¬on/Vorrückung), bis nach 24.000 Jahren ein Zyklus vollendet und der gesamte Zodiak „durchwan¬dert“ ist. Alle 2.000 Jahre tritt der Aufgang der Frühlingssonne in ein neues Tierkreiszeichen ein. Soweit die Fakten.

Was die New-Age-Ideologie nun macht, ist, dass sie den einzelnen Sternbildern besondere Kräfte mit bestimmten Eigenschaften zuweist, die im jeweiligen Zeitalter einen besonderen Einfluss auf die Menschen haben. So soll das „Wassermannzeitalter“ die Menschen auf eine „höhere Bewusstseinsebene“ heben, wo sie ihre „wahre göttliche Identität“ erkennen können. Natürlich nur diejenigen, die dafür reif, vorbereitet und „gereinigt“ sind. Wir erinnern uns: Esoteriker sind etwas Besonderes!

Der völlig absurden Vorstellung, dass Millionen von Lichtjahren entfernte Sterne – die auch nur vom Blickwinkel der Erde aus zu einem gemeinsamen Sternbild gehören – irgendeinen „energetischen“ Einfluss auf die geistig-seelische Entwicklung von uns Menschen haben könnte, begegnen die Esoteriker mit einer anderen Falle: dem „Beleg“ aus der Bibel und der christlichen Tradition. Die Esoteriker verschiedenster Richtungen zitieren gerne die Bibel, nehmen Verse aus dem Zusammenhang und benutzen sie für ihre eigenen Zwecke. Sie betreiben damit Häresie (von griechisch haíresis, Wahl, Auswahl) im wahrsten Sinn des Wortes.

So ist zur Zeit von Jesu Erdenleben der Frühlingspunkt in das Zeichen der Fische gerückt (tatsäch-lich!), weswegen (angeblich!) der Fisch das Erkennungszeichen der ersten Christen war. Dass das Zeichen des Fisches (griechisch ichthys) für „Iesos Christos Theou Yios Soter“ also „Jesus Christus Gottes Sohn Retter“ steht, spielt dabei keine Rolle. Für die Esoteriker ist dieses Zeichen ein Beleg, dass die Jünger Jesu und die ersten Christen wahre Eingeweihte in eine „Geheimlehre“ gewesen seien, die Jesus als Meister einer hermetischen Bruderschaft gelehrt haben soll. Darauf werden wir noch zurückkommen.

Zweitausend Jahre zuvor, war der Frühlingspunkt in das Sternzeichen Widder eingetreten. Deswegen, so die Esoterik, werde in der Genesis auch berichtet, dass Abraham einen Widder geopfert hat. Dass das geschichtlich nicht passen kann wird tapfer ignoriert zugunsten der esoterischen „Tatsache“, dass Abraham ein „Avatar“ (Sanskrit für ein inkarniertes göttliches Wesen) dieses Zeitalters war. Der Zeitraum der 2.000 Jahre davor war das „Stierzeitalter“, was in den Stieropfern und Fruchtbarkeitskulten der orientalischen Religionen in dieser Zeit seinen rituellen Ausdruck gefunden haben soll.

So zeichnet die New-Age-Ideologie mit dem Tierkreis eine Art „kosmische Uhr“, die einen Entwicklungsweg des Menschen anzeigen soll. Mit jedem 24.000 Jahr-Zyklus soll die Menschheit eine Bewusstseins-Stufe höher steigen und sich weiter entfalten. Das setzt natürlich den Glauben an Reinkarnation, Wiedergeburt, voraus. Doch dazu später mehr. Am 21.21.2012, dem medial verbreiteten vermeintlichen Datum des Weltuntergangs, soll wieder so ein Zyklus vollendet worden sein, wodurch das „Neue Goldene Zeitalter“ volle Kraft und Entfaltung erfahren soll.

Zur Verteidigung der meisten „Esos“ muss gesagt werden, dass die wenigsten Gruppen mit diesem Datum den Weltuntergang verbunden haben – das haben vor allem die Medien, die einen regelrechten Hype darum produzierten. Einige Gruppen erwarteten für dieses Datum die Ankunft von Außerirdischen, andere eine „Reinigung“ der Erde durch besondere Naturkatastrophen, fast alle eine „Erweckung“ des menschlichen Bewusstseins und den Übergang in eine neue Daseinsweise in einer neuen „Dimension“ oder „Schwingungsoktave“. Dass an diesem Datum nichts passiert ist, ändert für die meisten Esoteriker und New-Age-Anhänger allerdings wenig bis überhaupt nichts, denn eine innere Neuausrichtung des Bewusstseins etwa kann schwer widerlegt, sehr wohl aber suggeriert werden. Diejenigen, die nichts von der „Schwingungserhöhung“ bemerkt haben, waren – nach Eso-Ideologie – eben nicht genügend vorbereitet, nicht „rein“ genug oder schlicht nicht reif für diesen Schritt. Sich selbst kann man so ein geistiges Leben in einer neuen Dimension und eine besondere seelische Entfaltung ja gut einreden.

In diesem Zusammenhang kann leicht die Gefahr für psychische Störungen – bis hin zur Psychose – in Zusammenhang mit esoterischen Lehren und New-Age-Gruppen erkannt werden.

