Tück wird nervös: Öffnung zu Piusbrüdern 'trojanisches Pferd'

23. Mai 2016 in Chronik


Wiener Dogmatiker: Päpstliche Geste der Barmherzigkeit wäre bei dogmatisch vorkonziliarer Piusbruderschaft gänzlich verfehlt - Antimodernismus, Antijudaismus und Intoleranz würden wie "semantisches Dynamit" in der Kirche wirken


Wien (kath.net/KAP) Die Verhandlungen Roms mit der traditionalistischen Piusbruderschaft zur Wiederaufnahme in die katholische Kirche sorgt jetzt für Nervosität bei manchen Theologen. So bezeichnete der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück eine solche, angeblich von Papst Franziskus in Aussicht gestellte kirchliche Wiederaufnahme ohne Vorbedingungen bzw. vorherige Klärung der offenen theologischen Streitpunkte als "trojanisches Pferd" für die Kirche: Die Piusbruderschaft stehe für "Antimodernismus, Antijudaismus, Intoleranz gegenüber anderen Religionen, Integralismus im Staat-Kirche-Verhältnis" - dies wäre nicht weniger als "semantisches Dynamit von einiger Sprengkraft", schreibt Tück in einem Gastbeitrag für die "Neue Zürcher Zeitung" (Montag).

Es bestehe die Gefahr, unter dem Leitbegriff der Barmherzigkeit die katholische Weite deutlich zu überdehnen, "wenn darin nicht nur Ungleichzeitiges, sondern auch Gegensätzliches Platz hat" - schließlich gehe es bei den Piusbrüdern nicht um Fragen der seelsorglichen Praxis, denen man mit dem Stichwort Barmherzigkeit milde begegnen könnte, sondern um den Geltungsanspruch theologischer Grundpositionen. Es wäre daher "fatal", so Tück, wenn Papst Franziskus die Piusbruderschaft "mit offenen Armen empfinge, ohne ihnen zuvor eine Korrektur ihrer problematischen Lehren abzuverlangen". Die Hoffnung, dass sich die Streitpunkte "im Wärmestrom der Barmherzigkeit" gleichsam auflösen würden, sei zwar nachvollziehbar, jedoch um einen Preis, "der erhebliche Zweifel an der Kohärenz des päpstlichen Handelns wecken würde" - schließlich käme dies einer Abkehr von dem von Papst Benedikt 2009 eingeschlagenen Weg gleich.

Dass es sich bei den Streitpunkten "mitnichten um vernachlässigbare Bagatellen" handelt, über die man einfach hinwegsehen könne, verdeutlicht Tück mit Verweis auf die ablehnende Haltung der Piusbrüder dem Zweiten Vatikanischen Konzil gegenüber: "Die Anerkennung der Religions- und Gewissensfreiheit, in der man den Lackmustest für den Anschluss der Kirche an das moderne Menschenrechtsethos sehen kann, wird von der Piusbruderschaft ebenso verworfen wie der freiheitlich säkulare Staat".

Auch der vom zuständigen vatikanischen Sekretär der Kommission "Ecclesia Dei", Erzbischof Guido Pozzo, unterbreitete Vorschlag, bei den Konzilsdokumenten von einer "abgestuften Verbindlichkeit" auszugehen, trage nicht weit - im Gegenteil: Dies sei "kirchenpolitisch fragwürdig" und "konzilshermeneutisch falsch" und relativiere letztlich die gesamte "Theologie des Konzils", so Tück. Die "Lösung" des Konflikts könne daher nicht in einer "Relativierung des Konzils" bestehen, sondern nur in einer "theologischen Selbstkorrektur der Piusbruderschaft".

Erstaunt zeigt sich Tück in dem NZZ-Gastbeitrag aber auch über den bislang ausgebliebenen Aufschrei der eigenen Zunft: So hätten erstaunlicherweise "die Frühwarnsysteme der akademischen Theologie bisher weithin versagt" - dies falle um so mehr in Auge, als die Verhandlungen Benedikts XVI. mit den Piusbrüdern mit theologischen Argus-Augen verfolgt wurden. Im Blick auf Franziskus könne man indes von einem weitgehenden "Ausfall der Kritik" sprechen - und so richtet Tück abschließend einen Weckruf an die akademische Theologie: "Auch ein Papst kann Fehler machen - ob ihn die Theologie noch davon abzuhalten vermag?"

Kürzlich hatte sich Papst Franziskus in einem Interview zur Fortsetzung des Dialogs mit der Piusbruderschaft geäußert. Ihr Oberer Bernard Fellay sei ein "Mann, mit dem man reden kann", sagte er der französischen Tageszeitung "La Croix". Man komme in dem Dialog "langsam und mit Geduld voran". Für "andere Elemente wie Monsignore Williamson und andere, die sich radikalisiert haben", gelte das jedoch nicht. Zugleich betonte der Papst, dass die Voraussetzung für die volle Gemeinschaft der von Rom abtrünnigen Bruderschaft mit der römisch-katholischen Kirche die Anerkennung des Konzils sei. Die Piusbruderschaft wiederum hatte im Februar eine Äußerung des Lefebvrianer-Bischofs Alfonso de Galarreta veröffentlicht, derzufolge der Papst "in Richtung einer einseitigen Anerkennung der Bruderschaft" gehe.



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