24. Juni 2017 in Österreich
Wiener Erzbischof in Interview bei Fribourger Studientagen "überrascht, dass Katholiken, die immer betonten, sehr loyal zum Papst zu sein, dessen Treue zum katholischen Glauben plötzlich in Frage stellen"
Fribourg (kath.net/KAP) Kardinal Schönborn hat bei einer großen interkonfessionellen Konferenz in der Schweiz die Bedeutung der vor 50 Jahren in den USA entstandenen Charismatischen Erneuerung (CE) für den künftigen Weg der Ökumene gewürdigt. Der Wiener Erzbischof äußerte sich am Rande der IV. Studientage zur theologischen und gesellschaftlichen Erneuerung an der Universität Fribourg in einem Interview mit der Schweizer katholischen Nachrichtenagentur "cath.ch". Die Kirche brauche die Erneuerung durch den Heiligen Geist, wie sie sich in der CE zeige, betonte er.
Die Charismatische Erneuerung sei dabei nicht auf die katholische Kirche beschränkt. "Vielmehr ist es so, dass die Erneuerung innerhalb der anderen Konfessionen auch der Erneuerung in der katholischen Kirche hilft." Dieses Anliegen hätten die von 31. Mai bis 5. Juni in Rom stattfindenden Feiern zu "50 Jahre Charismatische Erneuerung in der katholischen Kirche" ausdrücken wollten. Schönborn hob die "starke ökumenische Dimension" des Treffens, an dem 100.000 Menschen teilnahmen, hervor. "Diese Erneuerung in unserer Kirche verdankt anderen christlichen Kirchen sehr viel. Umgekehrt lernen diese wiederum viel von der katholischen Kirche. Es ist ein Austausch von Geschenken, die alle Früchte des Heiligen Geistes sind", so der Kardinal.
Die CE sei aber auch Ausdruck dafür, dass die Kirche etwas anderes als eine NGO sei, hob der Wiener Erzbischof hervor. Papst Franziskus habe dies mehrfach klargestellt. "Die Frage der Realität des Heiligen Geistes ist keine unwichtige Nebensache, sondern eine Frage von Leben oder Tod. Der Apostel Paulus sagt: 'Niemand kann sagen' Jesus ist der Herr, außer durch den Heiligen Geist.' Auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind, ist es der Heilige Geist, der den Glauben wirklich und lebendig macht."
Papstkritik "paradox"
Auf die Journalistenfrage zu den Kritikern des Papstes im Blick auf dessen postsynodales Schreiben "Amoris laetitita" gab Schönborn an, es habe ihn überrascht, dass Katholiken, die immer betonten, sehr loyal zum Papst zu sein, dessen Treue zum katholischen Glauben plötzlich in Frage stellten. "Das ist ein bisschen paradox", so der Kardinal: "Daher empfehle ich, 'Amoris laetitia' mit offenem Herzen und Geist zu lesen, um zu erkennen, was der Papst wirklich sagen will. Und das ist ganz im Einklang mit Johannes Paul II. und dem Katechismus."
Franziskus spreche "voll Aufmerksamkeit und Zuneigung" zu Menschen, deren Beziehungen gescheitert seien. "Er ermutigt sie, die Zeichen des Herrn in ihrem Leben zu sehen, auch wenn es dramatisch verlaufen ist", so der Wiener Erzbischof.
Medjugorje: Lob für Ruini
Schönborn äußerte sich auch über die kirchliche Anerkennung der Erscheinungen von Medjugorje. Das diesbezügliche Fazit der sogenannten Ruini-Kommission, die noch Papst Benedikt XVI. eingesetzt hatte, sei sehr nuanciert und von Franziskus sehr gelobt worden. Allerdings - so der Wiener Erzbischof - sei der detaillierte Inhalt noch nicht veröffentlicht.
Der Sukkus des Ruini-Rapports war im März von vatikannahen Medien veröffentlicht worden. Demnach könnten die ersten sieben Marienerscheinungen des Jahres 1981 in dem bosnisch-herzegowinischen Dorf als echt angesehen werden, die weiteren jedoch nicht.
Trotz dieser nüchtern-zurückhaltenden Analyse des Rapports erinnerte Schönborn - der als Medjugorje-Befürworter gilt - aber auch an die "Früchte von Medjugorje", die auch vom Papst gewürdigt worden seien. In erster Linie handle es sich dabei um eine sehr große Zahl von Bekehrungen. Diese werde auch explizit vom Papst erwähnt.
Heiliger Geist und Reformation
Die IV. Studientage zur theologischen und gesellschaftlichen Erneuerung an der Universität Fribourg waren unter dem Thema "Komm, Heiliger Geist!" gestanden. Im Gedenkjahr der Reformation habe man dabei laut dem veranstaltenden Studienzentrum für Glaube und Gesellschaft nach dem "re-formierenden Wirken des Heiligen Geistes" fragen wollen. Römisch-katholische, anglikanische, orthodoxe, freikirchliche und reformierte Perspektiven sollten an den Studientagen miteinander ins Gespräch gebracht werden, so das Studienzentrum. Dazu wurden 40 Referentinnen und Referenten aus verschiedenen Konfessionen eingeladen. "Der Heilige Geist ist in allen Traditionen am Wirken und nicht etwa an eine bestimmte Traditions- oder Kulturform gebunden", wird Walter Dürr, Direktor des Studienzentrums für Glaube und Gesellschaft, zitiert.
Die Hauptreferate wurden vom anglikanischen Primas und Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, von Kardinal Schönborn sowie dem emeritierten anglikanischen Bischof und Theologieprofessor Nicholas Thomas Wright gehalten. Die Studientage standen allen Interessierten offen; mehr als 600 nahmen teil.
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