20. März 2017 in Spirituelles
Ich sah den Pfarrer, der mir freundlich winkte, einzutreten. Die Bänke für die Gemeinde waren leer. Gastbeitrag von Tobias Klein
Berlin (kath.net/Blog Huhn meets Ei) Für die diesjährige Fastenzeit habe ich mir vorgenommen, möglichst oft auch werktags zur Messe zu gehen. Wobei ich gleich einräumen muss, dass dieser Vorsatz nicht ganz wörtlich zu verstehen ist: "Möglich" wäre schließlich Vieles. Präziser müsste es heißen: "An jedem Tag zur Messe gehen, an dem ich das terminlich ohne größere Schwierigkeiten einrichten kann, außer samstags, denn am Samstag haben meine Liebste und ich unseren gemeinsamen Ausschlaf- und Rumgammeltag". Aber mit dieser pragmatischen Einschränkung läuft mein selbst auferlegtes Programm bislang recht gut: Seit dem Aschermittwoch war ich bisher nur an drei Tagen nicht in der Messe.
Meiner bisherigen Erfahrung zufolge - und damit meine ich nicht nur die Erfahrungen der letzten zwei Wochen - werden Frühmessen an "normalen" Werktagen hauptsächlich von alten Damen besucht; gelegentlich sind auch, in signifikant geringerer Zahl, alte Männer dabei, und manchmal auch noch nicht so alte Frauen, die - so jedenfalls mein Eindruck - zumeist aus Polen, Kroatien oder von den Philippinen stammen. Natürlich variiert die Zusammensetzung des Werktagsmessen-Publikums von Pfarrei zu Pfarrei, aber mit so 5-10 Seniorinnen kann man eigentlich immer rechnen.
Dachte ich.
Einen Vorgeschmack darauf, was es für die Messbesuchszahlen bedeuten wird, wenn die treuen und unermüdlichen Kirchgängerinnen sterben, ins Pflegeheim kommen oder so gebrechlich werden, dass sie es nicht mehr zur Kirche schaffen, bekam ich erstmals am letzten Dienstag. Da war ich nämlich zum, soweit ich mich erinnern kann, ersten Mal in einer Werktags-Frühmesse ohne Seniorinnen.
Wenn keiner kommt, bleib der Altar leer.
In der Kirche, die ich regelmäßig besuche, gibt es dienstags keine Messe, und so war ich aufs Geratewohl zu einer Kirche gefahren, die ich bislang nur von außen kannte und die zwar nicht in unmittelbarer Nähe meiner Wohnung liegt, aber mit der S-Bahn schnell und leicht zu erreichen ist. Es ist eine sehr große Kirche mit weithin sichtbarem Turm, und als ich sie gut fünf Minuten vor dem angekündigten Beginn der Messe betrat, war sie leer. Aber es war Licht an. Angesichts der Größe der Kirche konnte ich mir schon denken, dass die Werktagsmessen in einer Seitenkapelle stattfinden würden, aber ich konnte zunächst keine solche entdecken. Also dachte ich mir, vielleicht gibt es einen separaten Eingang, und ging einmal außen um das Gebäude herum, aber bis auf das Hauptportal waren alle Türen verschlossen und sogar vergittert. Also versuchte ich es noch einmal von innen und entdeckte tatsächlich eine Seitentür, die offen war und aus der Lichtschein drang. Ich trat näher und hörte eine Stimme, und dann sah ich auch den Eingang zur Werktagskapelle - und den Pfarrer, der mir freundlich winkte, einzutreten. Ein jüngerer Priester, vermutlich der Kaplan der Gemeinde, trug gerade die Lesung vor. Die Bänke für die Gemeinde waren leer.
In Canon 906 des Codex Iuris Canonici (CIC) heißt es, "[o]hne gerechten und vernünftigen Grund" dürfe ein Priester "das eucharistische Opfer nicht ohne die Teilnahme wenigstens irgendeines Gläubigen feiern"; aber die Priester waren ja zu zweit und hatten die Messe daher pünktlich begonnen, auch ohne Gemeinde. (Merke: Es heißt "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" - zwei sind also das Minimum.) Ich setzte mich in die Bank, und die Messe nahm ihren Lauf. Pünktlich zur Gabenbereitung kam noch eine junge (!) Frau herein. Die Messe war schön und feierlich und liturgisch tadellos, und nach dem Entlassungssegen richtete der Pfarrer noch ein paar Worte an die kleine Gemeinde. Es sei schön, dass wir gekommen seien, sagte er, und: "Gott war auch dabei, und Er ist in der Dreieinigkeit, also waren wir insgesamt zu siebt."
Nach dieser Erfahrung ging ich heute wieder in dieselbe Kirche, und da ich den Weg zur Werktagskapelle ja nun schon kannte, war ich pünktlich. Diesmal zelebrierte der Pfarrer allein - und ich repräsentierte allein das "Volk". Dafür durfte ich dann auch die Lesung und den Antwortpsalm vortragen. Insgesamt war es eine bemerkenswert intensive Erfahrung, die Messe allein mit dem Priester (und mit Gott) zu feiern - nicht zuletzt auch, weil das bedeutete, dass ich in den liturgischen Texten allein die Antworten geben musste. Am Ende bedankte sich der Pfarrer bei mir, dass ich gekommen war - denn ohne mich hätte, siehe oben, die Messe nicht stattfinden können. Mit anderen Worten: Wäre ich heute nicht zur Messe gegangen, und zwar genau dort, dann hätte es ein heiliges Messopfer weniger auf der Welt gegeben.
Die Lehre, die daraus zu ziehen ist, scheint mir deutlich: Es ist nicht egal, ob du zur Messe gehst. Wenn du es nicht tust, tut es vielleicht niemand. Die Kirche braucht dich. Sie braucht jeden von uns.
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