Bischöfe und rote Linien

14. März 2017 in Kommentar


Wieder hat Kardinal Marx gegen die AfD gewettert und gegenüber dieser Partei eine rote Linie gezogen, die die Gläubigen nicht überschreiten dürften. Mit welcher Kompetenz tut er das und mit welchem Recht? Gastkommentar von Prof. Hubert Windisch


Freiburg (kath.net) Wieder hat Kardinal Marx gegen die AfD gewettert und gegenüber dieser Partei eine rote Linie gezogen, die die Gläubigen nicht überschreiten dürften. Mit welcher Kompetenz tut er das und mit welchem Recht? An der Kompetenz seiner Aussagen muss man deshalb zweifeln, weil er anscheinend weder das Programm der AfD gelesen hat noch rote Linien gegenüber anderen Parteien und ihren Programmen zieht, wie z. B. gegenüber den Grünen oder den Linken oder auch in Teilen gegenüber den sog. C-Parteien.

Spricht hier ein Regierungssprecher im Wahlkampf? Das Recht dazu hat ein Kardinal nicht.

Die Gläubigen, die gerne von Bischöfen als mündig bezeichnet werden, solange sie nicht widersprechen, haben laut II. Vaticanum eine eigene Welt- und damit auch Politikkompetenz, die ihnen nicht von einem bevormundenden Klerus abgesprochen werden darf.

Wohltuend sachlich äußert sich diesbezüglich Bischof Voderholzer von Regensburg in einer Predigt vom 29. Januar 2017, wenn er sagt, „dass es bei der Beurteilung konkreter politischer Entscheidungssituationen verschiedene legitime Auffassungen geben kann, auch unter Christen, unter Katholiken. Und dies haben auch die Geistlichen zu respektieren.“

Peinlich werden die Äußerungen des Kardinals hingegen in ihrer Kombination aus Inkompetenz und Arroganz auch dadurch, dass er gegen politischen Populismus selbst mit populistischer Keule zu Felde zieht. Die Glaubwürdigkeit der Kirche hierzulande ist aufgrund solcher Vorgänge in freiem Fall.

Nur zwei Stimmen von engagierten Kirchgängern dazu: 1. Marx soll sich politisch erst wieder äußern, wenn er auf dem Tempelberg in Jerusalem wieder sein Amtskreuz angelegt hat. 2. Wenn Marx die AfD verteufelt, ist es ein Grund, diese Partei zu wählen.

Nun scheint Kardinal Marx seit geraumer Zeit nur eine rote Linie zu kennen, obwohl es andererseits viele rote Linien gibt, die Bischöfe mit ihren Gefolgsleuten ungeniert überschritten haben bzw. überschreiten.

Man denke z. B. an die eilfertige Umsetzung des schwachen päpstlichen Dokuments Amoris Laetitia in nationale Vorschriften, worin heftig an der sakramentalen Grundordnung der katholischen Kirche gerüttelt und dabei der schwarze Peter letztlich den Pfarrern vor Ort zugeschoben wird.

Man denke z. B. an das Schweigen der Bischöfe in Bezug auf eine nicht gerechtfertigte Abtreibungspraxis in Deutschland unter C-Regierungen und die Kumpanei damit durch das bischöfliche Organ ZdK mit seinem Subunternehmer Donum Vitae.

Man denke an die Zögerlichkeit der Bischöfe gegenüber den destruktiven Genderideen, die naturwissenschaftlich ein Unsinn und ideologisch ein Wahnsinn sind und in Lehrplänen an Schulen zum Schaden von Kindern und Jugendlichen implantiert werden sollen.

Man denke an den mangelnden Hirtenmut, wenn in Pastoralplänen diverser Diözesen (wie z. B. Trier oder Freiburg) der Priester kaum noch eine oder gar keine Rolle mehr spielt.

Und man denke an das Allgemeine Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt vom September 2012, das sogar von Papst em. Benedikt XVI. in seinen Letzten Gesprächen mit Peter Seewald angezweifelt wird. Wer sich demnach weigert, gemäß dem historisch bedingt so gewordenen Kirchensteuersystem Kirchensteuer zu zahlen, soll exkommuniziert werden, darf also nicht zur heiligen Kommunion gehen wie wiederverheiratete Geschiedene. Warum darf man sich beim Geld nicht auf das eigene Gewissen berufen?

Man denke ferner an den sträflich unverantwortlichen Kuschelkurs von höchster Stelle aus gegenüber dem Islam, wovon sich wiederum wohltuend Bischof Voderholzer in seiner Predigt durch eine kritische Warnung vor dem Islam abhebt.

Es sind viele rote Linien, die vielen Bischöfen und Kardinälen zu denken geben sollten.

Viele Gläubige haben jedenfalls die römische katholische Geschwätzigkeit, die nicht nur Realitätsferne, sondern auch Bibelscheu und Traditionsvergessenheit verrät, allmählich satt. Bischöfe, bleibt bei euren Leisten. Die Lage ist ernst.

Prof. Dr. Hubert Windisch ist emeritierter Professor für Pastoraltheologie der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg.


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