Eine neue Gnosis

Wie bereits oben ausgeführt, bedeutet das griechische Wort esôterikós so viel wie „innerlich“ oder „nach innen gerichtet“. Der Esoteriker glaubt also, über ein besonderes, geheimes Wissen zu verfügen, zu dem nur derjenige Zugang hat, der dafür „reif“ ist. Diese Geheimlehre wird von einigen Gruppen der Esoterik-Szene auch gerne „Metaphysik“ genannt und soll auf die „Tabula smaragdina“ des großen Eingeweihten Hermes Trismegistos, der „dreimalgroßen“ Hermes zurückgehen – der wiederum in zahlreichen alten Kulturen unter verschiedenen Namen bekannt gewesen sein soll, etwa als der Gott Toth bei den Ägyptern.

Diese „Metaphysik“ hat allerdings nichts mit der gleichnamigen Grunddisziplin der Philosophie zu tun – ein weiterer Trick der Esoterik, mit bekannten Begriffen andere Inhalte zu transportieren. Vielmehr wird im esoterisches Weltbild darunter eine Art „Ur-Religion“ verstanden, eine angeblich allen Religionen zugrundeliegende, gemeinsame Wahrheit, die sich in den verschiedenen Zeitaltern, Kulturen und Religionen auf unterschiedliche Art und Weise ausdrückt. So repräsentiere jede Religion einen oder mehrere bestimmte Aspekte dieser einen Ur-Wahrheit, jedoch immer nur einen Teil. Die ganze „Wahrheit“ dieser „Metaphysik“ sei immer nur in esoterischen Geheimorden von Meister zu Schüler weitergegeben worden. Von der Ableitung dieser Geheimlehre von Hermes stammt auch der Begriff „hermetisch“ für etwas undurchdringlich Abgeschlossenes.

Von der Annahme, dass dieses angebliche Geheimwissen bereits seit Menschengedenken im Verborgenen existiere, leitet sich auch das Interesse der Esoterik an alten, untergegangenen Kulturen ab, die für die eigene Propaganda vereinnahmt werden – was relativ leicht fällt, da sich diese ja nicht mehr wehren können. So werden die Grabkammern ägyptischer Pyramiden zu Einweihung-stempeln uminterpretiert, in denen die Adepten der „Metaphysik“ zur Erleuchtung gekommen sein sollen. Ebenso werden Kultstätten und religiös-spirituelle Überlieferungen anderer „mystischer“ Völker wie in Amerika der Mayas und Inkas, in Asien der „alten“ Tibeter und Inder und in Europa der Germanen und Kelten uminterpretiert und an die eigene Lehre angepasst.

Dies geschieht oft ohne böse Absicht zu täuschen: In der Verblendung im Besitz der Wahrheit zu sein, meint der Esoteriker in anderen Kulturen und Traditionen Elemente seines spirituellen Weltbildes zu erkennen, und interpretiert diese Analogien dann als Zeugnisse der „Urlehre“, die zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte zu entdecken seien.

Ursprung dieser „hermetischen Metaphysik“ soll freilich das sagenhafte Atlantis sein, dessen Mythos sich wider alle wissenschaftliche Erkenntnis hartnäckig hält. Die von – selbstverständlich – Außerirdischen begründete Hochkultur von Atlantis soll unserer heutigen Zivilisation technisch sowie spirituell weit überlegen gewesen sein. Eine durch Hybris ausgelöste Katastrophe – viele nehmen einen gigantischen Atomunfall an, aber da gehen die Meinungen der Esoteriker auseinander – habe diesen sagenhaften Kontinenten schließlich zum Untergang gebracht. Die Überlebenden der Katastrophe sollen das Wissen nach Osten (Ägypten) und nach Westen (Mittelamerika) gebracht haben. Dass in beiden Kulturen pyramidenförmige Bauten mit exakter Ausrichtung nach bestimmten Sternbildern entstanden, gilt dabei als „Beweis“ für diese Theorie, die auch von Buchautoren wie Erich von Däniken strapaziert wird. Die Tatsache, dass zwischen den Bauzeiten der Pyramiden von Gizeh und denen von Yucatán etwa 3.000 Jahre liegen, scheint dabei keine Rolle zu spielen.

Von Ägypten aus soll die esoterische Lehre über die indischen Hochkulturen nach Asien gekommen sein. In Europa und im Nahen Osten soll das Wissen über die griechischen (Dionysien, Apollinien) und die altorientalischen Mysterienkulte (z.B. Mithraskult) sowie durch die Lehre der Gnosis weitergegeben worden sein. Mit der Gnosis sind wir nun bei einer der tatsächlichen Quellen und Grundlagen der heutigen Esoterik angelangt. Man kann vereinfacht sagen, dass es sich bei Esoterik und New Age um eine Art Neo-Gnosis handelt.

Die Gnosis war in den ersten drei Jahrhunderten eine starke Konkurrenz zum jungen Christentum. Wie auch die heutige Esoterik, so übernahm die damalige gnostische Einweihungslehre Elemente der Evangelien und der christlichen Lehre, interpretierte sie um, adaptierte sie und integrierte sie in das eigene System.

Das griechische Wort gnosis bedeutet so viel wie Kenntnis (Wissen) und Erkenntnis. Die zentrale Überzeugung dieses Glaubens war (und ist es noch heute), dass sich der Mensch allein durch die Erkenntnis der Wahrheit selbst erlösen kann. Damit steht die Gnosis der christlichen Gnadenlehre diametral gegenüber. Durch die Übernahme bestimmte christlicher Elemente war und ist die Gefahr der Verwirrung und Verirrung von Christen jedoch besonders groß.

