Papstkritische Kardinäle: Glaubenspräfekt fürchtet Polarisierung

1. Dezember 2016 in Weltkirche


Kardinal Müller: Brief der Purpurträger ist an Papst persönlich gerichtet - Dieser könnte allerdings Glaubenskongregation "ad hoc beauftragen, den Meinungsstreit zu schlichten"


Rom-Madrid (kath.net/KAP) Der Vatikan wird vorerst nicht auf den Brief der vier Kardinälen - darunter die Deutschen Joachim Meisner und Walter Bandmüller - antworten, die vom Papst mehr Klarheit im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen fordern. Die Glaubenskongregation handle und spreche "mit der Autorität des Papstes" und könne sich "am Streit der Meinungen nicht beteiligen", sagte ihr Präfekt, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, am Donnerstag in einem "Kathpress"-Interview in Rom. Er sieht dabei die Gefahr einer Polarisierung.

Müller verwies darauf, dass der Brief an den Papst persönlich gerichtet sei. Dieser könne allerdings die Glaubenskongregation "ad hoc beauftragen, den Meinungsstreit zu schlichten". Die Glaubenskongregation ist für alle Fragen der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre zuständig.

Neben Meisner und Brandmüller sind der US-amerikanische Kardinal Raymond Leo Burke sowie der frühere Erzbischof von Bologna, Carlo Caffarra, Unterzeichner. Sie fordern vom Papst unter anderem eine Klärung, ob eine Kommunionzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen nach seinem Schreiben "Amoris laetitia" nun in Ausnahmefällen möglich sei. Die Veröffentlichung des Briefs begründeten die vier Kardinäle damit, dass Franziskus entschieden habe, ihnen nicht zu antworten und sie die weitere Debatte über dieses Thema fördern wollten.

Der Präfekt der Glaubenskongregation rief zu einer Versachlichung der Debatte über das päpstliche Schreiben "Amoris laetitia" auf. "Im Moment ist es für jeden von uns wichtig, sachlich zu bleiben und sich nicht in eine Polarisierung hineintreiben zu lassen oder sie gar noch anzuheizen", sagte Müller.

Zum strittigen Punkt selbst, ob nach "Amoris laetitia" wiederverheiratete Geschiedene in begründeten Einzelfällen zur Kommunion zugelassen werden dürfen, äußerte sich Kardinal Müller in dem Interview nicht direkt. Er betonte jedoch, dass dieses Schreiben nicht so interpretiert werden dürfe, als seien frühere Aussagen von Päpsten und der Glaubenskongregation nicht mehr gültig.

Verweis auf Antwort Ratzingers von 1993

Ausdrücklich nannte er die offizielle Antwort der Glaubenskongregation auf das Hirtenschreiben der drei süddeutschen (oberrheinischen) Bischöfe von 1993 zum Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen. Darin lehnte Kardinal Joseph Ratzinger als damaliger Präfekt der Kongregation den Vorstoß der Bischöfe ab, den Betreffenden in Einzelfällen den Kommunionempfang zu ermöglichen.

Die Unauflöslichkeit der Ehe müsse die "unerschütterliche Lehrgrundlage für jede pastorale Begleitung" sein, betonte Müller. Zugleich wolle Franziskus allen, deren Ehen und Familien sich in einer Krise befinden, helfen, "einen Weg in Übereinstimmung mit dem immer gnädigen Willen Gottes zu finden".

Müller wies zudem Berichte über angebliche Grabenkämpfe im Vatikan zurück. Gerüchte und Stereotypen vom "Machtkampf hinter den Kulissen oder den 'hohen Mauern des Vatikans' zwischen Reformern und Bremsern" zeigten nur, "wie das Denken und Wahrnehmen von Machtkategorien verdorben sind". Es gehe um "den Sieg der Wahrheit und nicht um den Triumph der Macht".

Die Causa "Vier Kardinäle" hatte am Dienstag und Mittwoch weltweit für großen Wirbel gesorgt, weil das spanische Internetportal "Religion Confidencial" den Dekan des vatikanischen Ehegerichts Rota Romana, Pio Vito Pinto, mit den Worten zitierte, Meisner, Brandmüller, Burke und Caffarra "könnten die Kardinalswürde verlieren". Am Donnerstag korrigierte das Portal allerdings.

"Dieser Satz ist nicht korrekt", schrieb "Religion Confidencial" jetzt. Laut der Tonaufzeichnung des Interviews habe der Dekan der Rota vielmehr betont, dass Franziskus eben kein Papst vergangener Zeiten sei, der den Kardinälen den Titel entziehen würde. "Franziskus wird das nicht tun", wird Pinto jetzt zitiert.

Weitere kritische Passagen ließ das Portal auch nach der Überrpüfung unverändert, darunter die Frage Pintos: "Welche Kirche verteidigen diese Kardinäle?" Ihr offener Brief an den Papst sei "ein schwerwiegender Skandal".

Archivfoto Kardinal Müller


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