Das Gift der Genderideologie

2. November 2016 in Familie


Bei der „Demo für alle“ in Wiesbaden fordern die Teilnehmer „die Landesregierung auf, den Lehrplan zu überarbeiten und vom Gift der Genderideologie zu befreien.“ Gastbeitrag von Prof. Manfred Spieker


Wiesbaden (kath.net) kath.net dokumentiert die Ansprache des emeritierten Professors für Christliche Sozialwissenschaften (Universität Osnabrück) bei der „Demo für alle“ in Wiesbaden am 30.10.2016 in voller Länge:

Sexualerziehung hat, so das Hessische Schulgesetz, die Schülerinnen und Schüler mit den biologischen, ethischen, religiösen, kulturellen und sozialen Tatsachen der Geschlechtlichkeit vertraut zu machen, zu Toleranz gegenüber verschiedenen Wertvorstellungen zu erziehen und die grundlegende Bedeutung von Ehe und Familie zu vermitteln (§7). Ehe und Familie haben im Schulgesetz wie auch in der hessischen Verfassung nicht deshalb einen zentralen Platz, weil sich die Ehepartner lieben, weil sie sich gegenseitig begehren und füreinander einstehen. Das mag auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften vorkommen. Sie haben einen zentralen Platz, weil sie für die Regeneration der Gesellschaft sorgen, weil sie „Grundlage des Gemeinschaftslebens“ sind. Nur sie gewährleisten die Zukunft des Gemeinwesens, indem sie Kinder zeugen und erziehen. Keine gleichgeschlechtliche Partnerschaft ist dazu in der Lage.

Die Eltern, die hier demonstrieren, verteidigen eine Sexualerziehung, die dieses Fundament achtet. Dieses Fundament ist im neuen Lehrplan nicht völlig verschwunden. Aber es ist mit dem Gift der Genderideologie infiziert. An zahlreichen Stellen wird dies deutlich: Ehe und Familie werden relativiert, indem sie auf eine Variante partnerschaftlichen Zusammenlebens reduziert werden neben nicht-ehelichen Partnerschaften, Patchworkfamilien und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Bei den Unterrichtsthemen für die 6- bis 10-jährigen kommen Ehe und Familie im Gegensatz zu den gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gar nicht vor. Die Heterosexualität als biologische Voraussetzung von Ehe und Familie wird gendergerecht auf eine Variante sexueller Vielfalt reduziert – neben Bi-, Homo- und Transsexualität. Die Sexualerziehung soll bereits den 10- bis 12-jährigen die Existenz unterschiedlicher sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten vermitteln und nicht nur zu deren Toleranz, sondern zu deren Akzeptanz erziehen.

Die Eltern wehren sich dagegen, weil der Lehrplan den Eindruck erweckt, es sei wissenschaftlich geklärt, was eine sexuelle Orientierung oder eine sexuelle Identität ausmacht, und alle Varianten sexueller Orientierung und Identität seien gleichwertig. Sie wehren sich, weil der Lehrplan damit gegen das Indoktrinationsverbot verstößt, das vom Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil zur Sexualerziehung 1977 formuliert worden war. Die Aufforderung an die Lehrkräfte, „sich als Aufklärende zu begreifen, die den Auftrag haben, den Schülerinnen und Schülern das Thema Sexualität, sexuelle Selbstbestimmung und sexuelle Vielfalt…nahezubringen“, mit den Jugendlichen über „erste sexuelle Erfahrungen“ zu diskutieren und sie „beim Coming Out“ zu unterstützen, verletzt nicht nur die Intimsphäre, die das Bundesverfassungsgericht ebenfalls als Schranke für die Sexualerziehung formuliert hatte, sondern missachtet auch die Tatsache, dass 80% derer, die sich in der Kindheit vom gleichen Geschlecht angezogen fühlen, im Erwachsenenalter ausschließlich heterosexuell orientiert sind.

Nicht weniger verstörend als das, was der Lehrplan der Sexualerziehung an Zielen vorschreibt, ist das, was er verschweigt. An keiner Stelle ist von Liebe und Verantwortung die Rede, in die Sexualität zu integrieren ist, soll sie zum Gelingen des menschlichen Lebens beitragen. An keiner Stelle ist von Selbstbeherrschung die Rede, die zur Reifung der Sexualität dazugehört. Der Lehrplan folgt offenkundig der Sexualpädagogik der Vielfalt, die „Heterosexualität, Generativität und Kernfamilie zu ‚entnaturalisieren‘…und „Lust, Zärtlichkeit und Erotik als Energiequelle für Lebensmut und Wohlbefinden…unabhängig von Ehe und Liebe in allen Altersphasen“ zu vermitteln habe (Uwe Sielert). Die Sexualpädagogik der Vielfalt verhindert die Annahme der eigenen Geschlechtlichkeit. Ignoriert wird im Plädoyer für die sexuelle Vielfalt die Tatsache, dass Depressionen, Drogenmissbrauch und Suizidversuche bei Personen mit homo-, bi- und transsexueller Orientierung wesentlich häufiger vorkommen als bei Personen mit heterosexueller Orientierung.

Weggefallen ist im neuen Lehrplan auch eine wichtige Vorschrift für die Durchführung der Sexualerziehung. Im Lehrplan von 2007 hieß es, „Der Sexualkundeunterricht kann nicht an außerschulische Personen, Verbands- und Vereinsmitglieder und Beratungseinrichtungen delegiert werden. Die ‚Sexualerziehung’ kann nur von kontinuierlich in der Klasse tätigen, pädagogisch ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet werden“. Mit dem Wegfall dieser Vorschrift ist die Tür geöffnet für das Eindringen der Schwul-lesbischen Aufklärungsgruppen in die Sexualerziehung.

Die Eltern, die hier demonstrieren, verteidigen eine Sexualerziehung, in der die Sexualität nicht auf ein handelbares Konsumgut oder ein Instrument der Lust reduziert, sondern als biologische Vorgabe begriffen wird, die gepflegt und behütet werden muss, die die Fruchtbarkeit nicht ausblendet und eingebettet ist in Werte und Normen, in Ehe und Familie. Sexualität ist nicht nur Natur oder Trieb, sondern immer auch Kultur. Sie bedarf der Kultivierung und der Integration in die Person. Deshalb ist sie auf Erziehung angewiesen. Dieser Aufgabe wird der neue Lehrplan nicht gerecht. Um der Zukunft ihrer Kinder willen fordern die Eltern deshalb die Landesregierung auf, den Lehrplan zu überarbeiten und vom Gift der Genderideologie zu befreien.

kath.net-Lesetipp
Gender-Mainstreaming in Deutschland. Konsequenzen für Staat, Gesellschaft und Kirchen
Von Manfred Spieker
Broschiert, 116 Seiten
Verlag Ferdinand Schöningh
ISBN-13: 9783506785169
Preis 17.40

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Foto „Demo für alle“ : © Demo für alle


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