Eine wichtige Quelle und Fundgrube der Esoteriker sind die gnostischen Schriften, die auch teilweise als so genannte Apokryphen überliefert sind. Das sind relativ spät (2. und 3. Jahrhundert) verfasste Schriften, die sich oft an den kanonischen Evangelien orientieren, angebliche Begebenheiten und Worte aus dem Leben Jesu Christi überliefern und dessen Wirken gnostisch deuten. Verschiedene Autoren und Medien machen regelmäßig vor Weihnachten oder Ostern viel Wind um angeblich neu entdeckte „Evangelien“ wie das „Judasevangelium“ oder das „Evangelium der Magdalena“, die die überlieferte Lehre der Kirche erschüttern sollen. Tatsächlich handelt es sich dabei um gnostische Schriften, die weder neu entdeckt wurden noch durch ihre seit Jahrhunderten bekannten Inhalte das Christentum erschüttern könnten. Ebenso schöpfen bekannte Autoren wie Michael Baigent („Die Gottesmacher“) oder Dan Brown („Sakrileg“) für ihre reißerischen Bücher aus dem Fundus gnostischer Schriften, deren teils recht verschobene Inhalte als Wahrheit über den eigentlichen Jesus „enthüllt“ werden.

Ohne auf Details der gnostischen Lehre – wie die Schöpfung durch einen „Demiurgen“, das dualistische Weltbild oder die Leibfeindlichkeit – einzugehen, sei hier noch einmal auf deren zentrale Gefahr hingewiesen, die auch die Esoterik für das Seelenheil der Menschen so gefährlich macht: Die Gnosis wie die moderne Esoterik verkünden die Selbsterlösung durch Erkenntnis. Das heißt, ich brauche keinen Erlöser, nur Wissen um die Wahrheit. Die Selbstoffenbarung des liebenden Gottes, die Menschwerdung, das Leiden und der Kreuzestod, die Auferstehung und die Himmelfahrt – das alles wird überflüssig und ist nur noch als Metapher für innere geistige Vorgänge im Erkenntnisprozess des Menschen zu verstehen.

Doch die Gefahr geht noch tiefer als diese Häresien: Denn um welche Erkenntnis geht es hier, die mich angeblich befreit und erlöst? Die Gnosis und sogar noch expliziter die moderne Esoterik lehren, dass wir, die Menschen, letztlich selbst Gott seien. Der Mensch sei nicht ein Geschöpf Gottes, sondern sei selbst göttlich. Diese originäre Göttlichkeit des Menschen sei nur durch verschiedene Entwicklungsprozesse des Bewusstseins verschüttet worden und müsse durch bestimmte „Einweihungen“ wieder erkannt und bewusst gemacht werden.

Dazu fällt einem vielleicht die Geschichte vom Sündenfall im Buch Genesis ein. Die Schlange verführt Adam und Eva mit den Worten: „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ (Gen 3,5) Ihr werdet sein wie Gott! Das ist die Ur-Versuchung und die Ur-Sünde des Menschen: Gott nicht zu brauchen, autonom sein, ja wie Gott selbst sein zu wollen. Und: „ihr erkennt ...“ – das ist Gnosis. Die Gnosis und die Esoterik sind also eindeutig Werke der Schlange, die sich – wie alle Werke des Diabolos – in ein strahlendes, verführerisches Gewand hüllen.

In der Folge wird auch Jesus Christus uminterpretiert. Die Esoterik kann in ihm nicht den Mensch gewordenen Gott, den Messias und Erlöser sehen. Er wird zu einem „Eingeweihten“, einem besonderen Menschen, aber doch nur einem Menschen. Er ist nur insofern Gott, als wir alle ebenfalls letztlich Gott selbst sind. Jesus wird auf eine Stufe mit anderen Religionsgründern oder Weisheitslehrern wie Buddha, Krishna oder Lao-Tse gestellt. Diese „Avatare“, wie sie in der Esoterik auch mit einem Begriff aus dem Sanskrit bezeichnet werden, seien hohe Eingeweihte, die auf dem Pfad der Erkenntnis bereits weit fortgeschritten sind, und den Menschen der verschiedenen Zeitalter, Kulturen und Kontinente eine jeweils für sie und ihre Lebensumstände adäquate Form der Lehre der „Metaphysik“ oder „Gnosis“ bringen.

Auch das Gottesbild der Esoterik hat nichts mit dem christlichen gemein: Da jeder Mensch göttlich ist, ja Gott „in allem“ ist, versteht die Esoterik Gott nicht als Person, sondern als unpersönliche Kraft, Energie oder „Gegenwart“, die alles erfüllt. In dem Maße, in dem sich ein Wesen dieser Gegenwart bewusst werde, beginne es selbst Gott zu verwirklichen. Wenn Gott nicht Person ist, kann er auch nicht in sich Beziehung, Liebe sein. Er ist also nicht trinitarisch. Das hat zur Folge, dass dieser „Gott“ der Esoterik selbst nicht beziehungsfähig ist, und – weil in allem als unpersönliche Kraft gegenwärtig – auch kein Gegenüber des Menschen, kein Du ist.

Die von der Esoterik propagierte Selbstvergöttlichung des Menschen wirft ihn letztlich also auf ihn selbst zurück. Die oberflächliche „Liebes-Aura“ der Esoterik entpuppt sich als tief gehende Täuschung eines kalten, beziehungsunfähigen und daher lieblosen „Gottes“. Die gepriesene Möglichkeit der Selbsterlösung durch Erkenntnis wird zur furchtbaren Verdammung, ohne Gnade und göttliches Erbarmen alles aus eigener Kraft vollbringen zu müssen. Bis zur letzten Konsequenz.

