Bundespräsident Gauck: Konflikte bei Integration offen ansprechen

7. April 2016 in Deutschland


Deutscher Bundespräsident ermutigt dazu, bei Flüchtlingsintegration offen mit Konflikten umzugehen. «Wir dürfen dieses Feld nicht den Populisten und Rassisten überlassen» - «Zeit»-Chefredakteur: Seit Kölner Silesternacht offenere Berichterstattung


Berlin (kath.net/KNA) Bundespräsident Joachim Gauck (Foto) hat dazu ermutigt, bei der Integration von Flüchtlingen offen mit Konflikten umzugehen. «Wir dürfen dieses Feld nicht den Populisten und Rassisten überlassen», betonte Gauck am Donnerstag in Berlin. Konflikte seien kein Zeichen für gescheiterte Integration, so Gauck. «Ganz im Gegenteil! Gesellschaften erneuern sich ja auch in konstruktivem Streit, und sie sind umso friedlicher, je offener über Probleme gesprochen wird.»

Gauck äußerte sich zur Eröffnung des Symposiums «Flüchtlinge in Deutschland: Integration ermöglichen - Zusammenhalt stärken» im Schloss Bellevue. Zu Veranstaltung hatte er gemeinsam mit der Robert-Bosch-Stiftung Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Institutionen eingeladen, die sich mit dem Thema Integration befassen.

«Wir müssen uns Konflikten, kulturellen ebenso wie sozialen, stellen und sie friedlich austragen, ohne dabei ganze Gruppen zu stigmatisieren», sagte das Staatsoberhaupt. Das feste Fundament, sei dabei die Verfassung. Sie schütze die Grundrechte und die Würde eines jeden Einzelnen. Auf dem Boden von Verfassung und Gesetzen könne in Deutschland jeder leben, wie er wolle. Diese Offenheit erlaube es auch Fremden, hier heimisch zu werden.

«Unsere Gesellschaft ist offen für Veränderungen, solange diese im demokratischen Prozess ausgehandelt werden», so Gauck. Der Meinungsstreit ende allerdings dort, «wo Gewalt ins Spiel kommt und gegen Gesetze verstoßen wird». So könne es auch für kulturelle Eigenarten, die Gesetzen zuwiderlaufen, «keine mildernden Umstände geben».

«Immer dann, wenn wir erleben, dass die Gleichberechtigung, der Respekt vor Andersdenkenden und Andersgläubigen missachtet wird, dürfen wir nicht zögern, Position zu beziehen», sagte der Bundespräsident. Eine offene Gesellschaft habe nichts mit Gleichgültigkeit zu tun. Sie zeichne sich durch Offenheit und gegenseitigen Respekt aus. Ebenso solle man sich einmischen, «wenn diese Werte verächtlich gemacht werden, von wem auch immer».

Deutschland sei «stark und stabil», auch wenn die Polarisierung zunehme und der Ton der politischen Auseinandersetzung schärfer werde betonte Gauck. «Dass einige zu Brandstiftern werden, nimmt weder der Staat noch die große Mehrheit der Gesellschaft hin», sagte Gauck.

Der Sozialphilosoph Hans Joas sagte, auch die Menschen, die auf der Straße gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung protestierten, müssten ernst genommen werden. Viele Demonstranten hätten das Gefühl, sie kämen mit ihrem Entscheidungswunsch nicht mehr durch.

Der Islamwissenschaftler Milad Karimi rief dazu auf, «mehr Islam zu wagen». Das bedeute, die in Deutschland lebenden Muslime stärker in die Pflicht zu nehmen, um die Gesellschaft voranzubringen, sagte Karimi. Dazu reichten Islamkonferenzen allein nicht aus.

Selbstkritik übte «Zeit»-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Die Medien hätten im Umgang mit der Flüchtlingsfrage häufig «keine gute Figur gemacht». Sie hätten sich zu Mitgestaltern gemacht, anstatt nüchtern über die Vorkommnisse zu berichten. Er habe jedoch das Gefühl, seit den Ereignissen in Köln gebe es eine offenere Berichterstattung.

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