Warum Republikaner Donald Trump für einen guten Christen halten

6. Mai 2016 in Kommentar


Nach seinem Sieg bei den Vorwahlen zur republikanischen Präsidentschaftskandidatur im US-Bundesstaat Indiana ist Donald Trump in aussichtreichster Position. idea-Kommentar des Kirchenhistorikers Prof. Gerhard Besier.


Wetzlar (kath.net/idea) In den USA gibt es eine anhaltende Debatte darüber, ob der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei, Donald Trump, ein Christ sei. Diese Frage ist in den USA wichtiger als hierzulande, weil 70 Prozent aller Wähler und 90 Prozent der Evangelikalen darauf bestehen, dass ihr Präsident ein streng religiöser Mensch sein muss. Seit Mitte Februar 2016 stellt sich die Frage in verschärfter Weise, weil kein geringerer als Papst Franziskus sich zu der Bemerkung gegenüber Reportern hinreißen ließ, wer die ganze Zeit – wie eben Trump – über den Bau von Mauern (um Einwanderer zu vermeiden) nachdenke und nicht über den von Brücken, der könne kein guter Christ sein. Nur Minuten danach kommentierte Trump, es sei unbarmherzig, wenn ein religiöser Führer den Glauben eines anderen Menschen in Frage stelle.

Welcher Kirche gehört Trump eigentlich an?

Tatsächlich hatten zahlreiche Beobachter in den USA erwartet, dass die kleine Nebenbemerkung den Siegeslauf des umstrittenen Kandidaten jäh beenden werde. Schließlich ist er in dritter Ehe verheiratet, befürwortet Geburtenkontrolle und äußert sich eher abfällig über Frauen, Farbige und Migranten. Seine liberalen Marktvorstellungen stehen im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Schutzbedürftigen – der kleinen Leute wie der Armen –, und die Folter hält er für ein probates Mittel der Wahrheitsfindung. Überdies sind die Aussagen über seine Religionszugehörigkeit in den vergangenen Jahren recht widersprüchlich ausgefallen. Zunächst wurde berichtet, er gehöre der römisch-katholischen Kirche an, dann hieß es, er sei Mitglied der Niederländisch-reformierten Kirche, schließlich, er sei Presbyterianer (also reformiert). Aber seine dritte Frau heiratete er in einer (anglikanischen) Episkopalkirche. Trump selbst versichert jedem, der es hören will, dass er ein frommer Christ sei, die Bibel für das entscheidende Buch halte, er so oft wie möglich den Gottesdienst besuche und Religion die tollste Sache der Welt sei. Davon ausgenommen sei allerdings der Islam, den er für ein Problem hält, weil er so viel Hass in der Welt verbreite. Darum spreche er sich gegen die Einwanderung von Muslimen nach Amerika aus.

Viele rechneten mit dem raschen Ende …

Nach Trumps eher konfusen Bekenntnissen, seiner fragwürdigen Lebensführung, seinen wirren politischen Überzeugungen und der Kritik des Papstes an seinen Mauerfantasien rechneten viele mit einem raschen Ende seines Erfolges. Aber das Gegenteil trat ein, so dass sich einige Politikwissenschaftler fragten, was christliche Republikaner dazu veranlassen könnte, weiterhin auf Trump zu setzen. Nicht wenige halten ihm zugute, dass er kein professioneller Politiker ist und darum undiplomatisch sagt, was auch viele Wähler denken.

Sie sind es leid, sich von der politischen Klasse an der Nase herumführen zu lassen und wünschen sich einen Selfmademan wie Ronald Reagan, der jenseits der Politik seinen Mann gestanden hat, bevor er Präsident wurde. In Trump wollen sie unbedingt einen solchen Mann sehen. Aber Ronald Reagan bezeichnete sich unwidersprochen als wiedergeborener (also evangelischer) Christ. Damit kann Trump unmöglich aufwarten.

Man hört nur, was man hören will

Viele erklären die nach wie vor bestehende Unterstützung republikanischer Christen für Trump mit der Theorie, dass Sie zunächst einmal zugunsten „ihrer“ Partei und deren Kandidaten optieren. Um sich darin nicht irre machen zu lassen, nehmen sie neue Informationen über den Kandidaten nur insoweit auf, als sie in ihr Weltbild passen. Andernfalls müssten sie eines von beiden verändern: Die Position gegenüber dem Kandidaten und seiner Partei oder ihre eigene Haltung. Dazu sind Menschen aber oftmals nicht bereit.

Von diesem psychologischen Phänomen profitierte 1974 auch der republikanische Präsident Richard Nixon, als der Watergate-Skandal – die Aufdeckung von Missbräuchen durch seine Regierung seit 1969 – seine Karriere beendete und zu seinem Sturz führte. Während sich die Demokraten begierig auf die Enthüllungen stürzten, zeigten beachtliche Teile der Republikanischen Partei – besonders die aus dem Süden – eher Verständnis für Nixon und kritisierten die gegen ihn geführten Untersuchungen im Kongress. Während der Abtreibungsdebatte zwischen den 70er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts korrigierten die Wähler ihre Haltung zunehmend an der „ihrer“ Partei, um nicht in Widerspruch zu dieser zu geraten.

Eine Rechtfertigungsprozedur ist nötig

Christliche Wähler der Republikanischen Partei müssen im Falle Trumps noch einen weiteren Schritt tun, um ihre Überzeugungen mit denen des Kandidaten in Einklang zu bringen. Sie müssen sozusagen eine Rechtfertigungsprozedur vollziehen, die zeigen soll, dass ihre Unterstützung für Trump mit ihrem eigenen christlichen Wertesystem übereinstimmt. Am leichtesten ist es für sie, gegen alle Informationen und sogar gegen die Papst-Bemerkung zu behaupten, in Wahrheit sei Trump ein vielleicht missverstandener, letztlich aber doch guter Christ. Mit dieser Denkoperation beseitigen sie alle Widersprüche zwischen den eigenen Überzeugungen, ihrer Republikanischen Partei und deren aussichtsreichstem Kandidaten.

Würde das Amt Trump verändern?

Angenommen, Trump würde zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt, könnte dann womöglich etwas eintreten, was für christliche Republikaner gar nicht, wohl aber für alle anderen Wähler eine Überraschung sein dürfte. Wie vor ihm viele andere Präsidenten verändert das Amt die Person, und Trump könnte - in den Stürmen der Weltpolitik - doch noch zu einem Christen werden, der sich auf Gottes Hilfe angewiesen weiß. Das heißt, er würde zu dem werden, den viele Evangelikale schon heute in ihm sehen.

Der Autor, Gerhard Besier (Dresden), ist habilitierter evangelischer Theologe, promovierter Historiker und Diplom-Psychologe. Er lehrt an verschiedenen europäischen Universitäten und an der Stanford-Universität in Kalifornien.


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