Papst Franziskus weist in „Evangelii gaudium“ auf die Gefahren des „Neugnostizismus“ hin, „eines im Subjektivismus eingeschlossenen Glaubens, bei dem einzig eine bestimmte Erfahrung oder eine Reihe von Argumentationen und Kenntnissen interessiert, von denen man meint, sie könnten Trost und Licht bringen, wo aber das Subjekt letztlich in der Immanenz seiner eigenen Vernunft oder seiner Gefühle eingeschlossen bleibt“. Ebenso warnt er vor einem „selbstbezogenen und prometheischen Neu-Pelagianismus“ derer, „die sich letztlich einzig auf die eigenen Kräfte verlassen und sich den anderen überlegen fühlen, weil sie bestimmte Normen einhalten oder weil sie einem gewissen katholischen Stil der Vergangenheit unerschütterlich treu sind. Es ist eine vermeintliche doktrinelle oder disziplinarische Sicherheit, die Anlass gibt zu einem narzisstischen und autoritären Elitebewusstsein, wo man, anstatt die anderen zu evangelisieren, sie analysiert und bewertet und, anstatt den Zugang zur Gnade zu erleichtern, die Energien im Kontrollieren verbraucht“ (Evangelii gaudium 94).

Heilsversprechen machen Druck

Die meisten Strömungen der modernen Esoterik gehen interessanterweise auf eine einzige Person zurück: Helena Petrovna Blavatsky, eine Okkultistin deutsch-russischer Abstammung, geboren 1831 in Russland, verstorben 1891 in London. Sie ist die Begründerin der so genannten Theosophie („Göttliche Weisheit“), aus der die Hauptrichtungen der zeitgenössischen Esoterik hervorgegangen sind, bzw. auf deren Weltanschauung und Gedankengut die meisten Esoterik- und New-Age-Gruppen – bewusst oder unbewusst – zurückgreifen. Ihr Hauptwerk „Isis Unveiled“ („Isis entschleiert“) ist 1877 erschienen. Das synkretistische Werk vermischt Elemente des Mahayana-Buddhismus, des hinduistischen Glaubens, tibetischer Traditionen, christlichen Versatzstücke sowie Okkultismus und Spiritismus.

Blavatsky erregte zu ihrer Zeit großes Aufsehen als „Schreibmedium“ und mit spiritistischen Séan¬cen, bei denen ihr angeblich „aufgestiegene Meister“ erschienen, von denen sie ihre Lehre empfan¬gen haben wollte. So ist sie auch die Erfinderin verschiedener in der Esoterik-Szene bekannter „Meister“ wie Saint Germain oder El Morya. Schülerinnen und Schüler Blavatskys führten zahlreiche weitere dieser „Meister“ ein, zu denen sie angeblich übersinnlichen Kontakt hatten, wie Kuthumi oder Djwal Khul.

Heute gibt es eine unübersehbare Zahl sogenannter „Channels“, die angebliche Botschaften dieser „Meister“ empfangen und in Büchern gewinnbringend veröffentlichen. Jesus soll nach der Lehre der Theosophie übrigens auch einer dieser „aufgestiegenen Meister“ mit dem Seelennamen „Sananda“ sein – aber nur einer unter vielen und keineswegs der Messias oder gar der Sohn Gottes. Wo immer also Jesus Christus unter dem Namen „Sananda“ auftaucht und angebliche „Botschaften“ durchgibt, sollten die Alarmglocken läuten!

Einige Bewegungen, die aus der Theosophie hervorgegangen sind oder deren Gedankengut übernommen haben, sind die Anthroposophie (Rudolf Steiner war direkter Schüler Blavatskys!), die ICH BIN-Bewegung (I AM-Movement), Lucis Trust (ursprünglich Lucifer!), Die neue Gruppe der Weltdiener, Unity, Die Brücke zur Freiheit, Summit Lighthouse, verschiedene Merkaba- und UFO-Bewegungen, wie z.B. das so genannte Ashtar-Kommando, sowie die Gruppen des „Lichtkörper-Prozesses“. Zahlreiche Esoterik- und New-Age-Gruppen wissen allerdings gar nicht, dass ihre Anschauungen auf die Schriften von Helena Blavatsky zurückgehen. So zum Beispiel die westliche Variante des Reinkarnationsglaubens.

Der Glaube an Reinkarnation, die Wiedergeburt, ist heute bereits selbst unter Getauften weit ver-breitet. Vor drei Jahren hat ein Autor eines Beitrags in einer Gratis-Schülerzeitung, die vom Land Steiermark (!) herausgegeben wurde, tatsächlich unwidersprochen behaupten können, dass die Wiedergeburt „nur noch von fundamentalistischen Christen geleugnet“ werde. An diesem Beispiel wird deutlich sichtbar, wie das Gift der Irrlehre nach und nach in das alltägliche Denken der Menschen einsickert und fast unbemerkt zu einer Selbstverständlichkeit wird.

Was jedoch die wenigsten Menschen in unseren Breiten wissen, ist, dass dieser propagierte Glaube an Wiedergeburt sehr wenig mit den traditionellen Reinkarnationslehren im Hinduismus und im Buddhismus (auf die ich in diesem Rahmen nicht eingehen kann) zu tun hat. Dieser „westliche“ Reinkarnationsglaube ist die Erfindung der Theosophie und kommt dem westlichen Leistungsdenken sowie dem heutigen Evolutionismus (Glaube an die Evolution als die alleinige Kraft einer Weiterentwicklung – im Gegensatz zum Schöpfungsglauben) sehr entgegen.

