25. August 2017 in Buchtipp
Maria spricht zur Welt aus dem Herzen Afrikas. Leseprobe 4 aus dem Buch Die Erscheinungen von Kibeho von Immaculee Ilibagiza
Linz (kath.net)
Mein Vater war schlanker als bei der Abreise. Er war auch gesünder und munterer, als er es seit Monaten gewesen war seine Augen blitzten und sein Lächeln war sehr lebhaft. Sämtliche Zweifel und Bedenken, die er früher bezüglich der Kibeho-Erscheinungen gehegt hatte, waren während seiner Wallfahrt spurlos verschwunden; wenn er jetzt über die Seherinnen sprach, war seine Stimme ehrerbietig und heiter. Was immer er dort erlebt hatte, hatte seinen ohnehin schon tiefen Glauben an Gott noch stärker werden lassen.
Mutter servierte Vater seine erste ordentliche Mahlzeit seit Tagen und dann setzten wir uns alle ins Wohnzimmer und er erzählte uns jede Etappe seiner Reise. Die Straßen waren sehr schlecht, begann er. Genauer gesagt, waren sie wegen Erdrutschen und heruntergestürzten Felsbrocken oft unpassierbar. Und an manchen Stellen mussten wir uns unseren Weg durch dichten Busch schlagen und durch Flüsse und Bäche waten. Wir legten ungefähr fünfzig Kilometer pro Tag zurück, vielleicht auch mehr. Es war anstrengend, aber niemand nicht einmal die Ältesten unter uns hat sich beschwert oder vorgeschlagen umzukehren.
Die meisten von uns hatten keine Vorstellung davon, wie lange die Reise dauern würde, also hatten wir nicht genug Lebensmittel dabei. Weil viele am ersten Abend völlig ausgehungert waren, haben wir unsere Vorräte zusammengetan und den Anfang unserer Wallfahrt mit einem gemeinsamen Fest gefeiert. Nach dem Essen haben wir zur Gottesmutter Maria gebetet, dass sie über uns wachen und für alles Nötige sorgen möge. Nach diesem ersten gemeinsamen Mal waren unsere Essensvorräte aufgebraucht.
Diese erste Nacht haben wir im Wald verbracht. Wir haben ein Lagerfeuer angezündet und einen richtig traditionellen Igitaramo abgehalten. Marienlieder wurden gesungen und Pater Rwagema hat uns aufgefordert zu erzählen, wie Maria unser Leben berührt hat. Als ich an der Reihe war, habe ich den anderen erzählt, dass das größte Geschenk, das Maria mir gemacht hat, ein gesundes kleines Mädchen war, das ich ihr zu Ehren Ilibagiza genannt habe ‒ denn das bedeutet strahlend und schön an Leib und Seele, genau wie Unsere Liebe Frau ‒ und Immaculée, nach dem Unbefleckten Herzen der seligen Jungfrau Maria.
Oh Papa, sagte ich leise und tief bewegt. Die Reise hatte ihn tatsächlich verändert: So offen hatte er noch nie über seine Gefühle gesprochen und er machte mich so glücklich, dass ich am liebsten geweint hätte. Meine Brüder rollten mit den Augen und drängten ihn, rasch weiterzuerzählen.
Vicente, ein Pilger aus Pater Clements Gemeinde, der sich uns angeschlossen hatte, hat mich gefragt: Setzt man ein Mädchen nicht zu sehr unter Druck, wenn man es nach der Jungfrau Maria nennt? Wie soll es einem solchen Namen gerecht werden?, fuhr unser Vater fort. Sie muss diesem Namen nicht gerecht werden, habe ich ihm geantwortet, sie muss es nur versuchen und wie könnte ihr Leben besser gelingen? Und außerdem habe ich die Nähe der Gottesmutter Maria gespürt, als ich sie das erste Mal angeschaut habe. Er lächelte mir zu und ich spürte eine große Liebe in mir aufsteigen.
Jedenfalls hatten wir einen guten Igitaramo verbracht, erzählte Vater weiter, und als wir danach getrocknete Bananenblätter gesammelt hatten, um darauf zu schlafen, hörten wir das Knurren eines Leoparden. Viele in unserer Gruppe hatten Angst, weil wir schutzlos unter freiem Himmel schlafen mussten. Also sind einige von uns hingegangen und haben Äste abgebrochen und sie zu etwa dreißig Kreuzen zusammengebunden, die wir dann im Kreis rund um unser Lager herum in die Erde eingerammt haben. Danach haben wir alle geschlafen wie die Babys.
Als wir am nächsten Morgen aufwachten, stellten wir fest, dass irgendjemand in der Nacht in unserem Lager gewesen war und Geschenke dagelassen hatte. Neben einem der Holzkreuze standen zwei riesige Taschen voller Reis und Bohnen, genug für dreihundert Pilger, um tagelang davon satt zu werden. Wir knieten nieder und dankten der Gottesmutter Maria dafür, dass sie unsere Gebete erhört und für uns gesorgt hatte. Wir waren sicher, dass sie uns auf unserer Wallfahrt begleitete.
In jedem Dorf, an dem wir vorbeikamen, fragten uns die Leute, ob wir Kibeho-Pilger seien, und luden uns zu sich nach Hause ein. Sie gaben uns Milch, und wir durften uns bei ihnen waschen ja, alle dreihundert! Stellt euch das vor! Die Leute glauben, dass die Gottesmutter Maria Ruanda segnet, und sie helfen allen, die zu ihr unterwegs sind, damit sie bei uns bleibt.
Immer wenn jemand von uns in Dornen getreten war oder sich den Knöchel verstaucht hatte, haben wir Gott diesen Schmerz sofort aufgeopfert und sind weitergegangen. Es war wichtig, dass wir auf unserer Wallfahrt mitunter auch Schmerzen und Beschwerden hatten, denn das hat uns über die Leiden der heiligsten Mutter nachdenken lassen und uns in die richtige Verfassung gebracht, um auf sie zu hören. Außerdem, wenn Jesus sich nicht über seine Leiden beklagt hat, wie könnten wir dann über ein paar Dornen jammern?
Am dritten Tag kamen wir an eine unterspülte Brücke. Der Fluss, über den sie geführt hatte, war zu reißend und zu tief, um ihn zu überqueren; also mussten wir einen Umweg von vielen Kilometern machen. Wir verirrten uns im tiefen Busch, und als die Sonne unterging, wussten wir nicht, in welche Richtung wir am nächsten Tag gehen mussten. Wir schlugen unser Lager auf und beteten um Führung. Zwei Stunden später sahen wir acht Sterne am nächtlichen Himmel, die ein Kreuz bildeten Niemand von uns hatte diese Sterne vorher schon einmal gesehen, und wir wussten, dass die Gottesmutter Maria dies bewirkt hatte, um uns den Weg nach Kibeho zu zeigen. Am Morgen verließen wir den Busch in der Richtung, in der wir das Sternenkreuz gesehen hatten, und stießen auf einen Pfad, der uns direkt auf die Straße nach Kibeho führte.
kath.net-Buchtipp
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Die Erscheinungen von Kibeho
Von Immaculee Ilibagiza
Geb., 256 Seiten
mit 16-seitigem Bildteil
Media Maria 2017
Preis: 19,50 Euro
ISBN 978-3-9454013-3-0
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