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Als "unannehmbar" haben die Schweizer Bischöfe die von den eidgenössischen Räten beschlossene "Fristenlösung" bezeichnet. Die Erklärung im Wortlaut!
Bern(kath.net/Kipa)
In einer am Donnerstag an einerMedienkonferenz in Bern verbreiteten Erklärung der SchweizerBischofskonferenz (SBK) zum Schwangerschaftsabbruchqualifizierten sie zudem die Volksinitiative "Für Mutter undKind", die ein weitgehendes Abtreibungsverbot will, "trotz derdarin enthaltenen positiven Massnahmen und der vorgesehenenNothilfe" als "ungenügend".
Die beiden Vorlagen, "Fristenlösung" und Initiative "Für Mutterund Kind", kommen gleichzeitig, voraussichtlich im Juni 2002, zurVolksabstimmung. Die SBK hatte das Thema Abtreibung an einervom Montag bis Mittwoch dauernden Ordentlichen Versammlung inGivisiez bei Freiburg ausführlich diskutiert.
Der Churer Bischof und SBK-Präsident Amédée Grab erläuterteam Donnerstag vor der Presse, wegen der grossen ethischenBedeutung der beiden Vorlagen habe es die SBK "als höchst wichtigerachtet" sich - entgegen ihrer Gewohnheit, keineStimmempfehlungen zu Vorlagen abzugeben - "inunmissverständlicher Weise zu äussern". Grundlage zurStellungnahme der Bischöfe habe namentlich das kürzlich im Auftragder Bischöfe veröffentlichte Dokument der TheologischenKommission der SBK "Neun Leitsätze zumSchwangerschaftsabbruch" geboten.
"Nichteinhaltung voraussehbar"
An der vom Parlament verabschiedeten Vorlage zurFristenregelung ("Fristenlösung" sei nie eine "Lösung", so dieSprachregelung der SBK) bemängeln die Bischöfe die generelleStraflosigkeit der Abtreibung in den ersten zwölf Wochen derSchwangerschaft und die nach dieser Frist geltende "Erweiterung derIndikationenlösung". Beides sei "unannehmbar".
Die Initiative "Für Mutter und Kind" sei nach Ansicht der SBK"ungenügend", da ein Strafgesetz allein, "dessen Nichteinhaltungvoraussehbar ist", erfahrungsgemäss nicht weiter führe. Daranänderten auch die von der Initiative verlangten positivenMassnahmen und die vorgesehene Nothilfe nichts.
"Hochschätzung des Lebens unabdingbar"
Der gegenwärtige Zustand mit der "fast systematischenNichtanwendung der Gesetzesnorm" könne indes auch nichtbefriedigen. "Die allerbesten gesetzlichen Regelungen ersetzen dieprinzipielle Einsicht nicht, dass ein Schwangerschaftsabbruch einmenschliches Leben tötet", betonte der Churer Bischof. DieHochschätzung des Lebens sei unabdingbar.
Jede künftig getroffene Gesetzesänderung zum Schutz desLebens müsse, so die Bischöfe, von einem Paket flankierendergesetzlicher Massnahmen zu Gunsten betroffener Frauen und desFamilienschutzes begleitet sein wie Mutterschaftsversicherung,Mutterschaftsurlaub, Kinderzulagen, Kinderkrippen, reduzierteKrankenkassentarife und Steuererleichterungen.
Es gehe darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, "damitFrauen Ja zum Leben sagen können". Gemäss Grab spricht sich dieBischofskonferenz zudem für eine Schwangerschaftsberatung aus,die konkrete Hilfestellungen anbietet und vom Staat gefördert wird.Erst im Rahmen eines solchen Paketes von Massnahmen, mit demder Staat seiner Schutzpflicht nachkomme, werde für die Bischöfe"eine Gesetzesänderung weniger problematisch".
Leben hat "unantastbare Würde"
In ihrer Erklärung unterstreicht die SBK, dass das Recht aufLeben, das heute allgemein anerkannt sei, seinen Ursprung darinhabe, dass das menschliche Leben von Gott geschaffen und vonJesus Christus geheiligt sei. Deshalb besitze das menschliche Lebeneine unvergleichliche und unantastbare Würde - auch das behinderteund das ungeborene Leben. Es sei eine der vornehmsten Aufgabendes Staates, dieses Leben in all seinen Phasen zu schützen.