Dieser – nennen wir ihn „esoterischer“ – Glaube an Wiedergeburt besagt, dass sich jeder Mensch über eine Unzahl von Leben hinweg immer weiter und höher entwickelt. Das Leben wird als eine Art Schulklasse gesehen, deren Lernstoff bewältigt werden muss, um in eine höhere Stufe aufzusteigen. Entspricht man nicht, muss man die Klasse, also ein Leben unter ähnlichen Bedingungen mit den gleichen Lerninhalten für die Seele wiederholen. So entwickelt sich die Seele nach und nach von einer Lebensform mit pflanzlichem Bewusstsein über die Tierstufe zur menschlichen Ebene und schließlich zu einem Gott-Menschen, der das volle Bewusstsein erlangt und seine wahre Identität als Gott erkannt hat.

So sinnvoll diese Stufenentwicklung von einem Leben zum nächsten, höheren bis zu einer Gott-Verwirklichung scheinen mag – sie ist letztendlich ein Fluch: Es liegt an jedem einzelnen Menschen selbst, diese Stufenleiter der seelischen Evolution zu erklimmen. Auch das mag vielleicht noch den meisten in einer Zeit, in der die Autonomie als angeblich höchstes Gut des Menschen gefeiert wird, als reizvoll erscheinen. Doch denkt man diese Idee bis zum Ende, so bedeutet das: Du bist auf dich allein gestellt. Dein Karma ist deine Sache. Du musst die Suppe allein auslöffeln, niemand kann dir helfen, denn sonst kann deine Seele die Lektion ja nicht lernen. Die Folge ist, dass ein furchtbarer Erfolgsdruck auf jedem lastet – so wie in unserer heutigen Leistungsgesellschaft auch. Scheitern ist nicht vorgesehen. Du musst weiter, immer weiter, immer besser, immer vollkommener werden.

Dieses Konzept ist dem Christentum diametral entgegengesetzt: In der Wiedergeburtslehre musst du etwas leisten, da gibt es keine Gnade, kein unverdient empfangenes Geschenk aus Liebe. In der Wiedergeburtslehre musst du deine Fehler, deine Schuld selbst aufarbeiten, mitunter in unzähligen Leben – keine Vergebung, niemand, der am Kreuz alle Sünde und alle Schuld auf sich nimmt und für dich trägt und überwindet. In der Wiedergeburtslehre ist der Mensch verdammt zu einem ewigen Kreislauf des Todes (Wieder-Geburt klingt ja recht nett, aber es ist auch ein Wieder-Tod!), es gibt kein Ankommen bei einem liebenden Vater, kein Ruhen in den ewigen Armen des Schöpfers. Denn in der Esoterik, da ist der Mensch letztlich selbst Gott – und damit allein. Kein Du, nur ein ICH. Das ist die Hölle.

So wird das von den Esoterikern natürlich nicht wahrgenommen, weil das Konzept, das man sich aus eigener Kraft zu seiner „wahren Identität“ als Gott entwickeln kann, zu reizvoll ist, als dass man die Konsequenzen dieses Weges logisch zu Ende denkt.

Eine weitere Säule der modernen Esoterik ist die „transpersonale Psychologie“. Wie auf so vielen anderen Gebieten vereinnahmt auch hier die Esoterik tatsächliche wissenschaftliche Erkenntnisse und baut sie in ihre Lehre ein. „Vater“ der transpersonalen Psychologie ist der Gründer des berühmten Esalen-Instituts in Big Sur (Kalifornien), Michael Murphy. Das Esalen-Institut ist seit 1962 ein internationaler Think-Tank, wo Wissenschaftler, Gelehrte und Künstler gemeinsame Projekte und Workshops veranstalten, „um die harmonische Entwicklung des ganzen Menschen zu fördern“. Die Gestalttherapie von Fritz Perls wurde dort ebenso entwickelt wie die LSD-Experimente von Timothy Leary.

Michael Murphy ist auch bei uns vielen als Autor zahlreicher Publikationen über Lebenshilfe bekannt, vor allem als Entwickler des „positiven Denkens“. Murphy hat entdeckt und wissenschaftlich ausgearbeitet, dass die Art, wie wir über uns und unsere Umwelt denken, tatsächlich einen Einfluss auf unser Leben hat. Nun mag man vielleicht fragen, was am positiven Denken falsch oder gar gefährlich sei. Die Antwort ist: natürlich nichts. Selbstverständlich ist es für unsere Gesundheit, für unsere Psyche, für unser ganzes Leben besser, positiv anstatt negativ zu denken.

Das Problem liegt bei der Anwendung dieser Erkenntnisse. In der Esoterik wird das positive Denken nicht als ein Element, das in unserer Lebensführung unter anderen zu berücksichtigen ist, gesehen, sondern als Methode absolut gesetzt – und da wird es gefährlich. Was heißt das? Versuchen wir wieder – wie bei der Reinkarnation – weiter zu denken: Wenn die Art und Weise wie ich denke, Einfluss auf mein Leben hat, dann liegt es an meinen Gedanken, wie mein Leben konkret aussieht. Habe ich eine Krankheit, denke ich falsch von mir. Lebe ich in Armut, habe ich ein falsches Denkkonzept von Geld. Habe ich Probleme in meiner Arbeit, liegt es an meinem Denken. Komme ich mit meinen Mitmenschen nicht zurecht, dann liegt es daran, dass ich nicht positiv über meine Umwelt denke.

Werden die grundsätzlich richtigen und nützlichen Erkenntnisse des positiven Denkens absolut gesetzt und als Methode der Selbsterlösung propagiert, komme ich unter Zugzwang: Es liegt einzig und allein an mir, an meinem Denken, ob ich ein gutes oder schlechtes Leben habe. Ich muss „nur“ mein Denken ändern, und schon ändert sich mein Leben. Hören wir nicht wieder die alte Schlange flüstern: „Ihr werdet sein wie Gott“? Doch auch hier gilt wieder: In letzter Konsequenz gibt es keine Gnade, denn ich bin an meiner Situation selber „schuld“.

