24. August 2016 in Deutschland
Kritik an Ministerpräsident Ramelow: Er zitiert einen Großstadtmythos
Bonn (kath.net/idea) Noch nie hat ein evangelikaler Christ einen Abtreibungsarzt erschossen. Das schreibt der Vorsitzende der Theologischen Kommission des evangelikalen Dachverbandes Weltweite Evangelische Allianz, Prof. Thomas Schirrmacher (Bonn), am 22. August in seinem Blog ProMundis. Anlass für seinen Beitrag war die Aussage des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) in der ZDF-Fernsehsendung Maybrit Illner. Dort ging es Ende März um das Thema Terrorismus: Was tun gegen islamistische Gewalt?. Ramelow sagte, in den USA gebe es selbst ernannte Evangelikale, die der Meinung sind, sie könnten Abtreibungsgegner oder Abtreibungskliniken überfallen und Menschen umbringen, erschießen, die sich für Abtreibung einsetzen.
Laut Schirrmacher gibt es für diese Aussage keine Belege: Ramelow zitiert eindeutig einen Großstadtmythos, der sich längst verselbstständigt hat. Einer zitiert den anderen, keiner sieht, dass am Anfang der ,Reise zu Jerusalem überhaupt kein Ereignis steht.
Das gelte auch für den jüngsten Überfall auf eine in einem Einkaufszentrum gelegene Abtreibungsklinik der Organisation Planned Parenthood (Geplante Elternschaft) am 29. November 2015 in Colorado Springs (Bundesstaat Colorado) mit drei Toten. Der Täter sei bereits wegen zahlreicher wilder Schießereien in öffentlichen Gebäuden in mehreren Bundesstaaten aufgefallen. Das Gericht habe den Prozess wegen offensichtlicher Unzurechnungsfähigkeit des Täters beendet, so Schirrmacher. Von einem religiösen Hintergrund sei nicht die Rede gewesen.
Seit 1977 gab es elf Morde
Auch aus den Statistiken der Nationalen Gesellschaft für Schwangerschaftsabbruch (National Abortion Federation) oder der Vereinigung NARAL Pro-Choice America lasse sich eine Verbindung zwischen den Morden und Evangelikalen nicht ableiten. Obwohl deren Berichte nicht gerade Christen-freundlich seien, machten sie in keinem Fall evangelikale oder katholische Christen für eine Straftat verantwortlich.
Schirrmacher führt aus, dass es seit 1977 elf Morde in Abtreibungskliniken oder an Abtreibungsärzten gegeben habe. Der mit Abstand häufigste Grund der Täter sei Unzurechnungsfähigkeit. Schirrmacher: Christen und ihre Kirchen spielen keine Rolle.
Lebensschützer kritisierten Ramelow scharf
Lebensschützer hatten die Aussage Ramelows damals scharf kritisiert. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Lebensrecht (Berlin), Martin Lohmann (Bonn), nannte es gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea perfide, wenn ausgerechnet ein Linker versuche, den für jedermann erkennbaren massenhaften und systematischen Missbrauch einer Religion mit einzelnen Tätern zu vergleichen, die einer anderen Religion angehören.
Der Geschäftsführer der Lebensrechtsvereinigung KALEB (Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren), Gerhard Steier (Berlin), bezeichnete die Aussagen Ramelows als unfair. Ihn störe, dass verschiedene Themen ineinandergerührt würden. Die deutsche und weltweite Lebensrechtsbewegung bemühe sich Tag für Tag, Familien und Schwangeren friedlich und mit viel Engagement zu helfen.
Archivfoto: Prof. Schirrmacher, geladener geladener Beobachter der vatikanischen Bischofssynode, im Gespräch mit Papst Franziskus während der Bischofssynode im Oktober 2015
Archivfoto oben (c) Thomas Schirrmacher
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