17. Mai 2016 in Aktuelles
Video des Roten Kreuz Flandern behauptete: Konstantins Kreuz: 110.000 Menschen getötet. Lateinisches Kreuz: 17.000.000 Menschen getötet... Nazi-Kreuz: 60.500.000 Menschen getötet - Rotes Kreuz: 41.520.000 Menschen gerettet. Von Petra Lorleberg
Mechelen (kath.net/pl) Das Rote Kreuz Flandern veröffentlichte am 8.5.2016 ein Video unter dem Titel Diese Geschichtslektion macht dir Gänsehaut, das Widerspruch auslöste und bereits am 13.5.2016 zurückgezogen wurde. Der kurze Clip präsentierte ein Kreuz, das in verschiedene Formen mutierte. Zu düsterer Geräuschkulisse, die Kämpfe und Kriegsgeschehen, Schwerter und Geschosse assoziieren ließ, behauptete der Text im vollständigen Wortlaut: Baskisches Kreuz: 1.229 Menschen getötet. Malteserkreuz: 30.000 Menschen getötet. Neros Kreuz: 100.000 Menschen getötet. Konstantins Kreuz: 110.000 Menschen getötet. Eisernes Kreuz: 16.500.000 Menschen getötet. Lateinisches Kreuz: 17.000.000 Menschen getötet. Nazi-Kreuz: 60.500.000 Menschen getötet. Nun verstummte der Kriegslärm und es leuchtete das Rote Kreuz auf mit dem Text: Rotes Kreuz: 41.520.000 Menschen gerettet. Werde Freiwilliger. Der Clip wurde anlässlich des Internationalen Weltrotkreuztag online gestellt, er war von der Werbeagentur Duval Guillaume entwickelt worden.
Für das Deutsche Rote Kreuz (DRK)/Berlin erläuterte Pressesprecher Dieter Schütz kath.net auf Anfrage: Bei dem Video handelt es sich um ein Video des Flämischen Roten Kreuzes. Es gibt weltweit 190 nationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften, die völlig eigenverantwortlich arbeiten. Jede agiert vor ihrem eigenen kulturhistorischen Hintergrund. Das Deutsche Rote Kreuz hat nicht die Absicht, dieses Video zu verbreiten, weil es nicht unserem Kommunikationsstil entspricht und wir die dort gemachten Aussagen in dieser Form nicht teilen.
Verena Götze, Pressereferentin der Johanniter-Unfall-Hilfe/Berlin, die das im Videoclip negativ aufscheinende Malteserkreuz im Wappen führen, erläuterte kath.net auf Anfrage: Wir haben dazu mit dem Pressesprecher des Deutschen Roten Kreuzes gesprochen. Er versicherte uns, das Thema bei nächsten europäischen Austausch anzusprechen. Inhaltlich können wir uns den Aussagen des DRK nur anschließen.
kath.net fragte die Pressestelle des Flämischen Roten Kreuzes um Stellungnahme an. Innerhalb weniger Stunden nach der Kontaktaufnahme wurde das Video von der Homepage des Flämischen Roten Kreuzes und von sämtlichen Auftritten in den sozialen Netzwerken entfernt. An Luyten, Pressesprecherin und Medienmanagerin des Flämischen Roten Kreuzes, erläuterte gegenüber kath.net: Wir verstehen das nicht als beleidigendes Video das Sprechen über historische Fakten ist in unseren Augen überhaupt nicht beleidigend. Zuvor hatte sie auch in ihrer Presseaussendung zum Video vertreten: Ja, das ist ein konfrontierendes Video, vielleicht ist das nicht der übliche Rotkreuz-Stil. Das Video ist eine Sequenz historischer Fakten aus Zeiten, in denen Menschen im Namen von Kreuzen getötet wurden, egal welcher Bewegung, Religion oder Partei. Die Opferzahlen hätten in manchen Fällen sogar höher sein können, wenn das Rote Kreuz nicht existiert hätte. Der Einsatz des Flämischen Roten Kreuzes bei den jüngsten Attacken in Zaventem und Maalbeek beweist unseren Existenzgrund. Über 400 freiwillige Helfer ließen ihre Alltagsaufgaben fallen und gingen wortwörtlich Leben retten. Das Video soll gemäß Presseaussendung junge Menschen zum Nachdenken über die Frage motivieren, ob sie ihr Freizeit dem Flämischen Roten Kreuz zur Verfügung stellen wollen.
In der Presseaussendung erläuterte Luyten dann zur Entfernung des Spots am 13.5.2015: Wir haben heute entschieden, den Spot von YouTube zu entfernen. Zwar bedauern wir, dass wir die positive Botschaft, die wir (hauptsächlich an Jugendliche) über den Daseinszweck unserer Organisation geben wollten, von einigen missverstanden wurde. Doch haben wir kein Interesse daran, in eine emotionale Diskussion darüber verwickelt zu werden. Das war schlicht nicht das Ziel dieses Clips.