Weitere Vertreter der transpersonalen Psychologie sind Ken Wilber mit seinem „Panpsychismus“, Rupert Sheldrake mit seinen „morphogenetischen Feldern“, Stanislav Grof mit dem „holotropen Atmen“ oder Bert Hellinger mit den „systematischen Aufstellungen“.

Noch einmal, weil es wichtig ist: Die psychologischen Methoden, die hier entwickelt wurden, sind durchaus größtenteils wissenschaftlich fundiert und ihre Entdecker keineswegs Esoteriker! „Esoterisch“ und gefährlich wird es erst, wenn diese Erkenntnisse als Heilsweg verkauft werden und da¬durch erst recht ein psychologischer Druck auf den Erlösungssuchenden entsteht. Zwei Beispiele sollen das illustrieren:

Das „holotrope Atmen“ ist eine Art der Tiefenatmung mit dem ganzen Körper, die eine integrative Wirkung auf Körper und Psyche haben kann. Es kann jedoch auch als „Rebirthing“ dazu missbraucht werden, so genannte Rückführungen in angebliche frühere Inkarnationen (vormalige Leben) zu bewirken.

Auch der systemische Ansatz in der Psychotherapie kann von großem Nutzen sein. Wenn er jedoch wie bei vielen „Familienaufstellungen“ dazu benutzt wird, dass ein Einzelner die Beziehungsprobleme seiner ganzen Familie auflösen soll, entsteht wieder der unerträgliche Druck wie bei jeder Selbsterlösungstechnik. An dieser Stelle sei auch davor gewarnt, dass bei vielen „Familienaufstel¬lungen“ keine psychologische Nachbetreuung angeboten wird.

Ausgesprochene „Psycho-Sekten“ gibt es heute – Gott sei Dank – nicht mehr. (Deren Blüte war in den 70er- und 80er-Jahren. Das einzige Relikt aus dieser Zeit ist noch Scientology, das auf Lafayette Ronald Hubbard und seine Lehre „Dianetik“ aus dem Jahr 1950 zurückgeht.) Jedoch sind die Methoden der transpersonalen Psychologie als wichtige Elemente in alle Richtungen der modernen Esoterik eingeflossen.

Der Geist der Unterscheidung

Im Folgenden möchte ich auf einige Angebote auf dem Jahrmarkt der Esoterik eingehen, mit denen ich selber Erfahrungen machen konnte. Die Liste kann daher nicht alle gängigen Esoterik-Angebote umfassen, geben aber hoffentlich Einblicke, die in Analogie auch für andere gelten können. Viele Angebote sind für sich überhaupt nicht bedenklich, sondern oft nur Geschäftemacherei oder teuer verkaufte „Wellness“, tragen jedoch die Gefahr in sich, dass sie nach und nach – zu Beginn oft unmerklich – von der christlichen Glaubenspraxis wegführen, bis es schließlich zu einer völligen Entfremdung mit der Kirche kommt.

Gleich zu Beginn sei betont, dass Praktiken aus anderen Religionen wie Buddhismus und Hinduismus, aber auch aus dem Islam (Sufi) oder aus Naturreligionen (Animismus, Schamanismus) keine Esoterik sind! Vielmehr lehrt uns das 2. Vatikanische Konzil im Dokument „Nostra aetate“: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.“

Dazu ist in unserem Zusammenhang Folgendes festzuhalten:

1. Im Umkehrschluss gilt, dass sehr wohl abzulehnen ist, was eben nicht wahr und heilig ist, also z. B. die Reinkarnationslehre (nicht wahr) oder okkulte Praktiken wie Sexualmagie oder Geisterbeschwörungen und Wahrsagerei (nicht heilig), die in anderen Religionen nicht selten vorkommen.

2. Als Christen müssen wir uns fragen, ob die Übernahme einzelner Praktiken aus anderen Religionen mit unserem eigenen Glauben vereinbar ist (1. Gebot!), und inwieweit nicht gerade dadurch die Integrität der anderen Religionen verletzt wird.

Viel mehr müsste umgekehrt der Missionsauftrag Jesu Christi gelten: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern, tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mt 28,19.20) Auch im Konzilsdokument „Nostra aetate“ heißt es: „Unablässig aber verkündet sie [die Kirche, Anm.] und muss sie verkündigen Christus, der ist "der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat.“

3. Bei uns kommen die asiatischen wie auch indigene Religionen nicht oder fast nicht in ihren originalen Formen vor, außer bei Migranten. Ein „echter“ Buddhist etwa würde das, was in Österreich unter Buddhismus angeboten und „verkauft“ wird, nicht als solchen erkennen. Vielmehr treten zahlreiche Versatzstücke aus buddhistischen und hinduistischen Traditionen wie auch Elemente des Schamanismus und verschiedener indigener Traditionen in synkretistischer Vermischung und im Kontext esoterischer Angebote auf.

Insofern sind diese auch in unserem Rahmen zu berücksichtigen und zu behandeln.

Edelsteine, ätherische Öle, Räucherstoffe, Aura Soma etc.

Hier befinden wir uns in einem Grenzbereich zur Esoterik. Es ist unbestritten, dass wir als sinnliche Wesen von Eindrücken wie Duft, Farbe oder Berührung angesprochen werden und diese eine gewisse Auswirkung auf unser Wohlbefinden haben. Insofern sind diese Materialien und Anwendungen für sich völlig ungefährlich. Nähe, Zuwendung und Berührung – auch mit solchen Hilfsmitteln – wirken sich immer beruhigend, entspannend und heilsam aus.

