11. Mai 2017 in Österreich
IMABE-Geschäftsführerin Kummer zu Abtreibungs-Zwang für schwedische Hebamme: Gericht stellt Gewissensgründe als Bedrohung für den Rechtsstaat dar - Bevormundung und Bestrafungen beenden
Wien (kath.net/KAP) Vor einer voranschreitenden Einschränkung des Gewissensvorbehalts am Gesundheitssektor warnt das österreichische kirchliche Medizinethik-Institut IMABE. Es sei eine "bedenkliche Tendenz", wenn in Schweden das medizinische Personal gezwungen sei, auch gegen das eigene Gewissen an Abtreibungen mitzuwirken, erklärte IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer am Donnerstag gegenüber "Kathpress". "Die mit so viel Anstrengung im Rahmen der Menschenrechtsdebatte erkämpfte Anerkennung der Gewissensfreiheit wird in diesem Kontext nun quasi als Bedrohung für den Rechtsstaat dargestellt", so die Expertin.
Das schwedische Arbeitsgericht bezeichnete kürzlich die Entlassung oder eine Nicht-Anstellung von medizinischem Krankenhauspersonal, das sich mit Berufung auf die Gewissensfreiheit die Mitwirkung an einer Abtreibung verweigert, als zulässig. Anlassfall war die Hebamme Ellinor Grimmark, die infolge ebendieser Weigerung von ihrem Spital gekündigt worden war, trotz ihrer Fachkompetenz an drei weiteren Krankenhäusern als Hebamme abgelehnt wurde und auf Diskriminierung geklagt hatte. Nach dem Bezirksgericht lehnte nun auch in zweiter Instanz die Arbeitsrichter die Klage ab: Der Arbeitgeber habe das Recht, zu verlangen, dass alle Hebammen alle ihre Pflichten erfüllen können, einschließlich Abtreibungen, begründeten sie.
Grimmark, die vor der Klage nach Norwegen emigriert war, um weiter arbeiten zu können, will sich nun an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, da das Urteil dem Völkerrecht widerspreche. Laut Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die auch in Schweden gilt, müssen Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit für jedermann gewährleistet sein. Das Europäische Parlament hatte 2010 eigens in einer Resolution die Garantie auf Gewissensfreiheit im medizinischen Sektor festgehalten.
"Die Pflicht, an Abtreibungen teilzunehmen kann kein Lackmustest für die Anstellung einer Hebamme oder eines Krankenpflegers sein. Eine Hebamme ist verantwortlich für die Pflege der Mutter und des Kindes vor, während und nach der Geburt", betonte Grimmarks Anwältin Ruth Nordström zu dem Fall.
Unterstützung erhielt die Hebamme auch von Menschenrechtsaktivisten: Das schwedische Anti-Diskriminierungsgesetz schreibe Arbeitgebern vor, die Rechte und Chancen ihrer Angestellten im Berufsleben zu wahren, unabhängig von deren Religion oder Weltanschauung, rief etwa die Präsidentin der Scandinavian Human Rights Lawyers in Erinnerung.
"Opt-out" sicherstellen
Die Wiener Ethikerin Kummer verwies auf die Vorgeschichte der Causa: "Wenn Töten als medizinische Versorgungsleistung umdefiniert wird, darf man sich nicht wundern, dass es beim Personal zu Gewissenskonflikten kommt", so die IMABE-Geschäftsführerin in ihrer Stellungnahme. Ein liberal-demokratischer Staat tue gut daran, die Menschenrechte zu achten und seinen Bürgern in diesen Fällen eine Opt-Out-Möglichkeit aus Gewissensgründen zu gewährleisten. Dies müsse geschehen ohne Bevormundung oder nachträgliche Bestrafung durch quasi ein Berufsverbot, wie dies nun in Schweden passiert sei.
Auch bei Fragen am Lebensende spiele laut Kummer die Aushöhlung des Gewissensvorbehalts eine Rolle. So sind etwa in der kanadischen Provinz Ontario Ärzte von ihrem Berufsverband CSPO bereits angewiesen, Suizidwillige an Kollegen weiterzuvermitteln, wenn sie selbst aus Gewissensgründen keine Tötung auf Verlangen oder assistierten Suizid durchführen wollen. Eine Klage dagegen will nun die Plattform "Coalition for HealthCARE and Conscience" einbringen, der 5.000 kanadische Ärzte und 110 medizinische Einrichtungen angehören. Die Weisung sei nicht verfassungskonform und untergrabe die Gewissensfreiheit der Ärzte, so die Begründung. Immer mehr Einschränkungen der Gewissensfreiheit in der Medizin sind Kummer zufolge auch in Belgien und Großbritannien zu beobachten.
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