Auch der Düsseldorfer Kommunikationsdesigner und Illustrator Peter Esser gab kath.net auf Anfrage eine Stellungnahme: 1. Die Zahlen entstammen vulgär-atheistischer Kolportage. Selbst wenn sich die Wirkungsgeschichte eines Symbols auf Opferzahlen reduzieren ließe (wie bei der Ideologie, für die das Hakenkreuz steht), müssten Zahlen doch belegt und konkreten Situationen zugeordnet werden. Sonst könnte man ALLES behaupten.
2) Ästhetisch eine minimalistische, reduzierte Botschaft, die mit der nicht mehr weiter zu vereinfachenden Kreuz-Symbolik spielt. Leider ist ein komplexer historischer Befund nicht in gleicher Weise zu vereinfachen. Design und Wirklichkeit sind nicht identisch.
3) Grundsätzlich ist es eine gute Idee, Zahlen sprechen zu lassen. Das Rote Kreuz hätte viele Möglichkeiten, sein weltweites Engagement durch eindrucksvolle Zahlen zu belegen und dies in einer minimalistischen Präsentation darzustellen. Ob ein Imagefilm aber völlig ohne eine emotionale Brücke zum Betrachter auskommt, der sich als möglicher Unterstützer mit dem RK und seiner Arbeit identifizieren kann, scheint mir fraglich.
4) Diese Art von Vintage-Minimalismus erzeugt nur eine kurzlebige Aufmerksamkeit und hat kein serielles Potenzial.
5) Völlig absurd scheint mir der Versuch, die eigene Bildmarke aus dem Kontext der tradierten Kreuzessymbolik zu reißen. Das Rote Kreuz bezieht seine Zustimmung zum großen Teil daraus, dass das Kreuz in der Öffentlichkeit als religiöses, positiv konnotiertes Symbol wahrgenommen wird. Sich rabiat davon zu lösen hieße sich der eigenen Herkunftsbestimmung zu entledigen.
6) Das Rote Kreuz hat sich ein markenrechtliches Problem geschaffen, indem es die Bildmarke eines Mitbewerbers, des Malteser-Verbandes, als verbrecherisch deklarierte. Gleiches gilt für alle konfessionellen Hilfswerke, die das Kreuz nutzen. Die rasche Rücknahme des Clips zeigt, dass man die rechtliche Dimension am Ende beim Roten Kreuz doch verstanden hat.
Zuschauerreaktionen auf das Video
Das gelöschte Video hatte innerhalb weniger Tage auf YouTube fast 45.000 Klicks. In der inzwischen nicht mehr aufrufbaren Diskussion unter dem Video fanden sich sowohl Zustimmung wie auch Kritik. So fand sich unter dem Video der Eintrag: Absolut genialer Spot! Wirklich sehr einprägsam und vorallem WAHR. Eine Person stellte fest: Latin Cross 17mio. Da bin ich aber mal auf verlässliche Quellen gespannt. Eine dritte Person schrieb Echt traurig - hat das das rote Kreuz nötig? Wer den Spot gemacht hat und wer ihn zugelassen hat, hat die eigentliche Botschaft hinter dem roten Kreuz nicht verstanden. Dieser Spot wird dem roten Kreuz / Halbmond / Davidstern / Rotem Löwen mit roter Sonne eher schaden. Irgendwelche BWL-Marketing-Hanseln meinen, Nächstenliebe sei ein Markt, den man erobern und sich gegenüber vermeintlichen Konkurrenten absetzen muss. ... zum Kotzen.
Ebenso entstand unter einem Beitrag der deutschen Wirtschaftszeitschrift Business Punk eine lebhafte Leserdiskussion über das Video. Auch hier prallte Lob (Aus künstlerischer Sicht war das Video unglaublich!) auf Kritik. Gerhard K. Steiner, Mitglied des Präsidiums und Landesarzt bei DRK Landesverband Nordrhein e.V., bezeichnete das Video als unangemessen und populistisch - wird der eigentlich erwünschten Aussage nicht gerecht!. Darauf reagierte ein anderer Leser mit den Worten: Ich bin tatsächlich fassungslos über diese Niveaulosigkeit. Ich bin froh, dass Sie vom DRK das auch so sehen. Ein weiterer Leser wies darauf hin, dass die Erstellung einer Tradition von christlicher Symbolik hin zum Hakenkreuz im Verständnis des Mitgefühlsgedankens des Roten Kreuzes problematisch sei, wenn man bedenkt, dass die Haupteinnahmen des RK rund um christliche Traditionen aufgebaut sind.
Zur Dokumentation: Rotes Kreuz Flandern - Screenshot vom 13.5.2016: Umstrittenes Video über das Kreuz auf dem offiziellen YouTube-Auftritt
Zur Dokumentation: Rotes Kreuz Flandern - Screenshot vom 13.5.2016: Hinweis auf umstrittenes Video über Kreuz auf dem offiziellen Facebook-Auftritt (inzwischen gelöscht)
Zur Dokumentation: Rotes Kreuz Flandern - Screenshot 17.5.2016: Das umstrittene Video über Kreuz auf Seite der Werbeagentur Duval Guillaume
Foto oben: Screenshots aus dem besprochenen Video (c) Rotes Kreuz Flandern
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