Bedenklich wird es jedoch dort, wo bestimmte Substanzen mit konkreten Wirkungen und Heilungs-, ja sogar Heilsversprechen verknüpft werden. Zuordnungen von Steinen, Farben, Düften und Substanzen zu angeblichen feinstofflichen Organen, den so genannten Chakren (Sanskrit: Rad; gemeint sind Energiewirbel in der menschlichen „Aura“), gehören bereits eindeutig dem esoterischen Bereich zu. Neige ich dem Glauben an das hindusistische Chakra- und Auramodell zu, stellt sich die Frage, wie das mit dem christlichen Glauben vereinbar ist. Es ist, wie gesagt nichts Schädliches, führt aber schleichend vom christlichen Glauben, von Gebet, Gottesdienst und Sakramenten fort zu einer zunehmenden Entfremdung von der Kirche.

Besonders traurig finde ich auf diesem „energetischen“ Gebiet die Vereinnahmung der hl. Hildegard von Bingen von der Esoterikszene, die zumeist auf Edelsteine und Kochrezepte reduziert wird und ihr großes, eindrucksvolles mystisches Werk wenig Beachtung findet.

Reiki

Wirklich hoch gefährlich unter den energetischen Heilungsangeboten ist Reiki, das sich leider einer stark zunehmenden Verbreitung und Beliebtheit erfreut. Reiki arbeitet angeblich mit einer universellen „kosmischen Energie“, die vom Reiki-Meister kanalisiert werden kann. Erfunden wurde Reiki (Japanisch: rei – Geist,Seele, ki – Energie) von dem Buddhisten Mikao Usui (+ 1926), dem im Westen oft ein christliches Mäntelchen umgehängt wird, um seine Lehre besser verkaufen zu können.

Bei Reiki gibt es vier Grade, die (in teuren Wochenendseminaren) erreicht werden können. Im 1. Grad wird der sogenannte Reiki-Kanal geöffnet, im 2. Grad bekommt wird man in drei Reiki-Symbole eingeweiht, der 3. Grad ist der Meister-Grad (Einweihung in das „Meistersymbol“), der 4. der Lehrer-Grad.

Auf dämonischer Grundlage funktioniert Reiki tatsächlich. Von ausgestiegenen Reiki-Meistern und -Lehrern ist Folgendes bekannt (keine vollständige Aufzählung!):

1. Etwas außerhalb (Dämon!) stellt die Energie zur Verfügung, verlangt jedoch mehr zurück.

2. Der Reiki-Praktiker kanalisiert die Energie; der Kanal ist jedoch in beide Richtungen offen: Energie wird an einer Stelle zugeführt (scheinbare Heilung), an anderer Stelle jedoch mehr abgezogen (neue Krankheit).

3. Das Problem (Schmerz, Krankheit, …) verschwindet nicht, sondern verlagert sich nur.

4. Wenn der Reiki-Praktiker nicht für sich selbst Energie vom Klienten abzieht, wird er vom Dämon nach und nach selber energetisch ausgebeutet. Durch ein Mantra ist er auch immer mit einer unsichtbaren und unbekannten „Spitze“ verbunden, die ihn kontrolliert.

5. Mit der Energie kann auch „Anderes“ mittransportiert werden: So entstehen Entfremdung von Glaube und Kirche, von Familie und Beruf, psychische Abhängigkeiten und Krankheiten.

6. Bei den Reiki-Einweihungen werden Symbole (wie eine Art energetischer Schlüssel) in die Handflächen gezeichnet, die nicht mehr entfernt werden können – außer durch priesterliche Vollmacht im Rahmen der Beichte!

Eine frühere Bekannte von mir, die sich einer Reiki-Einweihung unterzog, berichtete, dass sie entgegen den strengen Anweisungen, während der Zeremonie die Augen geöffnet und das Zimmer voller Dämonen gesehen hatte.

Wahrsagerei, Kartenlegen, Quija-Bretter („Tischerlrücken“) etc.

Alle Arten der Wahrsagerei sind mit okkulten Kräften verbunden und daher nicht nur abzulehnen, sondern auch gefährlich für die psychische Gesundheit und das Seelenheil.

Zu dem ganzen Gebiet der Wahrsagerei in all ihren Formen und Varianten sei nur Levitikus 20,6 zitiert: „Gegen einen, der sich an Totenbeschwörer und Wahrsager wendet und sich mit ihnen abgibt, richte ich mein Angesicht und merze ihn aus seinem Volk aus.“ Das bedeutet, dass es sich um eine schwere Sünde handelt, die den Verlust des Gnadenstandes nach sich zieht.

Radiästhesie

Radiästhesie heißt so viel wie „Strahlenfühligkeit“ und bezeichnet die Verwendung von Wünschelrute und Pendel. Die Radiästheten beanspruchen für sich selbst Wissenschaftlichkeit, Tatsache ist jedoch, dass es keinerlei wissenschaftliche Grundlage für Erdstrahlen, Gitternetze oder Ähnliches gibt. Ich habe selbst mehrere Geologen nach Wasseradern befragt, die mir alle bestätigten, dass es so etwas nicht gibt (unterirdische Flüsse wie etwa in Karstgebieten sind etwas anderes!).

