Kardinal Müller: Europa erlebt 'forcierte Entchristlichung'

22. Juli 2017 in Weltkirche


Gegenwärtige Lage schwerwiegend, weil "alle Elemente des gelebten Glaubens, der Volksfrömmigkeit, zusammengebrochen" seien


Rom (kath.net/KAP) Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller sieht die Situation der Kirche in seinem Heimatland als "dramatisch" an. Die Beteiligung am kirchlichen Leben, die Glaubensweitergabe und der Nachwuchs an Priestern und Ordensleuten seien stark zurückgegangen, beklagte er in einem Interview der italienischen Tageszeitung "Il Foglio" (Freitag). Das Problem betreffe nicht nur Deutschland; ganz Europa erlebe einen "Prozess forcierter Entchristlichung, der über die einfache Säkularisierung weit hinausgeht", so der Kardinal.

Müller, bis Anfang Juli Präfekt der Glaubenskongregation, warnte die Kirche davor, ihre Kräfte in inneren Kämpfen aufzureiben. Er sprach von "sogenannten Progressiven, die den Sieg suchen, indem sie alle sogenannten Konservativen jagen".

In Europa sei eine "Entchristlichung der gesamten anthropologischen Grundlage" im Gang. Der Mensch werde "strikt ohne Gott und ohne Transzendenz definiert", so der Kardinal. Die gegenwärtige Lage sei schwerwiegend. "Alle Elemente des gelebten Glaubens, der Volksfrömmigkeit, sind zusammengebrochen", sagte Müller, der vor seinem Wechsel nach Rom zehn Jahre Bischof von Regensburg war.

Die These, dass die katholische Kirche unter dem aus Argentinien stammenden Papst Franziskus weniger eurozentristisch werde, wies Müller zurück. Das Zentrum der Kirche sei Christus; die Rede von einem Eurozentrismus ziele lediglich darauf, der Kirche eine politisierte Deutung zu geben. Europa habe kulturell einen großen Einfluss auf die Welt gehabt, negativ etwa mit dem Kolonialismus, positiv beispielsweise mit der Philosophie, Metaphysik und Recht, sagte Müller.

Kardinal Müller


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Foto oben: Kardinal Müller (c) Markus Gehling/kath.net


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