'Humanstoffnutzende' Forschung

16. November 2016 in Kommentar


Menschen werden verwendet und möglicherweise geschädigt, um der Gesundheit anderer Menschen zu dienen. Gastkommentar zur Bundestagsentscheidung über Arzneimittelforschung an Demenzkranken von Alexandra Linder


Berlin (kath.net/pl) „Gruppennützige Forschung“ ist ein hübscher Begriff, er klingt selbstlos, wissenschaftlich und verführt dazu, spontan „Finde ich gut“ zu sagen. Ein anderer Begriff wäre die „uneigennützige“ Forschung, verwendbar unter der Voraussetzung, dass man persönlich zustimmt, sich für zum Beispiel Arzneimittelstudien zur Verfügung zu stellen, ohne dass man selbst einen Nutzen davon hat. Was der Bundestag in dieser Woche entschieden hat, ist eher eine „humanstoffnutzende“ Forschung. Der selbst nicht (mehr) einwilligungsfähige Mensch, der ausschließlich zum Nutzen anderer benutzt wird, wird zu einem solchen „Humanstoff“.

Trotz aller sinnvollen Änderungsanträge verstärkt sich damit die Tendenz zur Aufweichung einer umfassenden Menschenwürde. Das früher eherne Gesetz, nicht einwilligungsfähige Menschen nur dann heranzuziehen, wenn es ihnen selbst einen Nutzen bringt, wurde erneut gebrochen. Daran ändert auch die Forderung nach früherer Zustimmung des Betreffenden und die Einbindung von Ärzten nichts: Menschen werden verwendet und möglicherweise geschädigt, um der Gesundheit anderer Menschen zu dienen, und das überdies, wenn man Fachleuten glauben darf, ohne wirkliche Not in diesem Bereich.

Wenn man das Ganze auf lange Sicht und mit leicht übertriebenem Zynismus betrachtet, reihen sich solche Entscheidungen ein in das Thema „Wir nehmen bestimmte Gruppen von Menschen aus der Menschenwürde heraus, um andere, als höherwertig betrachtete Ziele und Zwecke zu verfolgen“: Zunächst das Selbstbestimmungsrecht der Frauen durch die Abtreibung, daraus folgend die Rettung von Menschen und die Erfüllung des Jungbrunnen-Wunsches älterer Damen durch die Verwertung abgetriebener Kinder, dann die Rettung der Sozialsysteme und Finanzen von Erben durch den assistierten Suizid und die Euthanasie, die Bewahrung von Familien und Krankenkassen vor zu hohen Kosten und Lasten durch PID und Praena-Test, und nun die Rettung von Menschen durch die Nutzung nicht einwilligungsfähiger Humanstofflager. Wer kommt als nächstes?

Alexandra Maria Linder



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