22. August 2017 in Weltkirche
"Welttag des Migranten und des Flüchtlings": Papst legt migrationspolitisches Programm vor - Sehr konkrete Forderungen zum Umgang mit Migranten statt geistlicher Mahnungen - Hintergrundbericht von Kathpress-Korrespondent Burkhard Jürgens
Vatikanstadt (kath.net/KAP) Dieser Thesenkatalog dürfte für viele ein Stein des Anstoßes werden: Mit ungewöhnlich konkreten Appellen hat sich Papst Franziskus zur Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen zu Wort gemeldet. Darin spricht er sich für humanitäre Korridore und Familiennachzug aus, verlangt Zugang zum Arbeitsmarkt schon für Asylbewerber und Einbürgerungserleichterungen. Brisant in Zeiten des Terrors: Beim Thema Grenzkontrollen müsse die Sicherheit der Schutzsuchenden Vorrang vor der nationalen Sicherheit haben.
Das Dokument mit dem Titel "Die Migranten und Flüchtlinge aufnehmen, beschützen, fördern und integrieren", das der Vatikan am Montag veröffentlichte, erscheint nicht etwa als Beitrag zur innereuropäischen Flüchtlingsdebatte. Es ist die Botschaft zum nächsten katholischen "Welttag des Migranten und des Flüchtlings", der am 14. Jänner 2018 begangen wird. Adressaten sind insofern ebenso Kolumbien, Indonesien oder die USA - aber eben auch Deutschland, Österreich oder die Schweiz.
Für Franziskus sind Flüchtlinge ein Kern- und Herzensanliegen. Er betont in dem Dokument noch einmal, dass er das von ihm errichtete vatikanische Referat für Migrationsfragen vorerst unter seine persönliche Leitung gestellt haben wollte. Er erinnert auch an seinen Besuch auf der süditalienischen Insel Lampedusa, wo er - wenige Wochen nach seiner Wahl - im Juli 2013 erschüttert der ertrunkenen Flüchtlinge gedachte.
Gegenüber früheren Botschaften zum Weltmigrantentag ist die jetzige ungewöhnlich handfest - eine kleine Programmschrift. Über die Gläubigen seiner eigenen Kirche hinaus wendet sich der Papst an alle politischen und gesellschaftlichen Akteure. Dass er für die Leitpunkte des Schreibens auf die "Grundsätze der Lehre der Kirche" verweist und sich häufig auf seine Vorgänger von Paul VI. (1963-1978) bis Benedikt XVI. (2005-2013) bezieht, unterstreicht den Anspruch auf Gewicht und Geltung.
Die Forderungen haben es in sich: mehr Möglichkeiten einer sicheren und legalen Einreise, Sondervisa für Menschen aus Konfliktgebieten, ja selbst eine Grundsicherung, Zugang zu persönlichen Bankkonten und zum Rentensystem will der Papst für Migranten. Auch ein Mensch, der "das Landesgebiet ohne Genehmigung betreten" habe, behalte seine grundlegende Würde. Bei allem Interesse an nationaler Sicherheit sei "die Sicherheit der Personen stets der Sicherheit des Landes voranzustellen".
Deutlich stellt sich Franziskus gegen einen harten Kurs bei der Abschiebung: "Die kollektiven und willkürlichen Ausweisungen von Migranten und Flüchtlingen sind keine geeignete Lösung, vor allem, wenn diese in Länder geschehen, die die Achtung der Würde und der Grundrechte nicht gewährleisten können." Wer dabei an Libyen denkt, liegt vermutlich nicht falsch.
Legitime Gründe für Flucht und Migration fasst der Papst weit: Krieg, Verfolgung, Katastrophen, Armut. Die "mütterliche Liebe der Kirche" gelte jedem, "der gezwungen ist, die eigene Heimat auf der Suche nach einer besseren Zukunft zu verlassen". Zugleich behält er die Rückkehrperspektive im Blick: Die Fürsorgepflicht gegenüber Flüchtlingen erstrecke sich auf alle Etappen vom Aufbruch über Reise und Ankunft "bis zur Rückkehr". Wichtig sei deshalb, eine Reintegration in den früheren Arbeitsmarkt zu ermöglichen; auch sollten Rückkehrer ihre zwischenzeitlich erworbenen Rentenansprüche mitnehmen können.
Vor allem wirbt Franziskus für bessere Integration. Als geeignete Mittel nennt er Beschäftigung, Sprachkurse und Möglichkeiten aktiver Bürgerschaft, aber auch Medienangebote in den Herkunftssprachen. Die interkulturelle Bereicherung, die der Papst in Flüchtlingen und Migranten sieht, sei ein "langer Prozess"; dieser lasse sich jedoch durch eine leichtere Einbürgerung, besonders für die nachwachsende Generation, beschleunigen.
Mahnend erinnert der Papst abschließend an die Selbstverpflichtung der Staaten, bis Ende 2018 verbindliche Standards zum Umgang mit Migranten und Flüchtlingen zu verabschieden, die "Global Compacts". Die entsprechende Leitlinie für die Kirche stellt Franziskus in einem Bibelzitat seinem Schreiben voran: "Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst."
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