7. Juli 2016 in Kommentar
"Für die von Justizminister Heiko Maas mit Anetta Kahane initiierte 'Social-Media-Stasi' braucht es genau diese Leute: Ausschließlich in den Kategorien Schwarz und Weiß denkend, ... " Gastkommentar von Susanne Wenzel
Köln (kath.net) Für die von Justizminister Heiko Maas mit Anetta Kahane initiierte Social-Media-Stasi braucht es genau diese Leute: Ausschließlich in den Kategorien Schwarz und Weiß denkend, selbst moralisch über allen anderen stehend, immer auf der guten Seite, niemals Fehler machend und ausgestattet mit einer konsequenten Situationsethik.
Diese Leute machen sich die Mühe in Facebook- und Twitter-Profilen nachzuschauen, wer wann zu welchem Thema wie Stellung genommen, an den richtigen Stellen Tränen vergossen oder sonst was gepostet hat. Manchmal wird das sogar gesichert mit Screenshot, um es beliebig oft wieder präsentieren und in Erinnerung rufen zu können.
Anspruch auf Mitgefühl und Solidarität haben natürlich nur ihresgleichen. Menschenrechte für die auf der "falschen Seite"? Fehlanzeige! Das zeigte sich dieser Tage sehr gut am Beispiel von Nigel Farage und den Reaktionen auf seinen Rücktritt. Offenbar spielten ernstzunehmende Todesdrohungen und Gewaltandrohungen gegen ihn und seine Familie dabei eine Rolle, darunter ein Aufruf, die 9 und 15 Jahre alten Töchter von Farage zu vergewaltigen. Wehe dem, der nicht den gewaltsamen und vollkommen unsinnigen Tod von Jo Cox lautstark und am besten in täglich wiederkehrenden Postings beweint hat, jetzt aber Solidarität für Farages Töchter einfordert. Wenn der Vater die falsche politische Ausrichtung hat, dürfen selbst 9jährige Mädchen mit sexueller Gewalt bedroht werden. Keine feministische Solidarität für kleine Mädchen, wenn Papa ein "mieser Lügner und Rassist" ist. Keine Aufrechnung von Opfern und Betroffenheiten ist manchen dafür zu dumm. Man muss Farage nicht einmal mögen, man muss den Brexit nicht einmal befürworten, um zu wissen, dass hier etwas grundlegend falsch läuft.
Und ein zweites Beispiel: Geht die Arbeitgeberin für die falschen Dinge auf die Straße, darf ihr Firmengebäude ruhig in Brand gesetzt werden. Auch Ihre Mitarbeiter haben dann keinen Anspruch mehr auf Schutz und Solidarität. Deren Sozialräume können ruhig abgefackelt werden. Aber wehe, man schimpft nicht laut genug oder auch nur zu spät über Feuer in Flüchtlingsheimen - selbst wenn sie wegen Unzufriedenheit von Flüchtlingen selbst gelegt werden. Man hat bei den richtigen Themen zu reagieren und sonst gefälligst zu schweigen. Dabei wird ganz bewusst Gewalt von bestimmten Gruppen legitimiert und als richtig eingestuft. Vollkommen verdrängt wird, dass Gewalt falsch ist ganz gleich von welcher Seite sie kommt. Sie schafft und vergrößert Probleme, aber sie löst sie nicht.
Was für ein perfides Spiel! Weil man denen, die nicht die eigene Ideologie vertreten unter gar keinen Umständen zugestehen will, dass auch für sie jedes Opfer eines zuviel ist. Man darf nur die Richtigen schützen, betrauern und verteidigen.
Das zeigt aber auch, wie sehr der Gesinnungsterror mancher Gutmenschen aber auch von Gutmeinenden in unserem Land inzwischen aus dem Ruder läuft. Man denkt nur noch in seinen eigenen erwählten Opfergruppen. Wer Anspruch auf Solidarität der Menschlichen hat, ja wer überhaupt Mensch ist, wird nach politischen und/oder religiösen Ansichten festgelegt. Eine kurze und einfältige Denkweise, die in einen Wahn führt, der die Grundlage für die "Hexenjagd" unserer Tage sein wird. Was in Arthur Millers gleichnamigem Theaterstück die "Missachtung des Gerichts" war, ist in unseren Tagen "Phobie", "Rassismus" und "rechtsextrem".
Wenn andere dann zu Schaden kommen und es wieder in allen Häusern brennt, wird man das erneut rechtfertigen mit der Notwendigkeit, den Feind der Gemeinschaft ausmerzen zu müssen, um die Ordnung zu erhalten. Da müssen schließlich alle Opfer bringen. Wer das nicht versteht, der ist vielleicht selbst ein subversives Subjekt, das dann genauer zu beobachten ist und über das Informationen gesammelt werden müssen.
Und am Ende holen wir wieder das "Kriegslied" von Matthias Claudius hervor: "... 's ist Krieg - und ich begehre nicht schuld daran zu sein".
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