Erklärung der SBK zum Schwangerschaftsabbruch
Im kommenden Sommer wird das Schweizervolk zur Abstimmung über ein Referendum und eine Volksinitiative eingeladen, die beide den Schwangerschaftsabbruch betreffen. In ihrer Sorge um den Schutz des menschlichen Lebens nehmen die Schweizer Bischöfe zu dieser Abstimmung wie folgt Stellung:
1. Das menschliche Leben, das von Gott geschaffen ist und von Jesus Christus geheiligt, besitzt eine unvergleichliche und unantastbare Würde. Diese Würde wird heute als Recht auf Leben allgemein anerkannt, so auch in der Bundesverfassung (vgl. Art. 7 und 10, 1). Es ist eine der vornehmsten Aufgaben der Kirche und des Staates, dieses Leben in all seinen Phasen zu schützen, auch das behinderte und das ungeborene Leben. In dessen Erbanlage ist, wie wir heute wissen, die Persönlichkeit bereits vorgezeichnet. Deshalb ist jeder Schwangerschaftsabbruch Tötung eines menschlichen Wesens und darum sittlich unerlaubt welche Gesetzesordnung auch immer zugrunde liegt.
2. Sowohl die generelle Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches in den ersten 12 Wochen (Art. 119, 2), wie die in Art. 119,1 enthaltene Erweiterung der Indikationenlösung sind für die Schweizer Bischöfe schlechthin unannehmbar. In den neu gefassten Artikeln nimmt der Staat seine Schutzfunktion für das ungeborene, wehrlose Leben nicht mehr genügend wahr, und delegiert den Schutz dieses Lebens weitgehend in die alleinige Verantwortung der betroffenen Frauen, bzw. eines behandelnden Arztes, ohne dass den Frauen in ihrer Notlage genügend Hilfe angeboten wird.
3. Die Bischöfe sind sich bewusst, dass sich das Problem des Lebensschutzes mit den Mitteln des Strafrechts allein nicht lösen lässt. Im Hinblick auf eine bessere Lösung der Problematik des Schwangerschaftsabbruches ist in erster Linie ein flankierendes Paket gesetzlicher Massnahmen zugunsten betroffener Frauen und des Familienschutzes zu fordern: Mutterschaftsversicherung, Mutterschaftsurlaub, Kinderzulagen, Kinderkrippen, reduzierte Krankenkassentarife und Steuererleichterungen, usw.Nicht zuletzt muss eine Schwangerschaftsberatung gefordert werden, die konkrete Hilfestellungen anbietet und vom Staat gefördert wird. Erst im Rahmen eines solchen Pakets, durch das der Staat seiner Schutzpflicht nachkommt, wird für uns Bischöfe eine Gesetzesänderung weniger problematisch. Die SBK hat ihre eigene Überzeugung schon in neun Leitsätzen zum Schwangerschaftsabbruch verdeutlicht. Diese sind im Internet und als Broschüre verfügbar (Neun Leitsätze zum Schwangerschaftsabbruch – Veröffentlichungen der Theologischen Kommission der SBK – Kirche und Öffentlichkeit). In diesen Leitsätzen wird an die komplexe Fragestellung, an die ethischen Probleme und die sozialpolitischen Zusammenhänge erinnert, die in der Frage des Schwangerschaftsabbruches berücksichtigt werden müssen.
4. Im Licht dieser Erwägungen erachten die Bischöfe deshalb auch die Initiative für „Mutter und Kind“, trotz der darin enthaltenen positiven Massnahmen und der vorgesehenen Nothilfe, als ungenügend. Ein Strafgesetz allein, dessen Nichteinhaltung voraussehbar ist, führt erfahrungsgemäss nicht weiter.Im kommenden Abstimmungskampf ermahnen wir Bischöfe die Gläubigen und die ganze Schweizer Bevölkerung im Blick auf diese Erwägungen und aufgrund ihres eigenen sittlichen Gewissens als Menschen und als Christen, sich aktiv einzusetzen für einen besseren Schutz von Mutter und Kind.
Freiburg, 5. September 2001
Die Schweizer Bischöfe
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