Andererseits ist es unbestritten, das Wünschelrutengänger und Pendler tatsächlich Stellen für erfolgreiche Brunnengrabungen finden, gefährliche Unfallstellen entschärfen oder Schlafstellen mit hohem Krebsrisiko feststellen können. Auch hier liegt wie bei der Wahrsagerei eine Verbindung zu okkulten Kräften nahe. Kann man die reine Wahrnehmung über „Antennen“ wie Rute und Pendel (die ja nur zur Verstärkung dienen) noch als Grenzbereich bezeichnen, so liegt deren spiritistische Verwendung durch Befragung eindeutig im okkulten Bereich.

Weiters sollen auch alte Kultplätze sowie die später darüber errichteten Kirchen auf Kraftlinien, so genannten Ley-Lines oder „Drachenlinien“ liegen. Bis jetzt gibt es aber keinerlei wissenschaftliche Beweise dafür. Es ist ebenso gut möglich, dass die vorhandenen natürlichen und baulichen Strukturen diese die Wahrnehmung dieser angeblich „energetischen“ Linien in einer Interaktion auf psychischer Ebene hervorrufen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass es noch von der Wissenschaft unentdeckte Kraftfelder gibt, die von dafür sensiblen Menschen wahrgenommen werden können. Diese Gabe sollten solche Menschen jedoch immer uneigennützig in den Dienst Gottes stellen und niemals für manipulative oder gar okkulte Zwecke verwenden.

Taiji, Qigong, Yoga etc.

Bei den verschiedenen Energieübungen handelt es sich nicht um Esoterik, sondern um spirituelle Techniken und Wege östlicher Religionen. Die Übungen an sich sind völlig unbedenklich und meistens auch tatsächlich entspannend und gesundheitsfördernd. Die Gefahr liegt bei diesen Angeboten vielmehr im religiösen Hintergrund, ohne den diese Techniken über einen gewissen Grad hinaus nicht erlernt und praktiziert werden können. So sind etwa Taiji, wörtlich „Großer Firstbalken“ (der Himmel und Erde miteinander verbindet), oder Qigong (Disziplin oder Beherrschung der Lebensenergie) ohne den Daoistischen Hintergrund, die Lehre von Yin/Yang und den Fünf Elementen nicht möglich. Hier stellt sich wie bei vielen anderen Angeboten auch die Frage, wie weit dieses Weltbild mit dem christlichen vereinbar ist. Meistens führt die Praxis solcher Traditionen nach und nach vom christlichen Glauben, der Kirche und ihren Sakramenten weg.

Noch größer erscheint mir diese Gefahr beim weit verbreiteten und als harmlose Gymnastikübungen angesehenen Yoga. Der im Westen vor allem bekannte Hatha-Yoga ist eine der vielen Yoga-Disziplinen der hinduistischen Traditionen. „Yoga“ bedeutet im Sanskrit Joch und meint wie das chinesische „Gong“ oder „Kung“ so viel wie Disziplin. Yoga ist prinzipiell ein spiritueller Weg und keine Gymnastik zur Entspannung. Ziel des Yoga ist die Vereinigung des Atman (individualisierte Einzelseele) mit dem Brahman („Weltseele“). Es gibt verschiedene Arten von Yoga, wobei der Hatha-Yoga eine niedrige Stufe auf körperlicher Ebene darstellt. Höhere Stufen sind etwa die verschiedenen Arten des Raja-Yoga (Königs-Yoga), wozu die verschiedenen Arten der Meditation zählen, oder Bhakthi-Yoga, die Übung der reinen Liebe.

So schön das alles klingt, sollte man sich immer bewusst sein, dass man sich bei der Yoga-Praxis mit bestimmten Systemen und Weltanschauungen des Hinduismus verbindet. Außerdem werden in den meisten Yoga-Schulen auch Mantras gesungen, in denen auch bestimmte hinduistische Gottheiten angerufen und verehrt werden, was der Grundlage unseres Glaubens entgegengesetzt ist: „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. … Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen.“ (Ex 20,3.5)

Zen und Meditation

Schließlich sei noch etwas zu den verschiedenen fernöstlichen Meditationspraktiken, besonders zum auch in Kirchenkreisen sehr beliebten Zen gesagt:

Die Methoden dieser Meditationswege sind gut und auch für christliche Zwecke geeignet. Die Schritte auf dem Weg zur christlichen Kontemplation sind ähnlich bis identisch. Was christliche und buddhistische Meditationswege jedoch vor allem unterscheidet ist das Ziel. So ist im buddhistischen Zen das Ziel das Nirvana, das Verlöschen, die Erkenntnis, dass alles Illusion ist, auch die eigene Individualität. Ziel der christlichen Kontemplation ist jedoch die „Unio mystica“, die Begegnung und Vereinigung mit Gott, mit einem Du, das mich liebt. Es ist personal.

Eine eigene überaus reiche Tradition christlicher Meditationswege

So sehr die Methoden der Zenmeditation auch für christliche Wege zur Kontemplation geeignet sein können, stellt sich doch die Frage, warum wir auf fernöstliche Praktiken zurückgreifen müssen, wo wir doch eine eigene überaus reiche Tradition christlicher Meditationswege haben, die unter den unterschiedlichen Bezeichnungen wie Lectio divina, Gebet der Hingabe, Jesusgebet, Gebet der Stille, Ruhegebet etc. alle die Kontemplation, die Schau der Gegenwart Gottes zum Ziel haben.

Anstatt in den kirchlichen Bildungshäusern Yoga und Zen anzubieten, sollten wir zum Beispiel wieder bei Teresa von Ávila oder Johannes vom Kreuz nachlesen, um nur die zwei bedeutendsten Vertreter mittelalterlicher Mystik zu nennen.

Markus Michael Riccabona ist ständiger Diakon und Leiter des Referats für Kommunikation der Diözese St. Pölten


© 2016 www.kath.net